Filmarchiv

Jahr

Wettbewerb Publikumspreis 2020
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A Black Jesus Luca Lucchesi
Im sizilianischen Städtchen Siculiana legt man sein Schicksal in die Hände eines schwarzen Christus, traut den afrikanischen Flüchtlingen aber nicht so richtig über den Weg.
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A Black Jesus

A Black Jesus
Luca Lucchesi
Wettbewerb um den Publikumspreis 2020
Dokumentarfilm
Deutschland
2020
92 Minuten
Englisch,
Französisch,
Italienisch
Untertitel: 
Englisch

In Siculiana, einem sizilianischen Städtchen mit abblätternden Fassaden, wird Religiosität selbstverständlich gelebt. Und selbstverständlich ist die hier verehrte Jesus-Christus-Figur schwarz, schon immer. An die dunkelhäutige Nachbarschaft im Flüchtlingslager können sich manche allerdings nicht gewöhnen. Die Kamera begleitet Einheimische und Gestrandete auf ihren Wegen, die oft zur Kirche, aber nicht unbedingt zusammenführen, und zeichnet dabei eine Art Stadtkarte in Schwarz-Schwarz-Kontrasten.

Es sei still geworden in Siculiana, erzählt ein Ortsansässiger. Die lauten Demonstrationen gegen die zum Auffanglager für Flüchtlinge umgewidmete Villa Sikania meint er nicht. Und schon gar nicht das bunte Treiben, das die Stadt alljährlich erfasst, wenn sich die Gläubigen auf das Fest der Kreuzauffindung vorbereiten. Dann hängt man das „Benvenuti“-Schild auf. Aber für wen gilt dieses Willkommen? Pomp und Circumstance der Feierlichkeiten stehen im Zentrum eines filmischen Gemeinschaftsporträts, in dem das vorgeblich Gemeinsame in Stimm- und Hautfarben zerfällt: zwischen den Schwarzen aus der Fremde und dem Schwarzen am Kreuz, der sich – so eine ältere Dame – zwecks Inkorporation der menschlichen Sünden habe „verdunkeln“ müssen. Zwischen einer zur Kulisse stilisierten, vergreisenden Stadt und Gottes zugereisten, Zukunft versprechenden Kindern, die wieder Leben in die Gassen bringen könnten.
Sylvia Görke

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Regie
Luca Lucchesi
Buch
Hella Wenders, Luca Lucchesi
Kamera
Luca Lucchesi
Schnitt
Luca Lucchesi, Edoardo Morabito
Produktion
Léa Germain, Wim Wenders
Co-Produktion
Eric Friedler, Silke Schütze
Ton
Francesco Vitaliti
Musik
Roy Paci
Filmvertrieb
Christa Auderlitzky
Broadcaster
Eric Friedler
Funding institution
Nordmedia
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Die Odyssee

Die Odyssee
Florence Miailhe
Wettbewerb um den Publikumspreis 2021
Animationsfilm
Tschechische Republik,
Frankreich,
Deutschland
2020
84 Minuten
Deutsch
Untertitel: 
Englisch

Ein Land, das irgendwo sein könnte, nicht näher verortet und doch überall. Es ist ein schöner Sommertag, als sich das Leben der Geschwister Kyona und Adriel für immer verändert. Ihr Dorf wird überfallen, verwüstet und in Brand gesteckt. Die ganze Familie muss fliehen und erlebt auf dem Weg über einen ganzen Kontinent viele reale und surreale Situationen, um vielleicht endlich an einem friedlicheren Ort anzukommen.

Zu Beginn des Films blättert Kyona in ihrem Skizzenblock, zieht das Resümee ihres Lebens und erzählt vom Ende ihrer Kindheit. Erst spät begreifen die Geschwister überhaupt, dass sie Flüchtlinge sind, dass sie sich wie viele andere aus den verschiedensten Gründen auf zur Grenze machen: Naturkatastrophen, Folgen des Klimawandels, Krieg, Verfolgung. Die beiden Kinder geraten an gefährliche und hilfsbereite Menschen, werden voneinander getrennt und finden sich wieder. Der abendfüllende Animationsfilm, umgesetzt in Öl auf Glas, lebt vom rasanten Wechselspiel zwischen Fantasie und Realität. Er entführt, einerseits, in eine fiktive, nichtreale Welt. Doch Orte, Namen, Situationen erinnern andererseits an Bekanntes. Sie zeigen die Flucht, das Exil, das Sich-auf-den-Weg-Machen als universelle Erfahrung.
Lina Dinkla

