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Jahr

Filmstill A Provincial Hospital

A Provincial Hospital

A Provincial Hospital
Ilian Metev, Ivan Chertov, Zlatina Teneva
Panorama Mittel- und Osteuropa 2022
Dokumentarfilm
Bulgarien,
Deutschland
2022
110 Minuten
Bulgarisch
Untertitel: 
Englisch

Kjustendil, eine Stadt in den bulgarischen Bergen, wurde von Covid schwer getroffen. Das dortige Krankenhaus ist wohl ein einigermaßen repräsentativer Mikrokosmos dafür, wie das medizinische Personal mit den schlimmsten Folgen der Pandemie umging. Zehn Jahre nach seinem Debüt „Sofia’s Last Ambulance“ (DOK Leipzig 2012) kehrt Ilian Metev mit einem weiteren Film über das nationale Gesundheitssystem zurück, das dem Virus Galgenhumor und individuelles Engagement entgegensetzt.

Metev selbst saß während des Drehs in London fest und überwachte aus der Ferne, wie Co-Regisseurin Teneva und ihr Kollege Chertov Material sammelten und die Aufnahmen im Alleingang bearbeiteten. Die Krankenhausbelegschaft steht im Fokus. Und wenn es bei all den unzähligen Mitwirkenden einen Hauptprotagonisten gibt, so ist das Dr. Popov. Warmherzig und immer zu einem Spruch aufgelegt, sehen wir ihn oft sogar ohne Maske – die anderen Mitarbeitenden sind meist hinter Schutzausrüstungen verborgen. Sie alle teilen einen knallharten Humor, um durch den Tag und die Nacht zu kommen. Auch die logistischen Herausforderungen einer derartigen Filmunternehmung bleiben nicht verborgen: Die Leute mit den Kameras werden immer wieder erwähnt und angesprochen. In dieser Notgemeinschaft von Patienten, Ärzten und Filmcrew scheint man stets zu Scherzen aufgelegt. Doch der Tod, oben auf der Intensivstation, ist ganz nah.
Lina Dinkla

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Ilian Metev, Ivan Chertov, Zlatina Teneva
Buch
Ilian Metev, Ivan Chertov, Zlatina Teneva
Kamera
Ivan Chertov
Schnitt
Ilian Metev
Produktion
Martichka Bozhilova, Ilian Metev, Ingmar Trost
Ton
Zlatina Teneva
Sound Design
Ivan Andreev, Adrian Lo
Filmvertrieb
Marcella Jelić
Nominiert für: MDR-Filmpreis
Filmstill Fragile Memory

Fragile Memory

Krykhka pam’yat
Igor Ivanko
Panorama Mittel- und Osteuropa 2022
Dokumentarfilm
Ukraine,
Slowakei
2022
85 Minuten
Ukrainisch,
Russisch,
Polnisch
Untertitel: 
Englisch

Der sowjetische Kameramann Leonid Burlaka arbeitete in den 1960er Jahren in seiner Geburtsstadt Odesa für das Odesskaja kinostudija in der damaligen Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik an Filmen, die um die Welt gingen. Heute ist er achtzig Jahre alt, und mit der Diagnose Alzheimer verblasst sein Gedächtnis zusehends. Der Filmemacher Igor Ivanko folgt den Spuren, die sein Großvater hinterließ, und entdeckt in der Garage ein Archiv von immensem Wert.

Zwischen Gartengeräten und Werkzeug finden sich Dutzende Rollen Fotofilm, die allerdings schon fast zerstört sind. Der Enkel scannt das Material ein und führt es den Großeltern vor. Bei den bekannten Gesichtern hellt sich Burlakas Miene auf, doch an vieles kann er sich nicht erinnern. Ivanko erkennt, dass er einen Schatz von historischer Aussagekraft in den Händen hält. Leonid Burlaka begann seine Karriere, als viele sowjetische Kulturschaffende mit der Zensur zu kämpfen hatten. Als Mitte der 1960er Jahre die staatliche Repression nachließ, war er beruflich längst etabliert. Der politische Wandel aber schlug sich in seinen Werken nieder. Ivankos Versuch, die Erinnerungen des Großvaters aufzuzeichnen, bevor sie für immer verschwinden, kommt zu spät. Doch ihm ist ein Film gelungen, der auf fünfzig Jahre Kino und Leben in der UdSSR zurückblickt: ein mitreißendes Zeit- und Familienporträt zwischen Emotion und Information.
Lina Dinkla

