Dienstag, 30. Oktober 2012, 14.00 - 16.30 Uhr
Polnisches Institut
Video - Master Class with Peter Nestler, 30.10.2012
Teilnahme nur mit Akkreditierung möglich!
Peter Nestlers Filme sind direkt und schmucklos. Er will nichts verfälschen, sondern spüren, wenn die Wahrheit aufgedeckt wird. Oft wählt er die Welt der Arbeit zum Thema seiner Filme, macht Bauern und Glasbläser zu seinen Protagonisten. Neben Klaus Wildenhahn gilt Peter Nestler daher als weiterer wichtiger Dokumentarist des Alltags der "einfachen" Menschen in der BRD.
1937 in Freiburg im Breisgau geboren, studiert er Kunst in München und realisiert ab 1962 seine ersten Dokumentarfilme Am Siel und Mühlheim/Ruhr. An Ein Arbeiterclub in Sheffield zerbricht die Zusammenarbeit mit den deutschen Sendeanstalten, Nestlers politische Haltung gilt als zu linkslastig. Er emigriert nach Schweden, arbeitet beim staatlichen Fernsehen und dreht seine Filme von nun an "nebenbei", ab 1967 gemeinsam mit seiner Frau Zsóka.
Anlässlich seines 75. Geburtstags feierte DOK Leipzig Peter Nestlers filmisches Schaffen mit einer Hommage.
Zu unserem großen Bedauern konnte Peter Nestler aus familiären Gründen leider nicht zum Festival nach Leipzig kommen.
Um so mehr freuten wir uns, dass Rainer Komers, Mitglied der diesjährigen Jury Junges Kino und selbst Filmemacher und Kameramann, sich kurzfristig bereit erklärte, im Gespräch mit Dr. Kay Hoffmann (Haus des Dokumentarfilms, Stuttgart) über das Werk Peter Nestlers und die Verbundenheit und Zusammenarbeit mit ihm zu sprechen.
Beide Filmemacher kennen sich schon seit den 60er Jahren und Rainer Komers hat seitdem an verschiedenen Filmen Peter Nestlers mit gearbeitet. In der Meisterklasse wurden ausgewählte Ausschnitte aus dem Gesamtwerk Peter Nestlers gezeigt.
Diese Veranstaltung fand in deutscher Sprache ohne Übersetzung statt.
Dr. Kay Hoffmann (Haus des Dokumentarfilms, Stuttgart) im Gespräch mit Rainer Komers (Filmemacher, Mühlheim/ Ruhr)
Rainer Komers über die Zusammenarbeit mit Peter Nestler
Weitere Stationen unserer Zusammenarbeit sind „Pachamama“ (1995, Hessischer Filmpreis), „Flucht“ (2000) und „Die Verwandlung des guten Nachbarn“ (2002).
Besonders freue ich mich darauf, in der Hommage „Ein Arbeiterclub in Sheffield“ (1965) wiederzusehen, über den ich geschrieben habe:
"Ein Arbeiterclub in Sheffield" ist kein Stück über den Klassenkampf, ist mehr als Milieu- oder Fallstudie und historisches Dokument. Nestlers – vereinfacht gesagt – Außenseiterstandpunkt, an einer Schnittstelle sozialer Kulturen und Klassen, öffnet den Blick für die widersprüchlichen Triebkräfte des Lebens und der Gesellschaft und bannt sie in poetische Bilder. Die Betonung liegt auf «Bilder»: in knapp 40 Minuten über 200 Einstellungen von durchschnittlich 11,5 Sekunden Länge. Das ist noch kein Cinéma Verité mit seiner Huldigung der Unmittelbarkeit (und des Originaltons). Respektvoll Abstand haltend, findet Nestler das für den jeweiligen Menschen in der jeweiligen Situation «richtige» Bild, offenbart seine Schönheit, die Spuren erlittener Erniedrigung und Demütigung überstrahlt.
(aus „Zeit für Mitteilungen“, herausgegeben von der Filmwerkstatt Essen, 1990)"