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Regie
Florence Miailhe
Buch
Florence Miailhe, Marie Desplechin
Schnitt
Nassim Gordji Tehrani, Julie Dupré
Produktion
Dora Benoussilio
Co-Produktion
Luc Camilli, Ralf Kukula, Martin Vandas, Alena Vandasoá
Ton
Florian Marquardt
Musik
Andreas Moisa, Philipp Kümpel
Animation
Marta Szymańska, Zuzana Studená, Anna Paděrová, Eva Skurská, Polina Kazak, Lucie Sunková, Urte Zintler, Paola de Sousa, Ewa Łuczków, Anita Brüvere, Aurore Peuffier, David Martin, Marie Juin, Valentine Delqueux, Aline Helmcke
Ausgezeichnet mit: Gedanken-Aufschluss-Preis
Wettbewerb Publikumspreis 2020
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Eine einsame Stadt Nicola Graef
Nirgendwo lässt sich besser einsam leben als in Berlin. Ein Stadtporträt samt seiner mannigfaltigen Bewohner, das fernab jeglichen Tohuwabohus die wesentlichen Töne anschlägt.
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Eine einsame Stadt

Eine einsame Stadt
Nicola Graef
Wettbewerb um den Publikumspreis 2020
Dokumentarfilm
Deutschland
2019
90 Minuten
Deutsch
Untertitel: 
Englisch

Die Einsamkeit trägt in Berlin viele Gesichter. Junge wie Alte sind von ihr befallen, Männer, Frauen, Partnerlose und Verheiratete. Sie ist etwas Normales. Dennoch haftet dem Gefühlsgemenge ein Stigma an, das Betroffene zum Stillschweigen veranlasst. Regisseurin Nicola Graef probiert es in ihrem Film mit einer anderen Methode: Sie lässt die einsamen Hauptstädter zu Wort kommen, lauscht. Das Resultat ist vielfältig und nicht selten überraschend.

Berlin sei eine Stadt für Extrovertierte, findet Tessa. Das Gemüt der jungen Frau ist jedoch auf der gegenteiligen Seite verortet. Die Konsequenz heißt Einsamkeit, und die „laugt einen schon ziemlich aus“, sagt sie. Einen selbstbewussten Umgang mit den nagenden Gefühlen hat der 85-jährige Efraim, Fotograf und Flaneur, gefunden: Er sei ohnehin „kein Typ für die Ehe“. Künstler Thomas leidet indes unter dem Ende einer Langzeitliebe und fragt sich, ob „der Puderzucker mit 50 schon abgeküsst“ sei, meint aber ebenso: „Es gibt für alles einen Markt, auch für kaputte Autos.“ Schwebend wie zugewandt bewegt man sich in Graefs Film durch die Weiten der Stadt, wo Geschichten wie Unkraut zwischen den Pflastersteinen sprießen. Von der Eckkneipe zum Atelier, von den Parks zum Sportverein und immer wieder hinein in die stillen Wohnungen – überall trifft sie auf ihre Zeugenschaft der Leere. Deren Berichte berühren. Hoffnungslos machen sie gleichwohl nie.
Carolin Weidner

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Regie
Nicola Graef
Kamera
Alexander Rott, Philip Koepsell
Schnitt
Kai Minierski
Produktion
Susanne Brand, Nicola Graef
Co-Produktion
ARTE Deutschland TV GmbH, SWR Südwestrundfunk
Ton
Simon Hückstädt, Matthias Kreitschmann, Carsten Kramer, Luc Brocker, Alexey Fedorov, Oliver Drüppel, Zora Butzke
Musik
George Kochbeck
Redaktion
Gudrun Hanke-El Ghomri, Catherine Le Goff
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Lo que queda en el camino

Lo que queda en el camino
Jakob Krese, Danilo do Carmo
Wettbewerb um den Publikumspreis 2021
Dokumentarfilm
Brasilien,
Deutschland,
Mexiko
2021
93 Minuten
Spanisch
Untertitel: 
deutsche Untertitel für Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit, Englisch

2018 machten sich Tausende Menschen aus Lateinamerika auf den Weg. Gemeinsam flohen sie vor Perspektivlosigkeit, Armut und Gewalt Richtung USA. Auch die alleinerziehende Mutter Lilian aus Guatemala wagte es, ihren gewalttätigen Ehemann zu verlassen. Die Karawane war ihre einzige Chance, den Kraftakt zu schaffen. Dennoch: 4.000 Kilometer mit vier kleinen Kindern zu Fuß, per Anhalter und auf „La Bestia“, dem Güterzug gen Norden, bleiben lebensgefährlich.

