Nach zehn Jahren in Deutschland, wo er „die schöne Sprache des ehemaligen Erzfeindes“ erwarb, kehrt der Filmemacher zurück nach Haifa und lässt seine Zeit zwischen Rhein und Neiße Revue passieren, schaut aber auch mit verändertem Blick auf seine Heimat. Das Resultat ist eine komplexe Montage von Bildern dieser Jahre: Gespräche, Landschaften und Gegenstände, gesucht und gefunden in Deutschland, Polen und Israel.
„Der Rhein fließt ins Mittelmeer“ betreibt die Sisyphusarbeit einer Verortung zwischen Philo- und Antisemiten, Bemühten und Gleichgültigen, Erinnerern und Ausblendern. Kein Bild, kein Satz, der nicht mannigfaltige Assoziationen auslöste. Der Teufel steckt im Detail – dafür öffnet dieser Film die Augen. Durch welche Traumata lebt der Holocaust fort, den der Filmemacher, Sohn eines polnischen Überlebenden, in all den Jahren in Deutschland „nie, auch nicht für einen einzigen Tag“ vergessen konnte? Welche Mechanismen der Verdrängung wirken bei den Angehörigen der Täter, bei denen der Opfer? Wie ist die Wahrnehmung, das Bewusstsein, die Erinnerung des Einzelnen geprägt durch seine Zugehörigkeit zu einer Nation, einer Religion oder politischen Gruppierung? Offer Avnon gibt Antworten in fragmentarischer Form, und jede wirft weitere Fragen auf. Die Suche nach jenem „Unheimlichen“, auf die er sich mit seinem Film begeben hat, ist längst nicht abgeschlossen.
Christoph Terhechte