Alter Ego
Diese gleichzeitig rohe und zärtliche Erinnerungsarbeit fräst sich durch Gedanken, Gefühle, Anekdoten, Fotos und Zeichnungen. Ein Versuch, die Trauer um den geliebten Großvater, der dem Krebs zum Opfer fiel, in filmische Bilder zu bannen, sie handhabbar zu machen. Dabei nimmt sich Sonia Leliukh heraus, aus einer bewusst subjektiven Perspektive zu sprechen und ihre Aussagen nicht durch vermeintlich geltende Sprach- und Benimmregeln abzuschwächen. Mit ihrem nur auf den ersten Blick verspielt wirkenden Desktop-Dokumentarfilm begegnet sie der radikalen Trauer mit einer ebenso radikalen Ehrlichkeit. Indem sie die alten Computerspiele, mit denen der Großvater sich von den Schmerzen ablenkte, auf die Leinwand holt, versetzt sie nicht nur sich selbst, sondern auch das Publikum in die Rolle des Sterbenskranken. Wenn mein Finger zuckt, weil ich die Solitärkarte an die richtige Stelle schieben oder beim Minesweeper ein anderes Kästchen anklicken will, dann bin ich schon mittendrin im Geschehen und muss mir auch die Frage stellen, wie ich selbst mit Trauer, Liebe oder Ablehnung umgehe. Sowohl in der Gegenwart, besonders aber dann, wenn die Menschen, die diese Gefühle auslösen, nicht mehr länger da sind. Sonia Leliukhs Arbeit ist die filmgewordene Weigerung, diese Gefühle zu Objekten der Vergangenheit sedimentieren zu lassen.
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