Filmarchiv

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Land (Film Archive)

Camera Lucida 2022
Filmstill Danube
Danube Agustina Pérez Rial
Die gelungene Montage historischer Aufnahmen und persönlicher Annahmen verdichtet sich zu einer möglichen Ereignisgeschichte des 9. Internationalen Filmfestivals Mar del Plata 1968.
Filmstill Danube

Danube

Danubio
Agustina Pérez Rial
Camera Lucida 2022
Dokumentarfilm
Argentinien
2021
62 Minuten
Spanisch,
Englisch,
Russisch
Untertitel: 
Englisch

Das Langfilmdebüt der argentinischen Regisseurin Agustina Pérez Rial über die neunte Ausgabe des Internationalen Filmfestivals in ihrer Heimatstadt Mar del Plata aus dem Jahr 1968 scheint auf eine selten ausgewogene Art das Urdilemma des dokumentarischen Erzählens zu lösen. In einer beeindruckend gelungenen Montage des Archivmaterials wird eine Geschichte konstruiert, die – so die Regisseurin selbst – zwar nicht unbedingt wahr, aber realistisch sei.

Historische Schwarz-Weiß-Fotografien von bestechender Schönheit, Filmaufnahmen aus unterschiedlichsten Quellen und Dokumente aus inzwischen geöffneten Archiven der damaligen Überwachungsbehörden werden durch einen vermeintlichen Zeuginnenbericht – de facto eine weibliche Stimme aus dem Off – konterkariert. Subtil und klug beherrscht Pérez Rial die filmischen Mittel und zieht dabei alle Register: Dokumentarisches und Fiktion, Historie und Gegenwart, Ästhetisches, Wissenswertes und Anekdotisches. Die genau recherchierten Fakten fördern einerseits eine in Vergessenheit geratene Mikrofacette des Kalten Krieges samt Militarisierung, Verfolgung und Paranoia zutage. Andererseits zeigen sie ein Filmfestival als Umschlagplatz von Ideologien und beschreiben es als einen hochpolitisierten Ort. Dadurch eröffnen sich unerwartete Reflexionsräume für die Rolle, die einer solchen Kulturveranstaltung zufällt – historisch wie aktuell.
Borjana Gaković

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Regie
Agustina Pérez Rial
Buch
Paulina Bettendorff
Kamera
Pupeto Mastropasqua
Schnitt
Natalia Labaké
Produktion
Agustina Pérez Rial
Co-Produktion
Fiørd estudio, En otro orden de cosas
Ton
Manuel Embalse
Camera Lucida 2022
Filmstill Foragers
Foragers Jumana Manna
Kampf ums Kraut: Das Sammeln essbarer Pflanzen ist im israelisch-palästinensischen Konflikt ein Politikum mit wirtschaftlichen, ökologischen und kulturellen Implikationen.
2022
Filmstill Foragers

Foragers

Al-yad al-khadra
Jumana Manna
Camera Lucida 2022
Dokumentarfilm
2022
63 Minuten
Arabisch,
Hebräisch
Untertitel: 
Englisch

Der Streit ums Kraut, in diesem Fall um ’Akkoub (Gundelia) und Za’atar (wilder Thymian), gehört zu den skurrilen Aspekten des Nahostkonflikts. Als begehrte Zutaten der palästinensischen Küche werden die Pflanzen seit Generationen gesammelt, doch aus Naturschutzgründen ist dies in der Westbank verboten. So liefern sich israelische Parkranger mit den Sammelnden Verfolgungsjagden um eine Handvoll Grünzeug. In humoristischer Form inszeniert Jumana Manna die Wildbeuterei als zivilen Ungehorsam.

Die palästinensische, in Berlin lebende Künstlerin kombiniert Dokumentarisches, Geskriptetes und Pop-Referenzen. Einmal, wenn Archivmaterial den Hype um das illegale Kraut illustriert, laufen Jefferson Airplanes „White Rabbit“ und Morricones Maultrommel-Melodie aus „Für ein paar Dollar mehr“. Weil israelische Firmen Za’atar als Gewürzmischung verkaufen, hat das Verbot auch eine ökonomische Seite. Drohnenaufnahmen und Panoramen suggerieren die absurde Fahndung nach älteren Menschen beim Ernten für den Eigenbedarf. Einer sagt: „Die werden mich auch 2050 noch mit meinen Kindern und Enkelkindern erwischen.“ Die Anhörungen vor Gericht schrieb Manna auf der Basis realer Fälle mit dem Juristen Rabea Eghbarieh. Im Film unerwähnt bleibt der politische Erfolg, den der Anwalt der NGO Adalah 2019 mitbewirkte: Nach der neuen Richtlinie des Umweltministeriums dürfen fünf Kilogramm Pflanzen gepflückt werden.
Jan-Philipp Kohlmann

