Filmarchiv

Jahr

Internationaler Wettbewerb 2022
Filmstill A Night Song
A Night Song Félix Lamarche
Sterben kann manchmal ganz unaufgeregt sein, wie dieser überraschende, beobachtende Dokumentarfilm über medizinisch assistierte Sterbehilfe, ganz unaufgeregt, zeigt.
Filmstill A Night Song

A Night Song

Le chant de la nuit
Félix Lamarche
Internationaler Wettbewerb 2022
Dokumentarfilm
Kanada
2022
45 Minuten
Französisch
Untertitel: 
Englisch

Eine geduldige Kamera richtet sich auf die Alltagsgegenstände: Stillleben an der Wand, Blumen in der Vase, eine schwankende Hängelampe. Die Sonne dringt ein in das traute Heim. Noëlla sitzt rauchend vor ihrem Laptop, sie spielt Solitaire. Die Lage ist aussichtslos. Einmal mehr wird sie gegen den Computer verlieren. Ihr Schwiegersohn Pierre organisiert währenddessen pragmatisch und freundlich alles, was sie braucht: das Frühstück, den (letzten) Arztbesuch – und den anschließenden Abtransport.

Noëlla gedenkt nämlich zu sterben und sie ist fest entschlossen. Pierre kümmert sich gewissenhaft um den Papierkram und lädt die Liebsten zu einem Abschied ein. Sie bringen Fotos mit und plaudern mit der aus dem Leben scheidenden Protagonistin. Die winkt noch einmal, bevor der Doktor ihr die tödliche Dosis verabreicht. Tschüss, das war’s. Sterben kann so unaufgeregt sein. Ganz langsam kommt dieser entschleunigten, minutiösen Zeitstudie eine völlig andere Bedeutung zu, als zunächst zu vermuten war. Wie gern würde man die langen Einstellungen vom Anfang noch einmal sehen. So avanciert diese unprätentiöse Beobachtung von Félix Lamarche zu einer Metapher des Lebens. Der eindringliche frontale Blick von Noëlla, direkt von der Leinwand in die Augen der Zuschauenden, bleibt unvergesslich.
Borjana Gaković

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Félix Lamarche
Kamera
Félix Lamarche
Schnitt
René Roberge
Produktion
Félix Lamarche
Ton
Samuel Gagnon-Thibodeau
Filmvertrieb
Robin Miranda das Neves
Nominiert für: FIPRESCI Preis, Preis der Interreligiösen Jury
Filmstill The Dependents

The Dependents

En la luna es el día
Sofía Brockenshire
Internationaler Wettbewerb 2022
Dokumentarfilm
Argentinien,
Kanada
2022
90 Minuten
Englisch,
Koreanisch,
Spanisch
Untertitel: 
Englisch

Dreißig Jahre lang bereiste Sofía Brockenshires Vater die Welt als Beamter der kanadischen Einwanderungsbehörde, die Familie stets an seiner Seite. Tagebücher und andere Zeitdokumente berichten von den zahlreichen Umzügen, von Destinationen in Südkorea, Indien, in den Ländern Süd- und Mittelamerikas. Entstanden ist ein kleinteiliges Mosaik aus Erinnerungen und audiovisuellen Schnipseln, das nicht nur die Perspektive des Staatsdieners einzunehmen sucht, sondern auch die seiner Frau und der Kinder.

Auf die Frage, woher sie denn eigentlich kämen, antworten die Brockenshire-Sprösslinge klug: aus den Koffern. Denn mit ihnen sind sie Jahr um Jahr unterwegs, ständig darauf gefasst, einen gerade erst bezogenen Wohnort wieder verlassen zu müssen. Das Leben der Familie wird von den kanadischen Behörden bestimmt, ein privates Mitspracherecht scheint es kaum zu geben. Neil Brockenshire selbst begegnet seiner beruflichen Laufbahn ambivalent: voll Dankbarkeit und mit der Gewissheit, Menschen geholfen zu haben, aber auch nachdenklich und zeitweise hadernd. Sofía Brockenshire fügt in ihrem Film zusammen, was binnen Dekaden über den gesamten Erdball verstreut wurde: Fotografien, Gedanken, Sehnsüchte. „The Dependents“ ist persönliches Porträt und gleichsam Reflexion – über ein Dasein als professioneller Expat in einer Welt, die für die einen keine Grenzen hat und für die anderen lauter Hürden.
Carolin Weidner

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Sofía Brockenshire
Kamera
Sofía Brockenshire
Schnitt
Sofía Brockenshire
Produktion
Sofía Brockenshire
Ton
Julian Flavin
Sound Design
Julian Flavin
Nominiert für: Filmpreis Leipziger Ring, Preis der Interreligiösen Jury, FIPRESCI Preis