Filmarchiv

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Fati’s Choice

Le choix de Fati
Fatimah Dadzie
Internationaler Wettbewerb 2021
Dokumentarfilm
Ghana,
Südafrika
2021
45 Minuten
Englisch
Untertitel: 
Englisch

Ein Strand erinnert an Fatis jüngste Vergangenheit. Über den Seeweg kam sie nach Italien, ohne Papiere, zum fünften Mal schwanger. Aus Sehnsucht nach den Kindern kehrte sie sechs Monate später – ohne Mann – nach Ghana zurück. Ihr Umfeld kann diese Entscheidung nicht verstehen. „Du hast Mist gebaut“, sagt eine Freundin. „Was erzähle ich den Leuten?“, fragt eine Schwester. Doch Fati will für ihre Familie sorgen. Auch wenn sie drei der Kinder noch aus der Obhut der Schwiegereltern befreien muss.

Widmen sich zahlreiche Dokumentarfilme der letzten Jahre den Erfahrungen von Menschen, die in der EU ankommen und in die unwürdigen Verhältnisse der Asylpolitik geraten, zeigt die Arbeit der ghanaischen Regisseurin Fatimah Dadzie einen Perspektivwechsel. In Fatis Heimatort gilt Europa als Paradies – und welcher Dummkopf würde von dort schon freiwillig abhauen? Ihr Prestige hat die Rückkehrerin damit verloren. Die soziale Ausgrenzung zeigen ihre Angehörigen hier als Talking Heads direkt vor der Kamera. Wenn der Film hingegen Fatis Voiceover über Alltagsbilder von Care-Arbeit und Straßenverkauf legt, verleiht er der standhaften Protagonistin seine Stimme.
Jan-Philipp Kohlmann

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Fatimah Dadzie
Buch
Fatimah Dadzie
Kamera
Yao Ladzekpo
Schnitt
Gloria Adotevi
Produktion
Don Edkins, Tiny Mungwe
Co-Produktion
Hamid Yakub
Ton
Kofi Sefa
Musik
Tito Marshall Gomez
Filmvertrieb
Bérénice Hahn
Internationaler Wettbewerb 2020
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Girls/Museum Shelly Silver
Mädchen in der Ausstellung: Besucherinnen im Alter von sieben bis neunzehn Jahren betrachten einzelne Werke im Museum der bildenden Künste Leipzig und interpretieren spontan.
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Girls/Museum

Girls/Museum
Shelly Silver
Internationaler Wettbewerb 2020
Dokumentarfilm
Deutschland
2020
74 Minuten
dari,
Deutsch
Untertitel: 
Englisch, Deutsch

Kunst liegt im Auge des Betrachters, heißt es. Shelly Silvers Betrachterinnen umfassen eine Altersspanne von sieben bis neunzehn Jahren. Ihre Aufmerksamkeit richten sie auf Kunstwerke im Leipziger Museum der bildenden Künste. Die spontanen Werkinterpretationen ermöglichen Resonanzen: beide, sowohl Gemälde als auch ihre jungen Gutachterinnen, geben je nach Standpunkt Verschiedenes über sich preis.

„Scheiße, dass ich kein Junge bin“, entfährt es einer Teenagerin, als sie vor dem Bild eines reichen Burschen steht, wie es ihn Jahrhunderte vor ihr, vielleicht in den Niederlanden, einmal gegeben hat. Denn Jungen dürften einfach viel mehr, meint sie. Draußen Basketball spielen, zum Beispiel. Shelly Silvers Hypothese ist so einfach wie fruchtbar: Die Außenperspektive führt doch immer wieder zurück zur ganz eigenen. Die Fragen und Anstöße der Regisseurin bleiben dabei im Verborgenen. Aber sie greift einzelne Details der Gemälde heraus, um Aussagen zu untermauern und zu veranschaulichen – oder erneut zur Disposition zu stellen. Silvers Raffinesse liegt in der Montage. Der Zeitstrahl der Begehung verläuft derweil von der Vergangenheit in die Gegenwart, von den durchbohrten Füßen Jesu Christi über eine ruhende, nackte Nymphe Lucas Cranachs des Älteren bis hin zu jüngeren Fotografien der schwedischen Künstlerin Arvida Byström.
Carolin Weidner

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Regie
Shelly Silver
Kamera
Shelly Silver
Schnitt
Shelly Silver
Produktion
Shelly Silver
Ton
Richard Schnupp
Musik
Oranotha Erway, Johanna M. Beyer
Internationaler Wettbewerb 2020
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Joy Daria Slyusarenko
Im Wanderzirkus liegen Glück und Unglück nah beieinander. Voller Witz und Tragik erzählt „Joy“ von ehrgeizigen Clowns, schmerzlichen Beziehungen und vom rauen Leben hinter der Show.
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Joy

Dzhoy
Daria Slyusarenko
Internationaler Wettbewerb 2020
Dokumentarfilm
Russland
2020
63 Minuten
Russisch
Untertitel: 
Englisch

Der russische Wanderzirkus „Joy“ verheißt nach außen – nicht nur dem Namen nach – Freude. Hinter den Kulissen ist der Umgangston, wenn nicht gerade gefeiert wird, eher rau: Eifersüchteleien, kleine und größere Grausamkeiten bestimmen den Alltag. Voller Witz und Tragik erzählt Daria Slyusarenko in ihrem Debüt von großen künstlerischen Träumen im kleinen Zelt und von vier Menschen, die auf ihre jeweils eigene Weise das Leben in der Zirkuswelt bestreiten.