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Igor Ivanko
Kamera
Igor Ivanko, Illia Yehorov
Schnitt
Igor Kosenko
Produktion
Mariia Ponomarova, Alexandra Bratyshchenko, Igor Ivanko, Peter Kerekes
Ton
Karina Rezhevska
Musik
Marek Piaček
Filmvertrieb
Clementine Engler
Nominiert für: MDR-Filmpreis
Filmstill Love Is Not an Orange

Love Is Not an Orange

Love Is Not an Orange
Otilia Babara
Panorama Mittel- und Osteuropa 2022
Dokumentarfilm
Belgien,
Moldawien,
Niederlande,
Frankreich
2022
73 Minuten
Rumänisch
Untertitel: 
Englisch

„Stell dir vor, diese Kamera ist deine Mutter“, sagt ein Vater zur Tochter. Etliche Familien aus der Republik Moldau begannen in den 1990er Jahren einen ritualisierten Postverkehr zwischen den aus ökonomischen Gründen migrierten Müttern und den Angehörigen in der Heimat: Erstere schickten Geld und Güter, letztere schickten Videotapes. Solche Amateuraufnahmen sind das Material dieses Films. Sie bezeugen die schmerzhaften Leerstellen der Abwesenden im Leben der Daheimgebliebenen.

Migration ist ein großer Faktor in postsozialistischen Staaten, die nach dem Ende der Sowjetunion von Rezession und Inflation gebeutelt waren – und in diesem Fall zusätzlich vom Bürgerkrieg um Transnistrien. Nach Daten von 2011/2012 hatten etwa dreißig Prozent der moldauischen Kinder einen Elternteil im Ausland. Auch in dem kleinen Land zwischen Rumänien und der Ukraine entscheidet sich ein höherer Anteil der Väter für Arbeitsmigration. Otilia Babara interessiert sich aber spezifisch für die Folgen von langjährig abwesenden Müttern, die etwa in Italien im Pflegedienst für den Unterhalt ihrer Familie sorgen und ihre Liebe in Carepaketen ausdrücken. Der gerade für Mädchen prägende Verlust der Verbindung zur Mutter – die jeweils abseits der Bilder bleibt – äußert sich in den Bruchstellen der inszenierten Homevideos, wenn abschweifende Blicke verraten, dass die Kinder an ihre Rückkehr nicht mehr glauben.
Jan-Philipp Kohlmann

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Otilia Babara
Buch
Otilia Babara
Schnitt
Pierpaolo Filomeno
Produktion
Hanne Phlypo
Co-Produktion
Christine Camdessus, Simone van den Broek, Otilia Babara
Ton
Mark Glynne
Sound Design
Olmo van Straalen
Nominiert für: MDR-Filmpreis
Filmstill My Love Affair with Marriage

My Love Affair with Marriage

My Love Affair with Marriage
Signe Baumane
Panorama Mittel- und Osteuropa 2022
Animationsfilm
Lettland,
USA,
Luxemburg
2022
108 Minuten
Englisch
Untertitel: 
Englisch

„Hüte dich vor allem, besonders vor den Männern“, wurde Zelma als Faustregel für ein gelingendes Leben als Frau mitgegeben. Wenn einem aber die größte aller Lieben begegnet, und das passiert Zelma mehrfach, übernimmt die Biochemie das Zepter und alle Ratschläge sind vergessen. In einem animierten Musical tanzt sich Signe Baumanes Protagonistin durch vielversprechende romantische Anfänge, enttäuschte Erwartungen und scheiternde Ehen – um herauszufinden, dass sie die Regeln am besten selbst bestimmt.

