Wir werden es vermutlich nie erfahren, wie sich die Annexion der Krim genau ereignet hat. Doch weder die versteckten Operationen der Streitkräfte noch die offenen Polit-Rhetoriken sind für Inna Denisova, die diesen No-Budget-Film mit viel Energie realisiert hat, von Belang. Sie interessiert sich für die schleichenden atmosphärischen Verschiebungen, die mit den geopolitischen einhergehen. Wie lebt es sich im Meer des russischen Weiß-Blau-Rot und von Graffiti-Plakaten, die für die einen Glücksverheißung, für die anderen Chauvi-Sprüche sind? Putins große Heimholung der Halbinsel konterkariert Denisova mit ihrer kleinen, sehr persönlichen Rückkehr nach Simferopol, in ihre Geburtsstadt. Zweimal „Back Home“ – und die Frage, was das war, ist und sein wird: Heimat, Zugehörigkeit, Kindheit.
Ohne jede Polemik spricht sie mit alten Schulfreundinnen, Künstlern und Galeristen. Manche bleiben, viele gehen. Ob im Interview mit einem Freund von Regisseur Oleg Sencov (wegen „Terrorismus“, aber ohne Beweise zu 20 Jahren Straflager verurteilt) oder in der ausgesprochen martialischen Reenactment-Event-Kultur (Panzer-Licht-Show für Jung und Alt), ob im Gespräch mit einem Zeichner, dem die Touristen wegbleiben, weshalb er nun Zhirinovsky und die „freundlichen Menschlein“ des Anschlusses porträtiert … Was sich zeigt: eine zutiefst gespaltene Gesellschaft und die noch tiefere Verunsicherung des Einzelnen.
Barbara Wurm