Die andauernde Tournee führt durch Kleinstädte, wo sich noch einige Kinder für Schlangen, Papageien und Clownerien begeistern lassen. Ansonsten aber bleiben die Reihen weitgehend leer. Das Zelt ist heruntergekommen, die Tiere sind müde, „Joy“ hat schon bessere Tage gesehen. Auch für die Artistinnen und Artisten ist das nomadische Leben nicht einfach: Zelt auf- und abbauen, in strömendem Regen und bei Sturm, als Rückzugsraum bleibt nur der Wohnwagen und an jeder Ecke fehlt das Geld. Die Show geht trotzdem weiter: ohne Kompromisse im künstlerischen Anspruch. Als Jana auftaucht, nach vielen Arbeitsjahren in Europa, und neue Partnerin des Clowns Waleri wird, macht sich Enthusiasmus breit. Während die beiden ehrgeizig proben, hat das Tierdressur-Pärchen Mühe, den Status quo aufrecht- und seine Manegen-Stars zusammenzuhalten. Ein Porträt des bittersüßen Zirkuslebens, das seinen Charakteren erstaunlich nahekommt.
Marie Kloos

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Regie
Daria Slyusarenko
Buch
Daria Slyusarenko
Kamera
Daria Slyusarenko
Schnitt
Daria Slyusarenko
Produktion
Marina Razbezhkina, Daria Slyusarenko
Ton
Daria Slyusarenko
Internationaler Wettbewerb 2021
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KRAI Aleksey Lapin
In einem russischen Dorf soll ein Casting für einen historischen Film stattfinden. Dies ist Anlass für ein liebevolles, semifiktionales Ortsporträt mit Gespür für Wunderliches.
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KRAI

KRAI
Aleksey Lapin
Internationaler Wettbewerb 2021
Dokumentarfilm
Österreich
2021
123 Minuten
Englisch,
Deutsch,
Italienisch,
Russisch
Untertitel: 
Englisch

Der in Russland geborene Regisseur Aleksey Lapin begibt sich zurück in das nahe bei der ukrainischen Grenze liegende Heimatdorf seiner Verwandten, in dem er früher selbst jeden Sommer verbracht hat. Die Filmcrew stellt sich bei einer eigens organisierten öffentlichen Veranstaltung mit Musik vor: Der Grund ihrer Anwesenheit sei ein Casting für einen historischen Film, der hier spielen soll. Es entwickelt sich daraus eine charmante, semifiktionale Dokumentation von und mit der Dorfgemeinschaft.

Das geplante Filmprojekt ist nur ein Vorwand – das wird von Anfang an ersichtlich. Die Bewohnerinnen und Bewohner machen trotzdem gern mit. Lapin spielt originell und mit feiner Ironie mit den Grenzen zwischen Dokumentar- und Spielfilm. So gehen beobachtende Szenen unauffällig über in Inszenierungen. Wunderbar Absurdes hält er fest, etwa wenn ein Baum gefällt und für den „Filmdreh“ umständlich woanders aufgestellt wird, oder wenn liegen gebliebene Autos die Gerüchte über Elektromagnetismus in der Gegend befeuern. Hervorzuheben ist die Bildgestaltung in Schwarz-Weiß, voll von Referenzen an russische Filmklassiker, zeitlos und zeitnah zugleich. Lapins Langfilmdebüt ist nicht nur ein liebevolles Ortsporträt mit Gespür für Wunderliches, sondern auch ein Film über Film: In einem längeren Dialog am Fluss sprechen zwei Figuren über das Kino als Kunstform und wie es sich verändert.
Annina Wettstein

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Regie
Aleksey Lapin
Buch
Aleksey Lapin
Kamera
Adrian Campean
Schnitt
Sebastian Schreiner
Produktion
Florian Brüning, Thomas Herberth
Ton
Jaroslaw Redkin, Yuriy Todorov, Lenja Gathmann
Filmvertrieb
Gerald Weber
Internationaler Wettbewerb 2022
Filmstill Landscapes
Landscapes Hernán Fernández
Auf einem abgelegenen Hof in den Subtropen erinnern sich zwei Frauen an die ukrainische Heimat. Landschaften sind Thema: in der Dichtung der einen, in den Zeichnungen der anderen.
Filmstill Landscapes

Landscapes

Los paisajes
Hernán Fernández
Internationaler Wettbewerb 2022
Dokumentarfilm
Argentinien
2022
65 Minuten
Ukrainisch
Untertitel: 
Englisch

Umgeben vom Regenwald, in einer immergrünen, üppigen Flora, leben Valentyna und ihre bettlägerige Mutter Tamara auf einem kleinen Hof. Die Arbeiten und Gedanken der Dichterin und der Künstlerin jedoch sind erfüllt von den Landschaften der alten Heimat Ukraine. In Tamaras Gedichten und Valentynas Zeichnungen werden Erinnerungen an Schnee und Birken, an Disteln und Orchideen, an Gemüsegärten und deren tierische Bewohner wach.

