El Shatt – A Blueprint for Utopia
El Shatt in Ägypten, mitten in der Wüste, war Zufluchtsort und Projektion zugleich. Hier entstand 1944 aufgrund eines Deals der von Tito angeführten jugoslawischen Partisanen mit britischen Alliierten nicht nur ein Geflüchtetenlager für die Angehörigen der antifaschistischen Kämpfer*innen aus der Region Dalmatien. Hier entstand gleichzeitig auch ein Modell: für die spätere Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien – einen Staat, der sein Gründungsnarrativ auf den Volksbefreiungskampf gegen den Faschismus bauen und die in Kollektiven organisierte Selbstverwaltung zum gesellschaftlichen Ideal erklären würde.
Regisseur Ivan Ramljak gewährt uns einen vielschichtigen Einblick in diese längst vergessene, in der Realität durchbuchstabierte kommunistische Ur-Geschichte. Nach akribischer Recherche kombiniert er Hunderte historischer Fotografien und einige (wenige) Filmaufnahmen mit Zeitzeug*innen-Interviews. Die lebhaften Stimmen derer, die in jenen Tagen Kinder waren und heute oft über 80 sind, erzählen aus dem Off: von Überlebenskampf, Solidarität und gelebter Ideologie, von einem Alltag also, zu dem selbstorganisierte Schulen, Werkstätten, Großküchen, sogar eine Zeitung gehörten. Augenzwinkernd nimmt Ramljak den Geschichtsfaden auf und stellt seinem gekonnt geordneten Archivmaterial inszenierte Szenen mit Ensemblemitgliedern eines Theaters zur Seite, das damals in El Shatt gegründet wurde.