Der Film setzt der medialen Berichterstattung einen sensiblen Blick entgegen, der sich ganz bewusst auf eine Familie konzentriert. Er registriert unfassbare Härten, aber auch große Hilfsbereitschaft, Lilians Durchhaltevermögen und ihre Fähigkeit, die Strapazen für ihre Kinder – zumindest manchmal – wie eine Abenteuerreise wirken zu lassen. Doch trotz aller Leichtigkeit bleibt die Anstrengung genauso präsent wie die Tatsache, dass die USA zeitgleich eine Mauer errichten, die jeden Grenzübertritt verhindern soll. Als Lilian und ihre Kinder nach Wochen der Angst an der Grenze ankommen, bricht sie zusammen. Plötzlich stellt sich die Frage, ob ihr Ziel wirklich dieses reiche Land ist. Geht es nicht vielmehr darum, sich endlich gegen männliche Dominanz und traditionelle Geschlechterrollen zu behaupten? Ganz offensichtlich kam Lilian auf dem beschwerlichen Weg etwas abhanden: Die Angst ist einem neuen Selbstbewusstsein gewichen.
Luc-Carolin Ziemann

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Regie
Jakob Krese, Danilo do Carmo
Kamera
Arne Büttner, Danilo do Carmo
Schnitt
Sofia A. Machado
Produktion
Annika Mayer
Co-Produktion
Bruna Epiphanio
Ausgezeichnet mit: Lobende Erwähnung (im Rahmen des DEFA-Förderpreis)
Wettbewerb Publikumspreis 2020
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The Blunder of Love Rocco Di Mento
Filmische Ahnenforschung: Ein Enkel will die grenzenlose Liebe seiner Großeltern dokumentieren, kann aber bei näherer Betrachtung des Mythos die familiären Abgründe nicht übersehen.
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The Blunder of Love

The Blunder of Love
Rocco Di Mento
Wettbewerb um den Publikumspreis 2020
Dokumentarfilm
Deutschland
2020
84 Minuten
Englisch,
Italienisch
Untertitel: 
Deutsch

Ein junger Mann trifft eine junge Frau und beide verfallen einander. Ein Haus wird gebaut, Kinder kommen zur Welt, die märchenhafte Geschichte einer grenzenlosen Liebe nimmt ihren Lauf. Ein Enkel macht sich daran, den Mythos der Romanze seiner Großeltern zu erkunden, und versucht, den verstorbenen Großvater mithilfe aller verbliebenen Verwandten filmisch zu ehren. Kein leichtes Unterfangen, wenn vielleicht doch nicht alles so war, wie es die familiäre Überlieferung will …

Bei seiner Suche fördert Rocco Di Mento alte 8mm-Privatfilme, einen nie veröffentlichten Roman, diverse Liebesbriefe und eine ganze Menge lange verdrängter Gefühle zutage. Kaum verwunderlich, dass diese Gemengelage schließlich eine Eigendynamik entwickelt. Plötzlich geht es nicht mehr nur um die Suche nach der großen Liebe, sondern auch darum zu fragen, was Menschen über Beziehungsstatus und Verwandtschaftsgrad hinaus zusammenhält und wie Vergebung möglich wird, obwohl man schon nicht mehr daran geglaubt hat. Eine geschickt gebaute Familienaufstellung voller italienischem Temperament, in der Spannung, Rührung und Wahrhaftigkeit eine unentwirrbare Verbindung eingehen. Denn: „Auch wenn du gehst, du bleibst immer ein Teil deiner Familie.“
Luc-Carolin Ziemann

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Regie
Rocco Di Mento
Kamera
Sabine Panossian
Schnitt
Antonella Sarubbi, Valentina Cicogna, Rocco Di Mento
Produktion
Valeria Venturelli
Ton
Jerome Huber
Musik
Franziska May
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The Cars We Drove into Capitalism

The Cars We Drove into Capitalism
Georgi Bogdanov, Boris Missirkov
Wettbewerb um den Publikumspreis 2021
Dokumentarfilm
Bulgarien,
Kroatien,
Tschechische Republik,
Dänemark,
Deutschland
2021
93 Minuten
Bulgarisch,
Tschechisch,
Englisch,
Deutsch,
Norwegisch,
Russisch
Untertitel: 
Englisch

Ein nostalgischer Trip in die Vergangenheit, als sich der Kauf eines Autos als Lebensaufgabe gestaltete – insbesondere für jene Europäer, denen maximal zwei Handvoll Marken zur Verfügung standen. Die munter montierte Kollektion von Auto-Biografien aus sozialistischer Produktion erinnert an vermeintlich unbeschwerte Zeiten, als das motorisierte Gefährt einfach Statussymbol sein durfte: frei von ideologischen Grabenkämpfen rund um Klimakrise und Mobilitätsdiät.