In dem kleinen Haus im Nirgendwo fließt der Alltag vor sich hin. Valentyna kümmert sich um die wenigen Tiere, melkt die Kühe, stellt Käse her, pflegt ihre Mutter. Warum die beiden vor Langem die Ukraine verließen, lassen die Fotos auf der Kommode, die Anspielungen auf die Katastrophe von Tschernobyl nur erahnen. Aber das Zurückgelassene lebt im Exil weiter. Ob sie, die gefeierte Dichterin, sich noch an ihre Schriften erinnern kann? So sanft, wie Mutter und Tochter miteinander umgehen, schaut auch der Film auf die beiden Frauen, auf ihre Tiere und die Umgebung. Kameramann Mariano Maximovicz’ Bilder lassen uns dabei, ganz ohne Nostalgie, nicht nur die Schönheit der Landschaften, in denen wir leben, sehen, sondern auch derjenigen, die in unseren Köpfen weiterleben.
Marie Kloos

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Regie
Hernán Fernández
Buch
Constanza Sandoval, Hernán Fernández
Kamera
Mariano Maximovicz
Schnitt
José Goyeneche
Produktion
Maca Herrera Bravo
Ton
Julián Caparrós
Musik
Serguéi Rajmáninov
Nominiert für: FIPRESCI Preis, Preis der Interreligiösen Jury
Internationaler Wettbewerb 2022
Filmstill Matter Out of Place
Matter Out of Place Nikolaus Geyrhalter
Eine monumentale Studie zum Müll als Gestalter von Landschaftsräumen und den Menschen und Maschinen, die er beschäftigt hält: aus dem Getriebe eines selbsterhaltenden Systems.
Filmstill Matter Out of Place

Matter Out of Place

Matter Out of Place
Nikolaus Geyrhalter
Internationaler Wettbewerb 2022
Dokumentarfilm
Österreich
2022
105 Minuten
Albanisch,
Nepali,
Schweizerdeutsch,
Englisch
Untertitel: 
Englisch

Für seine monumentale Studie zur Deplatzierung unternahm Nikolaus Geyrhalter eine Interkontinentalreise. Unter Palmen, auf Bergen, an Flüssen, im Schnee kartografiert er eine Landschaft neuer Art, die sich von geografischen oder klimatischen Bedingungen gelöst zu haben scheint. Angeschwemmt, herbeigeweht, aufgehäuft, hängen oder liegen geblieben – wo einst Naturgewalten wirkten, übernimmt Müll die Gestaltungshoheit. Er bringt sogar einen neuen sozialen Typus hervor: den Umräumer.

Wie in all seinen Filmen führte Nikolaus Geyrhalter auch hier selbst die Kamera. Sie steht still, oft minutenlang, als könne sie nicht glauben, was sich ihr präsentiert: Plastikgespinste, wie verwachsen mit den dürren Ästen an Uferböschungen, verwesende Zeitungen und Kakaopulververpackungen im Bodenaushub auf einem Kartoffelacker in der Schweiz, Strände, die zum Wasser hin ein Teppich aus Styropor und Kunststoffbehältern säumt. In ebenso delikat komponierten Bildern widmet sich der Filmemacher den Maschinen und Menschen, die sich an diesen Mülllandschaften abarbeiten. Sie baggern und pressen, sammeln und sortieren, kehren und harken, schaffen mit Greifarmen oder Händen das eine nach hier und das andere nach dort. Wohlgeformt und unkommentiert stellt sich das Getriebe eines sich selbst erhaltenden Systems vor. Darin läuft ein Entfremdungsprozess ab, der Problem und Lösung auseinanderdriften lässt.
Sylvia Görke

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Regie
Nikolaus Geyrhalter
Kamera
Nikolaus Geyrhalter
Schnitt
Samira Ghahremani, Michael Palm
Produktion
Michael Kitzberger, Nikolaus Geyrhalter, Wolfgang Widerhofer, Markus Glaser
Ton
Sergey Martynyuk, Nora Czamler
Sound Design
Florian Kindlinger, Flora Rajakowitsch
Filmvertrieb
Salma Abdalla
Nominiert für: Preis der Interreligiösen Jury, FIPRESCI Preis, Gedanken-Aufschluss-Preis, Young Eyes Film Award
Internationaler Wettbewerb 2021
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May God Be with You Cléo Cohen
Die junge Französin Cléo Cohen in der Identitätskrise: Ist sie Jüdin? Araberin? Im Klaren scheinen sich selbst ihre Großeltern nicht. Cléo ringt um das Klare: intensiv, spielerisch.
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May God Be with You

Que Dieu te protège
Cléo Cohen
Internationaler Wettbewerb 2021
Dokumentarfilm
Frankreich
2021
77 Minuten
Französisch
Untertitel: 
Englisch, deutsche Untertitel für Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit

Die Regisseurin unternimmt den Versuch einer Selbstverortung. Denn in Cléo Cohen, einer jungen Französin, haben historische Erosionen in Gesellschaft und Politik zu einer Identitätskrise geführt. Ist sie Araberin? Jüdin? Mithilfe ihrer Großeltern, die allesamt als Juden aus dem Maghreb nach Frankreich emigrierten, ringt sie um Klärung. Die Befragungen sind spielerisch, aber bestimmt. Cléo weckt Erinnerungen, konfrontiert, sinniert in der Badewanne.