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Regie
Jumana Manna
Buch
Jumana Manna, Rabea Eghbarieh
Kamera
Marte Vold, Ashraf Dowani, Yaniv Linton
Schnitt
Katrin Ebersohn, Jumana Manna
Produktion
Jumana Manna
Co-Produktion
Eyal Vexler
Ton
Montaser Abu 'Alul
Musik
Rashad Becker
Nominiert für: Filmpreis Leipziger Ring
Camera Lucida 2022
Filmstill Mamani in El Alto
Mamani in El Alto Heinz Emigholz
Die durch indigene Kultur geprägte, neoandine Architektur von Freddy Mamani Silvestre schmückt das bolivianische El Alto. Eine psychoaktiv wirksame Begehung in 4.000 Metern Höhe.
Filmstill Mamani in El Alto

Mamani in El Alto

Mamani in El Alto
Heinz Emigholz
Camera Lucida 2022
Dokumentarfilm
Deutschland
2022
95 Minuten
ohne Dialog
Untertitel: 
Keine

Als Pionier der neoandinen Architektur sorgt Freddy Mamani Silvestre nicht nur in Bolivien für Aufsehen. Seine nonkonformen Entwürfe sind von der Kultur der Aymara, der größten Bevölkerungsgruppe des Landes geprägt, greifen ihre Mythen und Muster auf. Zwischen 2008 und 2021 errichtete Gebäude werden von Heinz Emigholz umkreist, inspiziert und in Teil 35 der fortlaufenden Serie „Photographie und jenseits“ festgehalten.

Wie riesige Juwelen ragen die Cholets in den Himmel über dem bolivianischen El Alto, in 4.000 Metern Höhe. Cholets, eine Wortschöpfung aus Chalet und Cholo, dem lokal gebräuchlichen Begriff für Indigene, sind Kreationen des Architekten Freddy Mamani Silvestre, Jahrgang 1971. Mehrere Dutzend Bauten nach seinen Plänen schmücken die sonst wenig glamouröse Stadt, deren Straßenbild vornehmlich unverputzte rote Ziegelsteine bestimmen. Mamanis gebaute Fantasien aber sind auffällig, anmaßend und kühn. Außen scheinen sich Schlangen an ihnen emporzuwinden, an den Verglasungen haften vereinzelt Diamanten, und obenauf thront gelegentlich ein eigenständiges Wohnhaus. Vor allem aber werden die Cholets für Festivitäten genutzt, denn sie beherbergen die sogenannten „salones de eventos“. Emigholz erschließt psychoaktiv wirksame Orte, die an das Innenleben eines Flippers erinnern und in ihrer selbstbewussten Pracht über die reichere Nachbarstadt La Paz triumphieren.
Carolin Weidner

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Regie
Heinz Emigholz
Buch
Heinz Emigholz
Kamera
Heinz Emigholz, Till Beckmann
Schnitt
Till Beckmann, Heinz Emigholz
Produktion
Frieder Schlaich, Irene von Alberti
Ton
Ueli Etter, Christian Obermaier, Jochen Jezussek
Musik
Andreas Reihse
Filmvertrieb
Frieder Schlaich
Camera Lucida 2022
Filmstill Salamone, Pampa
Salamone, Pampa Heinz Emigholz
Betongewordene Hybris ragt in der argentinischen Pampa rund um Buenos Aires gen Himmel. Die Bauten des Francisco Salamone (1897–1959) künden von einer unbarmherzigen Moderne.
Filmstill Salamone, Pampa

Salamone, Pampa

Salamone, Pampa
Heinz Emigholz
Camera Lucida 2022
Dokumentarfilm
Deutschland
2022
62 Minuten
ohne Dialog
Untertitel: 
Keine

Schlachthäuser mit aufgesetzten Betonklingen, monumentale Friedhofsportale auf flachem Land: Architekt Francisco Salamone (1897–1959) prägte das Bild der argentinischen Pampa rund um Buenos Aires. In Teil 34 seiner Filmreihe „Photographie und jenseits“ tastet Heinz Emigholz einmal mehr Baukunst auf biografische Spuren ab. Salamone, als Kind aus Sizilien eingewandert, verwirklichte seine Ideen zwischen 1936 und 1940 – als Mussolinis Italien die Architektur als ideologisches Gewerk neuentdeckte.

