Filmarchiv

Filmstill Johnny & Me

Johnny & Me

Johnny & Me
Katrin Rothe
Internationaler Wettbewerb Animationsfilm 2023
Animationsfilm
Deutschland,
Schweiz,
Österreich
2023
100 Minuten
Deutsch
Untertitel: 
Englisch

Während eines Ausstellungsbesuchs ziehen die Fotocollagen des als „Monteurdada“ berühmt gewordenen Antifaschisten John Heartfield eine Grafikdesignerin in den Bann. Durch einen Strudel aus Papier- und Fotoschnipseln fällt Stefanie in ein altmodisch anmutendes Atelier. Eine Schere – ein analoges Arbeitsgerät, welches sie selbst kaum noch nutzt – erregt ihre Aufmerksamkeit. Sie beginnt, aus Karton eine Figur auszuschneiden, eine Miniaturversion des Künstlers, die alsbald zu ihr spricht und mit ihr gemeinsam sein Leben und Werk erkundet. Das Atelier entpuppt sich als lebendiges Archiv, das fortwährend Dokumente und Informationen zu und über Johnny hervorbringt. Stefanie, von ihrem Job gestresst und enttäuscht, findet durch die Recherche neue Motivation und den Mut, sich als Gestalterin anders auszurichten.

Beide Protagonist*innen üben den gleichen Beruf aus und sehen sich mit den gleichen Fragen nach Bedeutung und Anerkennung ihrer Arbeit konfrontiert. Beide kämpfen auf ihre Weise mit Frustrationen und Ängsten, ausgelöst durch die verschiedenen sozialen und politischen Gegebenheiten ihrer Generation. Die unterschiedlichen Elemente dieses animierten Dokumentarfilms fügen sich zu einer dialogischen Collage, die die Aufgabe der Kunst, ihre aufklärerische und kritische Kraft sowie ihr Potenzial zum Anstoß von Veränderung in unserer Gesellschaft durchdenken.

Franka Sachse

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Katrin Rothe
Buch
Katrin Rothe
Kamera
Thomas Eirich-Schneider, Richard Marx, Manon Pichón
Schnitt
Hannes Starz
Produktion
Gunter Hanfgarn, Andrea Ufer, Ralph Wieser, Sereina Gabathuler, Werner Schweizer
Co-Produktion
Rolf Bergmann, Carolin Mayer, Gabriela Bloch Steinmann
Ton
Stephanie Stremler, Manuel Harder, Michael Hatzius, Dorothee Carls
Sound Design
Lukas Brandes
Musik
Micha Kaplan, Thomas Mävers
Animation
Lydia Günther, Caroline Hamann, Tonina Matamalas, Anne-Sophie Raemy, Benjamin Swiczinsky
Filmvertrieb
Elina Kewitz
Deutscher Filmverleih
Joachim Kühn
Künstlerisches Design
Amelie Couchet, Malte Stein, Lisa Neubauer, Wolf Matzl, Birgit Scholin, Rosanne Janssens, Jonatan Schwenk, Kerstin Zemp, Werner Kernebeck, Gyula Szabó, Cornelia Freche, Lisa Sinram, Theresa Grysczok, Mandy Müller, Melanie Hauff, Edoardo Pasquini, Cornelia Diomis
Filmstill Loving in Between

Loving in Between

Loving in Between
Jyoti Mistry
Internationaler Wettbewerb Dokumentarfilm 2023
Dokumentarfilm
Österreich,
Südafrika
2023
18 Minuten
Englisch
Untertitel: 
Keine

„Folks, I’m telling you, birthing is hard and dying is mean – so get yourself a little loving in between.“ Der Ratschlag des afroamerikanischen Bürgerrechtlers und Jazzpoeten Langston Hughes ist Jyoti Mistrys Found-Footage-Bildersturm vorangestellt und durchzieht wie ein Leitfaden das Archivmaterial, ein Panoptikum der Lustbarkeiten: Partys, Boxkämpfe, Strandbesuche und vor allen Dingen immer wieder Zeugnisse gelebter queerer Sexualität. Mal klandestin, mal ganz öffentlich.