Ob sie „sedje“ sei, fähig zu heiraten, will sich Cléo bei ihrer Großmutter Flavie vergewissern. Diese reagiert ausweichend. Ihre Schwester wäre es in jedem Fall, findet Flavie. Und auch Cléo wisse ungefähr, wie man Dinge bewerkstelligt. Doch ganz überzeugt wirkt sie nicht. Cléo Cohen steckt mitten in einem Findungsprozess. Ihre Großeltern spielen eine Rolle dabei. Kamen die einen als algerische Juden nach Frankreich, übersiedelten die anderen aus dem Nachbarland Tunesien, ebenfalls als Juden. Cléo ist verwirrt. Die Muttersprache von Denise etwa ist Arabisch, sie beherrscht die arabische Küche, doch Araberin ist sie keine? Mit allen führt sie Gespräche, drängt sich forsch, aber herzlich in die Vergangenheit. Sie liest die Schriften von Albert Memmi, der als Sohn jüdischer Eltern unter der französischen Kolonialherrschaft in Tunis aufwuchs; sie hört den Song „Juifs arabes“ von Philippe Katerine. Sie reist nach Tunesien.
Carolin Weidner

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Regie
Cléo Cohen
Kamera
Cléo Cohen
Schnitt
Saskia Berthod
Produktion
Rebecca Houzel, Maria Knoch
Ton
Gilles Bénardeau
Musik
Patrick Bismuth
Filmvertrieb
Pascale Ramonda
Ausführende Produktion
Petit à Petit Production
Ausgezeichnet mit: Preis der Interreligiösen Jury
Internationaler Wettbewerb 2022
Filmstill One Mother
One Mother Mickaël Bandela
Eine autobiografische, visuell einfallsreiche Studie des (unprivilegierten) Erwachsenwerdens. Sie wirft Fragen nach (Un-)Austauschbarkeit auf: jedes Einzelnen, auch einer Mutter.
Filmstill One Mother

One Mother

Une mère
Mickaël Bandela
Internationaler Wettbewerb 2022
Dokumentarfilm
Frankreich
2022
86 Minuten
Französisch
Untertitel: 
Englisch

Als der Regisseur Mickaël Bandela sechs Monate alt war, übergab ihn seine in Frankreich lebende leibliche Mutter Gisèle in die Obhut der Pflegemutter Marie-Thérèse, die ihn fast zwanzig Jahre umsorgte. Der Kontakt zu Gisèle riss zwar nie ab, Besuche blieben aber unregelmäßig. Nun ist Mickaël 35 und gründet seine eigene Familie. Eigentlich ein perfekter Zeitpunkt, um auch Gisèle als Oma in sein Leben einzubinden. Doch sie entscheidet sich, in ihre alte kongolesische Heimat zurückzukehren.

Mickaël versucht zu verstehen – die Frau, die ihn auf die Welt brachte, die Frau, bei der er aufwuchs, und sich selbst. Sein autobiografischer Film wird zu einer fragmentierten Spurensuche nach Erinnerungen an das eigene Werden. Manche Sequenzen zeigen Momente äußerster Orientierungslosigkeit. Ein Verlust der Balance beim Sich-um-sich-selbst-Drehen, wie man meinen könnte? Nein, genau das unterläuft Mickaël Bandela nicht. Sein Werk, das dem Mangel an Archivmaterial mit visuellem Einfallsreichtum und einem eigensinnigen Rhythmus begegnet, ist voller Empathie. Es beleuchtet nicht nur das unprivilegierte Aufwachsen in der französischen Provinz, sondern ermöglicht auch Verständnis für das Handeln seiner beiden „Mamans“ und deckt Hintergründe auf. Darüber hinaus gelingt ihm eine elaborierte Analyse der (Un-)Austauschbarkeit: eines jeden Einzelnen, auch der oft als unantastbar geltenden Figur der Mutter.
Borjana Gaković

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Mickaël Bandela
Kamera
Mickaël Bandela
Schnitt
Mickaël Bandela
Produktion
Marina Perales Marhuenda, Xavier Rocher, Mickaël Bandela
Ton
Mickaël Bandela
Musik
Thomas Schwab
Ausgezeichnet mit: FIPRESCI Preis
Internationaler Wettbewerb 2022
Filmstill Perhaps What I Fear Does Not Exist
Perhaps What I Fear Does Not Exist Corine Shawi
Vier Jahre verbringt Corine Shawis Vater in Krankenhäusern – eine Zeit, in der der Ausnahmezustand zum Alltag wird. Eine Zustandsbeschreibung, die vom Abfinden und Neufinden zeugt.
Filmstill Perhaps What I Fear Does Not Exist

