Alltagsbeobachtungen aus Buenos Aires, gedreht auf schwarz-weißem 16mm-Filmmaterial wechseln sich ab mit zwanzig Jahre alten farbigen Hi8-Aufnahmen aus New York. Die Perspektive eines Vaters, der für seine Töchter Erinnerungen zusammenträgt. Die Perspektive eines Sohnes, der die Reminiszenzen seines Vaters festhält. Richard Shpuntoffs vielschichtiger Montage-Film ist ein kluger Essay über kulturelle Identitäten, über Städte und Sprachen.
Wenn wir einen untertitelten Film ansehen, dann schauen, hören und lesen wir zugleich. Wir nehmen an, dass diese drei Ebenen deckungsgleich sind, sich mindestens aber zu einem Ganzen fügen. „Auch die besten Untertitel sind Mist“, verkünden die Untertitel dieses Films hingegen, denn statt Bilder anzuschauen, müsse man lesen. Übersetzen bedeutet umschreiben. „Everything That Is Forgotten in an Instant“ erzählt daher in Bild, Wort und Schrift parallele Geschichten: von Stadtentwicklung und Machtstrukturen in zwei fernen Metropolen, von Identität und ihrer transgenerationalen Weitergabe, von drei Kontinenten und drei Sprachen, die gleichermaßen trennende wie verbindende Linien durch eine Familie ziehen. Aus der Verunsicherung, die die Diskrepanz zwischen den filmischen Elementen verursacht, wird eine Schule selektiver Wahrnehmung. Bilder, Sprache und Texte sind schließlich kein Diktat: Sie lassen uns die Wahl.
Christoph Terhechte