Die Enthemmtheit ihrer Quellen spiegelt Mistry darin, wie sie sie arrangiert – nicht brav gestaffelt, sondern kühn durchmischt. Der assoziative Schnitt springt oft geradezu in die Bilder hinein, verknüpft sie mit violetten Farbexplosionen und dreidimensional animierten Fischschwärmen. Auf der Tonspur gesellt sich eine Spoken-Word-Performance zu mehrkanalig nachvertonten Geräuschen und zahlreichen Variationen des Jazzstandards „Diga Diga Doo“. So entreißt der Film seine Zeugnisse der Vergangenheit und gibt ihnen die Lebendigkeit und die transgressive Sprengkraft zurück, die sie in sich tragen.

Felix Mende

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Jyoti Mistry
Buch
Jyoti Mistry, Napo Masheane, Kgafela oa Magogodi
Schnitt
Nikki Comninos
Produktion
Florian Schattauer
Sound Design
Peter Cornell
Musik
Nishlyn Ramanna
Animation
The Kinetic
Filmvertrieb
Gerald Weber
Filmstill The Standstill

Stillstand

Stillstand
Nikolaus Geyrhalter
Internationaler Wettbewerb Dokumentarfilm 2023
Dokumentarfilm
Österreich
2023
137 Minuten
Deutsch
Untertitel: 
Englisch

Am Anfang steht das Bild eines älteren Menschen in einer Klinik, angeschlossen an ein Gerät: Assistenz ist nötig beim langsamen Ein- und Ausatmen. Auf diesen existenziellen Moment körperlicher Gefährdung folgen die für Nikolaus Geyrhalter typischen Totalen, die hier allerdings keine Arbeitsprozesse dokumentieren, sondern wie ein Prequel zu seinem fantastischen Science-Fiction-Dokumentarfilm „Homo Sapiens“ (2016) wirken: menschenleere Flughäfen, Schwimmhallen, Spielplätze.

Der Filmemacher macht sich mit seinem identifizierbaren ästhetischen Instrumentarium an die Dokumentation der ersten drei Covid-19-Pandemie-Wellen, vom März 2020 bis zum Dezember 2021. In Wien, einer Großstadt mit verhältnismäßig gut funktionierendem Gesundheitssystem, blickt er in Institutionen, die sich in einem „flexiblen Lernmodus“ befinden: Intensivstationen, Notquartiere, Schulen, Kinos. Immer wieder besucht er einen Blumenladen, der nicht systemrelevant ist, aber nach eigener Definition Lebensmittel verkauft. Auf Lockdown folgen Lockerungen und wieder Lockdown. Die Kamera registriert, wie die Lähmung im Angesicht einer Naturkatastrophe bei einigen von einer Wut über die Beschränkungen abgelöst wird. Währenddessen werden in den Krankenhäusern Fälle von Long Covid behandelt. Aktuell, nur wenig später, stellen sich diese Bilder quer zur Verdrängung des Erlebten.

Jan Künemund

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Nikolaus Geyrhalter
Kamera
Nikolaus Geyrhalter
Schnitt
Gernot Grassl
Produktion
Nikolaus Geyrhalter, Michael Kitzberger, Wolfgang Widerhofer, Markus Glaser
Ton
Sergey Martynyuk, Lenka Mikulova
Sound Design
Nora Czamler, Manuel Meichsner
Filmvertrieb
Andrea Hock
Nominiert für: FIPRESCI Preis, Preis der Interreligiösen Jury
Publikumswettbewerb 2023
Filmstill Vista Mare
Vista Mare Florian Kofler, Julia Gutweniger
Surrealistische Beobachtungen an der italienischen Adria, wo Saisonkräfte für die Urlauber*innen schuften. Ein ungeschminkter Blick hinter die Fassade des „unbeschwerten“ Strandurlaubs.
Filmstill Vista Mare

Vista Mare

Vista Mare
Florian Kofler, Julia Gutweniger
Publikumswettbewerb 2023
Dokumentarfilm
Österreich,
Italien
2023
80 Minuten
Italienisch
Untertitel: 
deutsche Untertitel für Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit, Englisch

Über eine Saison hinweg begleitet der Film die vielen Handgriffe hinter der Fassade des „unbeschwerten“ Strandurlaubs. Ein Ferienort, künstlich angelegt an der Adriaküste Italiens, ist Schauplatz dieser stoisch-surrealistischen Beobachtung. In den Großküchen der Hotels werden im Akkord Mahlzeiten zubereitet, werden Liegen und Schirme in endlosen Reihen am Strand aufgestellt, werden Leuchtbuchstaben auf Hochglanz poliert. Rund um die Uhr sind die Beschäftigten in der Urlaubsproduktion im Einsatz, unermüdlich im Auftrag der ultimativen Zerstreuung. Das Ziel: Die Gäste sollen sich bestmöglich regenerieren und dabei keinen Gedanken an die Zustände hinter den Kulissen verschwenden.