Perhaps What I Fear Does Not Exist

Perhaps What I Fear Does Not Exist
Corine Shawi
Internationaler Wettbewerb 2022
Dokumentarfilm
Libanon
2022
73 Minuten
Arabisch,
Französisch
Untertitel: 
Englisch

Vier Jahre verbringt Corine Shawis Vater infolge einer plötzlichen Lähmung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen in Beirut – eine Zeit, in der der Ausnahmezustand zum Alltag und das Filmen zur Strategie wird: auf der Suche nach der richtigen Balance von Nähe und Distanz, auf der Suche nach der eigenen Position im Gefüge. Shawi macht sich zur Aufgabe zu dokumentieren, sich selbst ins Bild zu rücken, die Familie zusammenzuhalten und gleichzeitig Bewegung und Veränderung festzuhalten.

Das Familienleben verlagert sich in die Krankenzimmer. Es läuft das Radio, die Mutter raucht auf dem Balkon unzählige Zigaretten, streift mit Blicken und Fingern über Heiligenbilder, besucht in den wechselnden Einrichtungen die heilige Messe und teilt mit ihrem Mann und ihrer Tochter die Sorge um einen erwachsenen Sohn. Es wird gestritten, gelacht und manchmal ums Krankenbett getanzt. Zwischen die Familienkapsel und das Driften durch die Stadt – Beirut, Nacht, Friedhöfe, Sinnlichkeiten – montiert die Filmemacherin auf der Rückbank im fahrenden Auto inszenierte Interviewsequenzen mit ihren Geschwistern. Bewältigungs- und Abgrenzungsversuche, Einsamkeit in Gemeinschaft. Kurzzeitig übersetzen sich Wünsche und Projektionen von Mobilität experimentell in den virtuellen Raum – ein Vermessen von Möglichkeiten. Eine berührende Zustandsbeschreibung, die vom Abfinden und Neufinden zeugt.
Djamila Grandits

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Corine Shawi
Kamera
Corine Shawi
Schnitt
Halim Sabbagh, Corine Shawi
Produktion
Myriam Sassine, Corine Shawi
Co-Produktion
Jana Wehbe
Ton
Lama Sawaya
Musik
Joh Dagher
Nominiert für: Preis der Interreligiösen Jury, FIPRESCI Preis
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Republic of Silence

Republic of Silence
Diana El Jeiroudi
Internationaler Wettbewerb 2021
Dokumentarfilm
Frankreich,
Deutschland,
Italien,
Katar,
Syrien
2021
183 Minuten
Arabisch,
Englisch,
Deutsch,
Kurdisch
Untertitel: 
Englisch

In der Berliner Wohnung herrscht Stille. Dass es im Kopf von Regisseurin Diana El Jeiroudi anders aussieht, daran lässt ihr Film, der mithilfe einer komplexen Montage den Zerfall Syriens sowie das Leben im Exil fasst, keine Zweifel. Zwischen Archivaufnahmen, losen Porträts von Vertrauten und einer intimen Perspektive, die sich mit der eigenen Position und Traumabewältigung auseinandersetzt, entsteht ein vielschichtiges Dokument.

„Das Böse hat einen sehr lauten und furchterregenden Klang“, stellt El Jeiroudi bereits als Kind fest. Das Aufwachsen in einem Land, geprägt von Überwachung und Militärparaden, hat Spuren hinterlassen. In „Republic of Silence“ versucht sie eine Art Aufarbeitung. Sie verdichtet altes Material, welches noch in Syrien entstand, mit einem schriftlichen Monolog sowie Geschichten von Personen, die im Zuge des Bürgerkriegs ebenfalls das Exil wählten. Das Ergebnis ist ein komplexer filmischer Raum, anhand dessen der politische wie gesellschaftliche Zerfall einer Nation sichtbar wird. Dabei konzentriert sich El Jeiroudi mehr und mehr auf das Zeigen einer Gegenwart außerhalb Syriens, das Leben in der Emigration. Über nächtliches Zähneknirschen ihres Ehemannes, Geburtstagsfeiern und Aufstörungen im internationalen Filmfestivalbetrieb erschließt sich ein Alltag zwischen Anspannung und Neuanfang.
Carolin Weidner

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Diana El Jeiroudi
Buch
Diana El Jeiroudi
Kamera
Sebastian Bäumler, Diana El Jeiroudi, Orwa Nyrabia, Guevara Namer
Schnitt
Katja Dringenberg, Diana El Jeiroudi
Produktion
Orwa Nyrabia, Diana El Jeiroudi
Co-Produktion
Camille Laemlé
Ton
Raphaël Girardot, Nathalie Vidal, Pascal Capitolin
Ausgezeichnet mit: Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts, Lobende Erwähnung (Internationaler Wettbewerb)
Internationaler Wettbewerb 2020
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Roman’s Childhood Linas Mikuta
Eine Momentaufnahme von Beziehungshaltigkeit und Resilienz an einem prekären Ort. In humorvollen Tableaus und lichtdurchfluteten Außenaufnahmen erzählt sich ein Kindersommer.
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Roman’s Childhood