Wie viel diese Zelma mit ihrer Erfinderin zu tun hat? Ob auch Signe Baumane irgendwann einmal einem Sergej begegnete und von Noradrenalin, Serotonin und Dopamin so aus der Fassung gebracht wurde, dass sie seinen herablassenden Tonfall glatt überhörte? Die in Lettland geborene Wahl-New-Yorkerin ist jedenfalls dafür bekannt, Tabus und fragwürdige Konzepte von gewünschter und gestatteter, also „richtiger“ Weiblichkeit als Reibungsfläche für ihre Geschichten zu nutzen. Lange blieb sie der kurzen filmischen Form treu, bis sie 2014 mit „Rocks in My Pockets“ ihren ersten abendfüllenden Animationsfilm vorstellte – auch bei DOK Leipzig. Mit „My Love Affair with Marriage“ schließt sie daran an – nicht nur in Bezug auf die Länge, sondern auch in der ironischen, amüsanten und dennoch ernsthaften Auseinandersetzung mit den Rollen, die Biologie und ungeprüft weitererzählte Mythen für Frauen vorsehen.
Sylvia Görke

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Signe Baumane
Kamera
Signe Baumane
Schnitt
Signe Baumane, Sturgis Warner
Produktion
Roberts Vinovski, Sturgis Warner, Signe Baumane, Raoul Nadalet
Ton
Pierre Vedovato
Musik
Kristian Sensini
Filmvertrieb
Natalia Dabrowska
Filmstill Silent Love

Silent Love

Silent Love
Marek Kozakiewicz
Panorama Mittel- und Osteuropa 2022
Dokumentarfilm
Deutschland,
Polen
2022
72 Minuten
Polnisch
Untertitel: 
Englisch

Im ländlichen Polen sind die Regeln klar: Zu jedem Mann gehört eine Frau, zu jedem Tänzer eine Tänzerin. Der pubertierende Miłosz empfindet hier Sicherheit, insbesondere nach dem Tod seiner Mutter. Schwester Agnieszka, die mit ihrer Freundin Majka eine Fernbeziehung unterhält, setzt alles daran, das Sorgerecht für den kleinen Bruder zu erhalten. Sukzessive offenbart sich das neue Familienmodell, das Marek Kozakiewicz als so zurückhaltenden wie entschlossenen Versuch dokumentiert.

Stetig drehen die Windränder hinter den Häusern ihre Kreise, stehen an Ort und Stelle, markieren Beständigkeit. Doch in das Leben von Miłosz und seiner 35-jährigen Schwester ist Unruhe geraten. Ein behördlicher Marathon steht beiden bevor, um Agnieszka rechtmäßig zum Vormund zu erklären: Seit einigen Monaten sind beide verwaist. Regisseur Marek Kozakiewicz erzählt von der Etablierung einer neuen Familie, für die man im konservativen Polen kaum Beifall erwarten kann. Denn zaghaft manifestiert sich für Agnieszka und ihre zehn Jahre ältere Partnerin der Entschluss, ein Zusammenleben zu probieren. Ohne Küsse, ohne Feierlichkeit wird die Entscheidung fast beiläufig Realität – die Frauen schürfen an der Grenze zwischen platonischer Zärtlichkeit und erzwungener Heimlichkeit. Und auch Miłosz scheint erst spät zu dämmern, in welchem Verhältnis Majka und Agnieszka wirklich zueinander stehen.
Carolin Weidner

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Marek Kozakiewicz
Buch
Marek Kozakiewicz
Kamera
Marek Kozakiewicz
Schnitt
Anna Garncarczyk, Agata Cierniak
Produktion
Agnieszka Skalska, Alexandre Tondowski
Co-Produktion
Ira Tondowski
Ton
Marek Kozakiewicz
Musik
Bartosz Bludau
Broadcaster
Thomas Beyer, Catherine Le Goff
Ausgezeichnet mit: MDR-Filmpreis