
Die Hommage Dokumentarfilm der 68. Festivalausgabe von DOK Leipzig ist der US-amerikanischen Filmemacherin Lee Anne Schmitt gewidmet. Im Zentrum ihrer Arbeiten, viele davon 16mm-Essayfilme, stehen Land(schaften) und Objekte sowie die Spuren politischer Systeme, die sich in sie eingeschrieben haben.
Lee Anne Schmitt legt in ihrem Werk die historischen und ideologischen Bruchlinien ihres Heimatlandes USA offen. Sie befasst sich mit Themen wie historisches Unrecht, Macht von Großkonzernen, Wertschätzung gegenüber der Umwelt und Gleichberechtigung unabhängig von Klasse oder Herkunft. Das Programm der Hommage besteht aus ihren vier Langfilmen und wird um vier weitere Kurzfilme ergänzt.
„Lee Anne Schmitts Praxis zeichnet sich durch gründliche Recherche und intellektuelle Schärfe aus“, so Kurator James Lattimer. „Sie stellt intuitive Verknüpfungen zwischen heterogenen Ideen her, lässt Uneindeutigkeiten und Ambivalenzen nachhallen und eröffnet dem Publikum einen Raum für eigene Schlussfolgerungen.“
In Schmitts Filmen ist das Persönliche politisch und das Politische zutiefst persönlich. Davon zeugt vor allem ihr neuester Film „Evidence“ (2025), der beim diesjährigen Berlinale Forum Premiere feierte. Darin thematisiert sie die Verantwortung der Olin Corporation, jahrelang Arbeitgeber ihres Vaters, für landesweite Umweltzerstörung und den Einfluss des unternehmenseigenen Think Tanks auf Geschichte und ideologische Grundfeste der neokonservativen Bewegung. Ihr erster Langfilm „California Company Town“ (2008) dokumentiert ehemalige und mittlerweile verlassene Unternehmensstädte in Kalifornien, die einst allein für die Beschäftigten wichtiger Industriezweige entstanden sind. In „The Last Buffalo Hunt“ (2011) wird die Filmemacherin zur stillen und präzisen Beobachterin der bis heute anhaltenden Jagd auf die letzten verbliebenen Büffelherden des Landes. „Purge This Land“ erzählt anhand der Biografie des amerikanischen Abolitionisten John Brown (1800–1859) von der Diskriminierung und dem Widerstand von People of Color. Das Kurzfilmprogramm erkundet Zwischenräume, erzählt von der Stille der Natur und den Verunsicherungen der Pandemie, geht der Geschichte religiöser Artefakte nach und lässt traumatische Erfahrungen erahnen.
In der Meisterklasse mit dem Titel „Hommage Lee Anne Schmitt: Beweisaufnahmen“ spricht Kurator James Lattimer mit Lee Anne Schmitt über ihre künstlerische Praxis und die Bedeutung autobiografischer und forschungsbasierter Ansätze. Thema sind außerdem die Entwicklung von Argumentationslinien durch filmische Mittel und die Beziehung zwischen Landschaft und Text.
Die Hommage Animationsfilm ehrt in diesem Jahr Punto y Raya (PyR) als Festival und internationale Plattform an der Schnittstelle von abstraktem Film, Animation und Neuen Medien. Punto y Raya (übersetzt: Punkt und Strich) leistet einen bedeutenden Beitrag zur Sichtbarkeit und Erkundung der Grenzbereiche dieser filmischen Formen und hat sich den grundlegenden Elementen des abstrakten Bewegtbildes verschrieben: Form, Farbe, Bewegung und Klang. Die gezeigten Arbeiten verzichten vollständig auf Erzählungen, Charaktere oder Text. DOK Leipzig würdigt mit der Hommage an Punto y Raya erstmals das Wirken mehrerer Personen und rückt damit auch kollektives Arbeiten und Gemeinschaft in den Fokus.
„Der Tatendrang des PyR-Teams ist mitreißend. Über die Jahre hinweg haben sie eine Community aus Filmschaffenden mit ganz unterschiedlichen künstlerischen Handschriften gefördert, deren Arbeiten sie im Rahmen des Festivals und in einem der weltweit umfassendsten Online-Archive für abstrakten Film öffentlich zugänglich machen“, so Kuratorin Franka Sachse.
Seit der Gründung im Jahr 2007 fanden acht Festivalausgaben an wechselnden Orten in Europa statt. Punto y Raya organisiert außerdem eine Reihe von Bildungsangeboten, um neue Publikumsgruppen und Künstler*innen für abstrakte Filme zu begeistern sowie interdisziplinäre und kollaborative Projekte zu fördern.
Die Hommage Animationsfilm von DOK Leipzig besteht in diesem Jahr aus drei Programmen und einer Meisterklasse. „A Best Of Punto y Raya“ versammelt Arbeiten der Preisträger*innen und Finalist*innen der letzten Festivalausgabe, darunter „O/S“ (2023) des renommierten deutschen Videokünstlers Max Hattler. Sein „optischer Soundtrack“ gewann den Hauptpreis. Gezeigt werden auch die Filme der Zweit- und Drittplatzierten: Während „Moving Moments (6 Moments, 19 Fragments)“ (2023) der niederländischen Filmemacherin Gwendolyn Lootens eine minimalistische Hommage an den stillen Rhythmus ist, bringt „Intersextion“ (2022) von Richard Roger Reeves ohne jegliche Dialoge Humor auf die Leinwand. „Celebrating Women Abstractionists“, bestehend aus insgesamt 16 Arbeiten, stellt das Schaffen von Filmemacherinnen ins Zentrum. Mit „100 Years of Absolute Film“ feiert DOK Leipzig das Jubiläum der Filmmatinee „Der absolute Film“, die 1925 in Berlin uraufgeführt wurde. Im dritten Programm der Hommage Animationsfilm werden sechs der einflussreichsten künstlerischen Experimentalfilme der 1920er Jahre von Hans Richter, Viking Eggeling und Walter Ruttmann mit Live-Vertonung präsentiert. Außerdem lässt das Künstler*innen-Duo kinoMANUAL am 29.10.2025 im UT Connewitz in einer Live-Performance Kurt Schwerdtfegers „Reflektorische Farblichtspiele“ (1922) in moderner Fassung wiederaufleben. In Zeiten des Schwarzweißkinos waren diese bunten, von Musik begleiteten Lichtprojektionen ein Novum und sind heute fester Bestandteil der Filmgeschichte.
Die Meisterklasse ist eine Einladung an das Publikum, in das Universum abstrakter Bewegtbilder einzutauchen und einen Blick hinter die Kulissen der Plattform zu werfen. Entlang persönlicher Highlights und Klassiker spricht Kuratorin Franka Sachse mit Nöel Palazzo (PyR; Co-Leitung, Kuratorin, Produzentin) und Miguel Pires de Matos (PyR; Koproduzent / Koordinator bei der 8. Festivalausgabe) über die Facetten audiovisueller Kunst und die Arbeit von Punto y Raya. Die Veranstaltung findet am 30.10.2025 in der Propsteikirche St. Trinitatis statt.
Die Filmlisten der beschriebenen Reihen finden Sie hier.
Filmstills und Portrait von Lee Anne Schmitt zum Download: Filmstills