Romano vaikystė
Linas Mikuta
Internationaler Wettbewerb 2020
Dokumentarfilm
Litauen
2020
50 Minuten
Litauisch,
Russisch
Untertitel: 
Englisch, deutsche Untertitel für Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit

Romanas, seine Eltern Aivaras und Diana sowie deren kleiner Hund leben auf beengtem Raum in der litauischen Hafenstadt Klaipėda. Unvoreingenommen blickt Linas Mikuta auf ein liebevolles Familiengefüge, in dem bei Zigaretten und Torte Träume gedeutet, Sorgen geteilt und Neuigkeiten verhandelt werden. Zeitgleich erzählt sich ein zeitloser Kindersommer voller Kopfstände am Straßenrand, Saltos am Strand und Nachmittage in Schachtelhäusern.

Mit seinen Freunden streift Romanas durch Ruinen, Stadtteile und die Küste entlang. Der Achtjährige erschließt sich eigene Welten, lebt seine eigene Zeit. Es entsteht ein ganz dem Moment ergebenes Porträt von Beziehungshaltigkeit und Resilienz an einem prekären Ort. In humorvollen, warmen Tableaus und lichtdurchfluteten Außenaufnahmen werden Alltagsrituale, Fürsorge und Gemeinschaft festgehalten. Dieser Film weiß um die große Liebe im Kleinen. Er weiß von Schlagern, die mitten ins Herz treffen, von Tränen, mit denen man nicht alleine bleibt, und dass zwischen grünem Meer und weißem Sand mit den Wellen zu spielen, ein Alles an Welt bedeutet.
Djamila Grandits

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Linas Mikuta
Buch
Linas Mikuta
Kamera
Kristina Sereikaitė
Schnitt
Linas Mikuta
Produktion
Linas Mikuta
Ton
Jonas Maksvytis
Musik
David Hilowitz
Internationaler Wettbewerb 2020
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The Annotated Field Guide of Ulysses S. Grant Jim Finn
Der Amerikanische Bürgerkrieg in seine Einzelteile zerlegt: Ein aparter 16mm-Film und animierte Kriegsbrettspiele machen eine gespaltene Nation voller Aufbegehrender sichtbar.
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The Annotated Field Guide of Ulysses S. Grant

The Annotated Field Guide of Ulysses S. Grant
Jim Finn
Internationaler Wettbewerb 2020
Dokumentarfilm
USA
2020
61 Minuten
Englisch
Untertitel: 
Keine

Zahlreiche Filme verarbeiten den Amerikanischen Bürgerkrieg, der von 1861 bis 1865 zwischen den nördlichen Vereinigten Staaten und den Konföderierten im Süden wütete. Ein General, der zur Kriegsikone und zum 18. Präsidenten der USA aufstieg, war Ulysses S. Grant. Regisseur Jim Finn rekonstruiert die Schlachten anhand von Brettspielen und dokumentiert eine gespaltene Nation voller aufbegehrender Parteien.

„Bloody Pond“, blutiger Teich, oder „The Flaming Forest“, der flammende Wald, nennt man Orte unterhalb der Mason-Dixon-Linie, in denen es binnen weniger Jahre zu grausamen und unübersichtlichen Zusammenstößen kam. Heute künden nur noch Friedhöfe, Gedenktafeln, Wachsmuseen und Obelisken von Episoden jenes Krieges, der für die heutige Gestalt der USA von entscheidender Bedeutung ist. Jim Finns 16mm-Aufnahmen sind eine kleinteilige Begehung verschiedener Stationen, die er mit makabren Anekdoten und pointierten Schilderungen unterlegt. Staatsmänner, Ideologen und Kriegsherren geistern hier in Wäldern, Ruinen und an Flussufern – wie die Lichteinfälle, die das Filmmaterial immer wieder aufleuchten lassen. Schönheit ist in diesen Bildern, auch in den rieselnden Synthiemelodien, auch in den Stop-Motion-Animationen komplizierter Brettspiele. Diese Schönheit hat wenig gemein mit dem düsteren Unterbau des Konflikts: tiefer Rassismus und unbeirrbarer Glaube an das Recht zur Sklavenhaltung.
Carolin Weidner

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Jim Finn
Buch
Jim Finn
Kamera
Jim Finn
Schnitt
Dean De Matteis, Jim Finn
Produktion
Cat Mazza
Ton
Alexander Panos, Jesse Stiles
Musik
Colleen Burke
Animation
Jim Finn
Nominiert für: Preis der Interreligiösen Jury, FIPRESCI Preis
Filmstill The Dependents

The Dependents

En la luna es el día
Sofía Brockenshire
Internationaler Wettbewerb 2022
Dokumentarfilm
Argentinien,
Kanada
2022
90 Minuten
Englisch,
Koreanisch,
Spanisch
Untertitel: 
Englisch

Dreißig Jahre lang bereiste Sofía Brockenshires Vater die Welt als Beamter der kanadischen Einwanderungsbehörde, die Familie stets an seiner Seite. Tagebücher und andere Zeitdokumente berichten von den zahlreichen Umzügen, von Destinationen in Südkorea, Indien, in den Ländern Süd- und Mittelamerikas. Entstanden ist ein kleinteiliges Mosaik aus Erinnerungen und audiovisuellen Schnipseln, das nicht nur die Perspektive des Staatsdieners einzunehmen sucht, sondern auch die seiner Frau und der Kinder.

