Ein Film, zwei Frauen, drei Regeln: ein einjähriger Video-Briefwechsel, im Rhythmus von drei Wochen und nach dem Vorbild experimenteller Filmkünstlerinnen. In den Umbrüchen von 2020 – inmitten von Pandemie, Wahlkämpfen und antirassistischen Protesten – beginnen die Freundinnen Fernanda Pessoa und Chica Barbosa ihren Dialog zwischen São Paulo und Los Angeles. In nachdenklichen, teils verspielten Bildessays suchen sie auch nach feministischen kinematografischen Formen für den weiblichen Körper.
Marie Menken, Yvonne Rainer, Chick Strand, Cheryl Dunye und Ximena Cuevas sind nur einige der namhaften Experimentalfilm-Inspirationen für „Swing and Sway“. Schon im Vorspann werden die sechzehn Referenzen benannt, und entsprechend groß ist die stilistische Vielfalt: Schwarz-Weiß und Farbe, Analog- und Digitalbild, Textinserts und Voiceover, CGI und Stop-Motion, Überblendungen, Überbelichtungen, Farbeffekte. In diesem cinephilen Potpourri geben Clips der politischen Ereignisse Orientierung. „Ich habe ein Brasilien unter Bolsonaro für die Vereinigten Staaten von Trump verlassen“, reflektiert Barbosa ihren Status als Immigrantin, der ihr politische Teilhabe verwehrt. Derweil wird Pessoa im Rahmen der Kommunalwahlen von São Paulo zur Aktivistin und stellt sich eine Frage, mit der auch andere linke Bewegungen auf 2020 zurückblicken werden: „Wir haben nicht gewonnen – aber wir sind vorangekommen?“
Jan-Philipp Kohlmann