God Is Shy
Die Zugfahrt ist sterbenslangweilig. Die Landschaft rauscht sirrend als abstraktes Farbkaleidoskop vorbei, und Ariel und Paul vertreiben sich die Zeit, indem sie füreinander ihre schlimmsten Albträume zeichnen. Bei Paul ist es die auf offener See auf ihn zuschwimmende Mutter, die ihn unter Wasser reißt, bei Ariel die Konfrontation mit einer psychotischen Frau in der Badewanne. Was als Spiel beginnt, entwickelt plötzlich unheimliche Züge, als sich die mitreisende Gilda dazu setzt – und dann davon erzählt, dass ihr das Unheimlichste überhaupt passiert sei. Sie habe ihren dementen Mann im Schlaf hypnotisiert. Derjenige, der ihr dann antwortete, sei niemand Geringeres als Gott gewesen. Ein ungehaltener Gott, ein verstimmter Gott, und schließlich ein regelrecht erzürnter Gott, denn sie habe partout nicht aufhören wollen, ihren schlafenden Mann zu fragen: Warum existieren wir?
Mit einem unglaublich präzisen Sinn für den Moment, in dem das Profane plötzlich Horrorpotenzial entwickelt, nimmt uns Jocelyn Charles mit auf einen großartigen Psychotrip. Dabei überlässt es der Regisseur dem Publikum, ob man den 2D-animierten Film einfach als pointierte Genre-Unterhaltung schaut, oder ob man die Untertöne mitnimmt: die Hybris, als Mensch ständig Gott spielen und jedes Mysterium aufklären zu wollen, beispielsweise. Eine Hybris, die nicht ohne Folgen bleibt.
Termine und Tickets
Credits
Kontakt
andrea@manifest.pictures
festivals@manifest.pictures