Auf die Frage, woher sie denn eigentlich kämen, antworten die Brockenshire-Sprösslinge klug: aus den Koffern. Denn mit ihnen sind sie Jahr um Jahr unterwegs, ständig darauf gefasst, einen gerade erst bezogenen Wohnort wieder verlassen zu müssen. Das Leben der Familie wird von den kanadischen Behörden bestimmt, ein privates Mitspracherecht scheint es kaum zu geben. Neil Brockenshire selbst begegnet seiner beruflichen Laufbahn ambivalent: voll Dankbarkeit und mit der Gewissheit, Menschen geholfen zu haben, aber auch nachdenklich und zeitweise hadernd. Sofía Brockenshire fügt in ihrem Film zusammen, was binnen Dekaden über den gesamten Erdball verstreut wurde: Fotografien, Gedanken, Sehnsüchte. „The Dependents“ ist persönliches Porträt und gleichsam Reflexion – über ein Dasein als professioneller Expat in einer Welt, die für die einen keine Grenzen hat und für die anderen lauter Hürden.
Carolin Weidner

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Sofía Brockenshire
Kamera
Sofía Brockenshire
Schnitt
Sofía Brockenshire
Produktion
Sofía Brockenshire
Ton
Julian Flavin
Sound Design
Julian Flavin
Nominiert für: Filmpreis Leipziger Ring, Preis der Interreligiösen Jury, FIPRESCI Preis
Internationaler Wettbewerb 2021
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The Great Basin Chivas DeVinck
Kurioses und Erschütterndes aus der schwach besiedelten Wüste mit unterirdischen Wasserreserven in Nevada. Ein stimmungsvoller Film darüber, wie in den USA Freiheit definiert wird.
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The Great Basin

The Great Basin
Chivas DeVinck
Internationaler Wettbewerb 2021
Dokumentarfilm
USA
2021
92 Minuten
Englisch,
Spanisch
Untertitel: 
Französisch, Englisch

Chivas DeVinck arbeitet sich aus dem Erdreich bis zu den Sternen vor, um herauszufinden, was Nevada abseits von Las Vegas ausmacht. Milieus, Orte und Menschen werden zu einer Collage verknüpft. Der magnetische Kern des Ganzen ist das unterirdische Wasser, aus welchem alles zu erwachsen scheint und nach dem jeder strebt. Was von Weitem aussieht wie eine karge Wüstenlandschaft oder ein verschlafenes Nest, erweist sich bei näherer Betrachtung als stimmungsvolles Abbild der ländlichen USA.

Kurz bevor die Corona-Pandemie die ganze Welt lahmlegte, fing DeVinck Kurioses, Alltägliches und Erschütterndes im White Pine County im Osten von Nevada ein. Da gibt es schier endlose Gemeindesitzungen zu Fragen der Hundehaltung, Landwirte, die in verheerendem Spanglish mit ihren peruanischen Schafhirten sprechen, geleierte Radiosendungen, denen vielleicht eh keiner mehr zuhört, und Gottesdienste speziell für Sexarbeiterinnen. Aber auch brisante politische Themen beschäftigen die Menschen: die Verteilung der Wasservorräte in der trockenen Gegend, der seit über dreißig Jahren andauernde Streit um den Bau einer Wasserpipeline nach Las Vegas, die anhaltende Diskriminierung der Ureinwohner. Bei allem schwingt der Mythos des US-amerikanischen Freiheitsbegriffs mit, der sich in Form von Waffenbesitz, Einzelkämpfertum und ungebrochenem Glauben an die heilenden Kräfte des Kapitalismus manifestiert.
Kim Busch

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Chivas DeVinck
Kamera
Yoshio Kitagawa
Schnitt
Matthieu Laclau, Yann-Shan Tsai
Produktion
Chivas DeVinck
Ton
Danfeng Li
Musik
Felicia Atkinson
Nominiert für: Preis der Interreligiösen Jury, FIPRESCI Preis
Internationaler Wettbewerb 2022
Filmstill The Invisible Frontier
The Invisible Frontier Mariana Flores Villalba
Auf einer paradiesischen Pazifikinsel schieben mexikanische Armeeangehörige Dienst. Keine Vorkommnisse. Dennoch können sie die gewaltsame Realität ihres Landes nicht vergessen.
Filmstill The Invisible Frontier