Auch wenn sich hier alles um die schönste Zeit des Jahres zu drehen scheint, steht ein offensichtlicher Widerspruch im Zentrum des Films. Wir sehen Menschen, deren Arbeit es ist, jene zu bespaßen, die sich wiederum von ihrer Arbeit zu erholen versuchen. Ein absurdes Unterfangen, ganz klar. Die Bilder von einer Demonstration für bessere Arbeitsbedingungen stören das perfekte Räderwerk nur kurz. Vielmehr wirkt der Aufmarsch dieser namenlosen Armee von Angestellten wie ein inszenierter und gut kontrollierter Ausbruch aus dem nie enden wollenden Kreislauf. Denn wenn sie es nicht machen, stehen schon Dutzende anderer bereit, um sich im Riesengeschäft Tourismus ein schmales Einkommen zu sichern.

Lina Dinkla

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Florian Kofler, Julia Gutweniger
Buch
Julia Gutweniger, Florian Kofler
Kamera
Julia Gutweniger
Schnitt
Florian Kofler, Julia Gutweniger
Produktion
Bernhard Holzhammer, Victor Kössl
Co-Produktion
Debora Nischler, Wilfried Gufler
Ton
Florian Kofler
Sound Design
Florian Kofler
Musik
Gabriela Gordillo
Filmvertrieb
Michaela Čajková
Filmstill Where I Live
Filmstill Where I Live
Filmstill Where I Live

Wo ich wohne

Wo ich wohne
Susi Jirkuff
Internationaler Wettbewerb Animationsfilm 2023
Animationsfilm
Österreich
2022
11 Minuten
Deutsch
Untertitel: 
Englisch

„Ich will es nicht laut sagen, aber ich wohne tiefer“, bemerkt die Erzählerin. Die Kamera folgt zunächst ihren treppensteigenden Beinen durch den Hausflur. Mehr sehen wir von ihr nicht. Sehr bald bestimmt ihr Blick unsere Perspektive in einer beunruhigenden Geschichte. Zu Beginn klingt alles nach Irrtum, aber irgendwann richtet sich die Mieterin darauf ein, dass sie auf unerklärliche Weise und völlig ohne Aufhebens vom vierten Stock etagenweise in den Kohlenkeller gezogen wird. Ein Abstieg, den die Nachbarschaft mit unüberhörbarem Schweigen geschehen lässt.

Das irritierte, mal resignierte, oftmals zweckoptimistische Selbstgespräch der „fallenden“ Protagonistin begleiten Kohlezeichnungen. Die Klarheit und die architektonischen Details – bis hin zu verschnörkelten Dekorationen des großbürgerlichen Hauses – verlieren sich im Fortgang der Ereignisse. Die räumliche Darstellung wird zunehmend vage und reduziert sich auf wenige Striche, um schließlich in weichen Kohlestaubflächen aufzugehen. Es gibt in der albtraumhaften Geschichte keinen Halt in der Wirklichkeit mehr, sondern nur noch im eigenen Ich. Susi Jirkuff adaptiert Ilse Aichingers gleichnamige vielschichtige Erzählung, die erstmals Mitte der 1950er Jahre erschien, mit einer bemerkenswerten Eindringlichkeit, die die Aktualität von Aichingers Text und ihres Schreibens vor Augen führt.

André Eckardt

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Susi Jirkuff
Buch
Susi Jirkuff
Kamera
Diego Mosca
Produktion
Susi Jirkuff
Sound Design
Michael Schreiber
Animation
Susi Jirkuff
Filmvertrieb
Gerald Weber
Nominiert für: mephisto 97.6-Publikumspreis