Von Russland über Bulgarien und Tschechien bis nach Deutschland und Norwegen werden Liebesgeschichten zwischen Mensch und Trabi, Moskwitsch oder Wolga filmisch festgehalten. Wir treffen Charaktere, die damals wie heute an ihrem geliebten Stück Blech hängen – oder es sogar zu einer stattlichen Sammlung gebracht haben. Da gibt es ein Paar, das sich auf einer Retro-Auto-Ausstellung lieben lernte und heute noch das gleiche Modell fährt. Wir begegnen einem Küster, der sein Dienstfahrzeug nach 32 Jahren Nutzung weitervererbt. Wir machen die Bekanntschaft eines Pin-ups, das stets vor Ost-Oldtimern posiert. Sie alle haben ein Faible für diese klapprigen Rostlauben. Denn obwohl die Fabrikate der sozialistischen Autoindustrie in der Regel langsam, klobig, mühsam zu fahren und zu reparieren waren – sie galten als Schauobjekte eines geglückten Lebens. Und in fast jeder Familie gab es eines: heiß begehrt, lang ersehnt, eifrig poliert.
Lina Dinkla

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Georgi Bogdanov, Boris Missirkov
Buch
Boris Missirkov, Georgi Bogdanov
Kamera
Boris Missirkov, Georgi Bogdanov
Schnitt
Emil Granicharov, Jacob Thuessen, Georgi Tenev
Produktion
Martichka Bozhilova
Co-Produktion
Tina Leeb, Miljenka Čogelja, Dana Budisavljević, Jiří Konečný, Sigrid Jonsson Dyekjær, Sascha Beier, Simone Baumann
Ton
Veselin Zografov
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The Good Soldier

Le bon soldat
Silvina Landsmann
Wettbewerb um den Publikumspreis 2021
Dokumentarfilm
Frankreich,
Deutschland,
Israel
2021
88 Minuten
Englisch,
Hebräisch
Untertitel: 
Englisch, deutsche Untertitel für Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit

Die NGO „Breaking the Silence” – kurz BtS – besteht aus ehemaligen israelischen Soldaten und Soldatinnen, die durch das Sammeln persönlicher Erinnerungsberichte auf den militärischen Alltag und den Umgang mit der Bevölkerung in den besetzten Gebieten aufmerksam machen wollen. Die Regisseurin Silvina Landsmann ermöglicht mit ihrem Film einen Blick hinter die Kulissen einer umstrittenen Gruppierung mit einem kontrovers diskutierten Ansatz inmitten eines über 70 Jahre schwelenden Konflikts.

Was macht einen guten Soldaten aus? Die Fähigkeit, ohne Skrupel Befehle auszuführen, oder die Berücksichtigung von höheren moralischen Zielen im Umgang mit dem Feind? Letzteres war vielen Mitgliedern von BtS erst nach ihrer aktiven Militärzeit möglich. In ihrer Arbeit setzen sie sich mit Einsätzen und Handlungen auseinander, die ihnen heute falsch vorkommen. Mit Videos, Vorträgen und Stadtführungen wenden sie sich an die israelische Bevölkerung und an ausländische Medien. Auf den Straßen Hebrons kommt es immer wieder zum Zusammenstoß zwischen BtS, israelischen Siedlern und dem Militär. Auch auf politischer Ebene wird die Organisation scharf kritisiert. Ihr wird vorgeworfen, Geschichten zu erfinden, dem Ruf Israels zu schaden und dem Antisemitismus in die Hände zu spielen. Mit filmisch nüchternen Bildern beobachtet Landsmann, wie die Gruppe äußerlich und innerlich um ihre Stimme kämpft.
Kim Busch

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Silvina Landsmann
Kamera
Silvina Landsmann
Schnitt
Tal Shefi
Produktion
Silvina Landsmann, Pierre-Olivier Bardet
Co-Produktion
Christoph Menardi
Ton
Ami Arad, Guy Barkay, Nadir Fleishman, Zohar Cheppa, Tully Chen