Beim Rathaus von Coronel Pringles scheinen Äxte in die Fassaden zu schlagen. Anderswo wachsen steinerne Baumpilze. Und vorm Friedhof von Saldungaray formiert sich, von der Rückseite aus betrachtet, ein gigantischer Pfannkuchen oder eine Satellitenschüssel, während vorn ein leidender Jesuskopf aus dem Beton hängt. Monumentale Entwürfe, hier und da mit Elementen des Art déco oder des italienischen Futurismus versehen, die hoch in den Himmel ragen und Bedeutung markieren. Francisco Salamone wirkte in den Jahren der „Década infame“, jenes berüchtigte Jahrzehnt, auf das wenig später die Präsidentschaft Juan Peróns folgte. Ungastlich und voller Hybris muten die Gebäude an. Von Moderne und Fortschritt sollten sie künden und erhoben sich doch schreckensgleich über die Bauernschaft des Landes. Heinz Emigholz dokumentiert die einschüchternden Bauwerke aus allen erdenklichen Winkeln.
Carolin Weidner

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Heinz Emigholz
Buch
Heinz Emigholz
Kamera
Heinz Emigholz, Till Beckmann
Schnitt
Till Beckmann, Heinz Emigholz
Produktion
Irene von Alberti, Frieder Schlaich
Ton
Esteban Bellotto, Christian Obermaier, Jochen Jezussek
Filmvertrieb
Frieder Schlaich
Camera Lucida 2022
Filmstill Swing and Sway
Swing and Sway Chica Barbosa, Fernanda Pessoa
Im Umbruchsjahr 2020 – inmitten von Pandemie, Wahlkämpfen und antirassistischen Protesten – beginnen zwei Freundinnen einen filmischen Dialog zwischen São Paulo und Los Angeles.
Filmstill Swing and Sway

Swing and Sway

Vai e vem
Chica Barbosa, Fernanda Pessoa
Camera Lucida 2022
Dokumentarfilm
Brasilien
2022
82 Minuten
Portugiesisch (Brasilien),
Englisch,
Spanisch
Untertitel: 
Englisch

Ein Film, zwei Frauen, drei Regeln: ein einjähriger Video-Briefwechsel, im Rhythmus von drei Wochen und nach dem Vorbild experimenteller Filmkünstlerinnen. In den Umbrüchen von 2020 – inmitten von Pandemie, Wahlkämpfen und antirassistischen Protesten – beginnen die Freundinnen Fernanda Pessoa und Chica Barbosa ihren Dialog zwischen São Paulo und Los Angeles. In nachdenklichen, teils verspielten Bildessays suchen sie auch nach feministischen kinematografischen Formen für den weiblichen Körper.

Marie Menken, Yvonne Rainer, Chick Strand, Cheryl Dunye und Ximena Cuevas sind nur einige der namhaften Experimentalfilm-Inspirationen für „Swing and Sway“. Schon im Vorspann werden die sechzehn Referenzen benannt, und entsprechend groß ist die stilistische Vielfalt: Schwarz-Weiß und Farbe, Analog- und Digitalbild, Textinserts und Voiceover, CGI und Stop-Motion, Überblendungen, Überbelichtungen, Farbeffekte. In diesem cinephilen Potpourri geben Clips der politischen Ereignisse Orientierung. „Ich habe ein Brasilien unter Bolsonaro für die Vereinigten Staaten von Trump verlassen“, reflektiert Barbosa ihren Status als Immigrantin, der ihr politische Teilhabe verwehrt. Derweil wird Pessoa im Rahmen der Kommunalwahlen von São Paulo zur Aktivistin und stellt sich eine Frage, mit der auch andere linke Bewegungen auf 2020 zurückblicken werden: „Wir haben nicht gewonnen – aber wir sind vorangekommen?“
Jan-Philipp Kohlmann

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Regie
Chica Barbosa, Fernanda Pessoa
Kamera
Chica Barbosa, Fernanda Pessoa
Schnitt
Chica Barbosa, Fernanda Pessoa
Produktion
Jessica Luz
Ton
Chica Barbosa, Fernanda Pessoa
Musik
Aline Araújo, Julia Teles, Thiago Zanato
Filmvertrieb
Renato Manganello
Camera Lucida 2022
Filmstill We Had the Day Bonsoir
We Had the Day Bonsoir Narimane Mari
Narimane Mari widmet ihrem mittlerweile verstorbenen Gefährten, dem Künstler Michel Haas, ein berührendes Porträt, das vom Abschied erzählt. Eine kontemplative Hommage an die Liebe.
Filmstill We Had the Day Bonsoir

