Zugegeben – einen 131. Jahrestag zu begehen, ist ein bisschen schräg. Aber es passt zur Umgebung. Wir befinden uns in einer psychiatrischen Klinik in Porto. Zunächst stellt der Film einige Protagonisten vor – schon das mit einer umwerfenden Kamera und einem Rhythmus im Schnitt, der von der ersten Sequenz an auf die ganz eigene Wahrheit dieses Ortes fokussiert ist. Wie ist er zu beschreiben, dieser schmale Grat zwischen geistiger Normalität und Wahnsinn?
Jorge Pelicano wendet einen listigen dramaturgischen Kniff an, indem er einen Schauspieler einführt. Unter der Leitung ihres Therapeuten bereiten die Patienten ein 131.-Jahrestag-Theaterstück vor. Zu ihnen stößt Miguel, der die Rolle eines schizophrenen portugiesischen Dichters aus dem 19. Jahrhundert spielt. Genauer gesagt: Er spielt ein halluzinierendes Pferd. Tatsächlich zieht er für zwei Wochen in die Klinik, teilt sich ein Zimmer, nimmt teil an den Mahlzeiten, Proben und Therapiesitzungen. Und er greift ein. Fragt nach. Beobachtet. Stellt Situationen her. Improvisiert. Kommunikation Innen-Außen. Wahnsinn-Normalität. Er probt das halluzinierende Pferd, und schon bald sehen wir ihn durch die Anlage galoppieren. Je länger wir ihm und mit ihm diesen wunderbaren Menschen in der Klinik folgen, desto deutlicher wird: Der Übergang ist fließend. Und das zeugt von der großen erzählerischen Klasse dieses außergewöhnlichen Films.
Matthias Heeder