The Invisible Frontier

La frontera invisible
Mariana Flores Villalba
Internationaler Wettbewerb 2022
Dokumentarfilm
Mexiko
2022
84 Minuten
Spanisch
Untertitel: 
Englisch

Auf einer unbewohnten Insel vor der mexikanischen Pazifikküste schieben Armeeangehörige ihren ereignislosen Dienst. Der Film beobachtet sie beim Training und bei alltäglichen Verrichtungen, vor allem aber in den Pausen, die sie mit Brettspielen unter schattigen Bäumen, in der Hängematte, beim Schwimmen, Drachensteigen oder mit Karaoke verbringen. Die friedvolle Umgebung täuscht jedoch nicht über die gewaltsame Realität ihres Landes hinweg, der sie sich auch hier draußen unentwegt stellen müssen.

In der paradiesisch erscheinenden Insellandschaft ist der von Bandenkämpfen geprägte Alltag, dem die jungen Männer und Frauen auf unbestimmte Zeit entrinnen, nur vermittels metaphorischer Bilder zu sehen – wenn etwa der stille Ozean sich stürmisch aufbäumt, oder wenn ein am Strand gefangener Oktopus mit bloßen Händen geschlachtet wird. In den Gesprächen, den Selbstzeugnissen der Militärs aber kreist alles um die Wirklichkeit, in der sie aufgewachsen sind: den kurzen Moment, in dem sich bestimmt, auf welcher Seite man steht, das ständige Versteckspiel, die Sippenhaft, die grausamen Konsequenzen falscher Entscheidungen. In ihrem von der Spannung zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren getragenen ersten langen Dokumentarfilm hat Mariana Flores Villalba klug entschieden, nicht das Ereignis zu zeigen, sondern seine Wirkung.
Christoph Terhechte

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Mariana Flores Villalba
Kamera
Claudia Becerril Bulos
Schnitt
Astrid Rondero, Mariana Flores Villalba
Produktion
Carlos Hernández, Gabriela Gavica Marrufo
Co-Produktion
Centro de Capacitación Cinematográfica, A.C., Imcine Foprocine
Ton
Eduardo Hernández, Israel Hernández, Adriá Campany, José Luis “Checho” Bravo
Musik
Federico Schmucler
Nominiert für: Preis der Interreligiösen Jury, FIPRESCI Preis
Internationaler Wettbewerb 2020
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The Poets Visit Juana Bignozzi Laura Citarella, Mercedes Halfon
Als die Dichterin Juana Bignozzi stirbt, vererbt sie das geistige Eigentum an ihrem Werk an die junge Autorin Mercedes – mit allen prosaischen, aber noch mehr poetischen Pflichten.
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The Poets Visit Juana Bignozzi

Las poetas visitan a Juana Bignozzi
Laura Citarella, Mercedes Halfon
Internationaler Wettbewerb 2020
Dokumentarfilm
Argentinien
2019
90 Minuten
Spanisch
Untertitel: 
Englisch, deutsche Untertitel für Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit

Das Leben einer Dichterin ist zu Ende, und ein Film beginnt, ihr Erbe weiterzutragen, zunächst prosaisch. Als Juana Bignozzi 2015 stirbt, geht das geistige Eigentum an ihrem Werk auf die junge Autorin Mercedes Halfon über – so hatte das die betagte Dame verfügt. Mercedes erbt aber auch einen Kühlschrank und viel Krempel, der aus der verwaisten Wohnung in Buenos Aires zu räumen ist. Gemeinsam mit jungen Filmemacherinnen funktioniert sie die Pflicht zum poetisch erfüllenden Projekt um.

Das Ergebnis ist nicht nur kein gewöhnliches, sondern überhaupt kein Dichterinnenporträt – und vielleicht noch nicht einmal ein Ergebnis. Vielmehr handelt es sich um eine beständig wachsende Gleichung von überblendeten Gesichtern, Texten und Bildern, die sich dagegen sträubt, einfach aufzugehen. Wie in Rückspiegeln betrachten sie sich: Juana Bignozzi, die aus ihren Schriften voller demütiger Verehrung zu den Jungen spricht, und ihre jungen Verehrerinnen, die beim Lesen, Filmen und Stöbern in Bignozzis Hinterlassenschaft ob dieser Liebeserklärungen fast in Verlegenheit geraten. So viel traute die Verstorbene ihnen zu! So riesig waren ihre Erwartungen an jene, denen sie Mutter oder Großmutter hätte sein können! Zu halbherzig erscheinen Mercedes und Laura die eigenen poetischen Taten, als dass sie solchen Vorschusslorbeeren je gerecht werden könnten. Doch während sie zweifeln, sind sie schon mitten dabei.
Sylvia Görke

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Laura Citarella, Mercedes Halfon
Kamera
Inés Duacastella, Agustín Mendilaharzu
Schnitt
Miguel de Zuviría, Alejo Moguillansky
Produktion
Ingrid Pokropek
Ton
Valeria Fernández, Marcos Canosa
Ausgezeichnet mit: Silberne Taube (Internationaler Wettbewerb)