We Had the Day Bonsoir

On a eu la journée bonsoir
Narimane Mari
Camera Lucida 2022
Dokumentarfilm
Frankreich
2022
61 Minuten
Französisch,
Englisch
Untertitel: 
Englisch

Narimane Mari widmet ihrem mittlerweile verstorbenen Geliebten, dem Künstler Michel Haas, ein berührendes Porträt, das vom Abschied erzählt. Eingefangen werden vor allen Dingen die kleinen alltäglichen Momente – Straßenszenen, die Arbeit im Atelier, gemeinsam Filme schauen, sich im Bett gegenseitig vorlesen. Die Abwesenheit einer herkömmlichen Narration, lange Kameraeinstellungen und intensive Gespräche laden zum Sinnieren über das eigene Verhältnis zur Endlichkeit ein.

Ein immer wieder eingestreutes Potpourri an Gedichten, Prosa und Musik von Nâzım Hikmet über Stéphane Mallarmé bis Sun Ra gibt dem Film seinen ganz eigenen, gemächlichen Rhythmus. Auch die Szenen im Atelier sind von dieser Stimmung getragen. Wie bei Jackson Pollock entsteht die Kunst zumeist am Boden. Doch statt mit Leinwand und dünnflüssiger Farbe arbeitet Michel Haas mit Tusche, großformatigen Papierbögen und heißem Wasser. Fröhlich summend, traktiert er mit festen Hieben der bloßen Hand das aufgeweichte Papier, bis Kanten, Knicke und Falten entstehen. Die abstrakten Umriss- und Flächenformen geben sich erst aus der Ferne betrachtet als Figuren zu erkennen: Häufig sind es ineinander verschlungene Paare. Eine kontemplative Hommage an die Liebe.
Samuel Döring

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Regie
Narimane Mari
Kamera
Narimane Mari, Nacer Medjkane
Schnitt
Narimane Mari
Produktion
Narimane Mari
Ton
Antoine Morin, Benjamin Laurent
Filmvertrieb
Pascale Ramonda
Camera Lucida 2022
Filmstill When There Is No More Music to Write, and Other Roman Stories
When There Is No More Music to Write, and Other Roman Stories Éric Baudelaire
Eine opulente filmische Collage, die um das Schaffen des Komponisten Alvin Curran und das menschliche Bedürfnis kreist, sich mithilfe von Musik in der Welt zurechtzufinden.
Filmstill When There Is No More Music to Write, and Other Roman Stories

When There Is No More Music to Write, and Other Roman Stories

When There Is No More Music to Write, and Other Roman Stories
Éric Baudelaire
Camera Lucida 2022
Dokumentarfilm
Frankreich
2022
59 Minuten
Englisch
Untertitel: 
Keine

Die Entführung und Ermordung des Politikers Aldo Moro; vier aufgeschlitzte Reifen, die einem Blumenhändler das Leben retten sollten; der verschollene Soundtrack zu Antonionis Spielfilm „Zabriskie Point“; das Aufeinandertreffen zweier Avantgarde-Komponisten; Archivmaterial und Found Footage – das sind die Bestandteile dieses „frei komponierten“ Films, der von der Stadt Rom durchdrungen ist und den menschlichen Drang zur steten Rebellion gegen die These vom Ende der Geschichte stellt.

Musik ist für den US-amerikanischen Elektronik-Komponisten Alvin Curran, dessen Gedanken- und künstlerische Welt im Zentrum von Éric Baudelaires ausnehmend reichhaltiger Collage steht, ein Vehikel, welches uns an Orte trägt, die wir nie zuvor bereist haben. In Rom, wo sich Curran in den 1960er Jahren niederließ, begegnete ihm damals der um einiges erfahrenere Berufskollege Franco Evangelisti und schockierte ihn mit der Frage: „Wissen Sie denn nicht, dass es gar keine Musik mehr zu schreiben gibt?“ Baudelaires kongeniale Montage von Film- und Tonfragmenten legt nahe, dass Currans Solo-Werk – wie auch seine Arbeiten mit dem bahnbrechenden Kollektiv „Musica Elettronica Viva“ – die Antwort auf Evangelistis Frage ist: Wir müssen uns die Welt immer wieder neu zusammensetzen.
Christoph Terhechte

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Éric Baudelaire
Kamera
Éric Baudelaire
Schnitt
Claire Atherton
Produktion
Éric Baudelaire
Ton
Éric Lesachet