![Eine Person liegt in einem Bällebad.](/sites/default/files/styles/stepped_teaser_/public/2024-02/Filmstill_All-Creatures-Welcome.jpg?h=2a71c125&itok=CN2uk7cP)
Kreativer Kopfsprung in die Hacker-Philosophie des CCC, die nicht die fortschreitende Digitalisierung des Lebens beklagt, sondern sich der Technologie bemächtigt, um das Leben zu verbessern.
Kreativer Kopfsprung in die Hacker-Philosophie des CCC, die nicht die fortschreitende Digitalisierung des Lebens beklagt, sondern sich der Technologie bemächtigt, um das Leben zu verbessern.
Dokumentarfilm über den Chaos Computer Club und die Themen Datenschutz, Überwachung und Demokratie
Altersempfehlung: ab 14 Jahre
Klassenstufen: ab 9. Klasse
Themen: Internet, Computer, Digitalisierung, Demokratie, Utopie, Fantasie, Idealismus, Meinungs- und Pressefreiheit, Diversität
Lehrplanbezüge: Politik und Medien, Digitalisierung, Datenschutz
Unterrichtsfächer: Informatik, Gemeinschaftskunde, Politik, Ethik, Religion, Deutsch, Geschichte, Musik, Kunst
Der Chaos Computer Club (CCC) ist weit mehr als eine Vereinigung von Nerds und Hackern. Seit seiner Gründung vor mehr als 30 Jahren agiert der CCC als Vermittler im Spannungsfeld technischer und sozialer Entwicklungen. Inzwischen wird sogar die Bundesregierung in Digitalisierungsfragen vom CCC beraten. Längst sind die Aktivisten zu anerkannten Experten für Themen wie Datenschutz, Netzneutralität, Zensur und Massenüberwachung geworden.
Immer wieder weist der CCC darauf hin, wie unverzichtbar es ist, die Digitalisierung aller Lebensbereiche kritisch zu begleiten und ihre Folgen – seien sie intendiert oder nicht – zu reflektieren. Zentraler Grundsatz des Chaos Computer Clubs ist die Freiheit von Wissen und Information auf der Basis demokratischer Entscheidungen. Jedes Jahr organisiert der CCC diverse Arbeitscamps und internationale Kongresse, um für ein paar Tage die Utopie einer radikal demokratischen Welt ohne Wissensgrenzen Wirklichkeit werden zu lassen. Seit 2017 findet der jährliche Kongress in Leipzig statt. Die Tickets sind immer Monate vorher ausverkauft.
Der vorliegende Dokumentarfilm ist ein verspielter und höchst informativer Versuch, die anarchische Vielfalt der Lebensformen zu beschreiben, die sich in den Hacker-Camps oder auf den Kongressen trifft. Wir blicken den Nerds, politischen Aktivistinnen und Aktivisten und „anderen galaktischen Lebensformen“ über die Schulter und erleben – ergänzt durch kurze
Animationssequenzen – was es heißt, die Gesellschaft nicht als gegebene Tatsache, sondern als gestaltbares Material zu betrachten, das es zu „hacken“ gilt. Ohne Glorifizierung, dafür mit viel Sinn für die inneren Widersprüche zeichnet der Film das Bild einer sehr eigenen (Sub-)Kultur, deren Themen längst zum Mainstream geworden sind.
Ein verspielter und höchst informativer Versuch, die anarchische Vielfalt der Wesenheiten zu beschreiben, die sich unter dem Schirm von Europas größter Hacker-Vereinigung, dem Chaos Computer Club, regelmäßig in Camps oder auf internationalen Kongressen trifft. Sandra Trostel blickt Nerds, politischen Aktivistinnen und Aktivisten, Makern und „anderen galaktischen Lebensformen“ über die Schulter und zeigt, ergänzt durch kurze Animationssequenzen, was es heißt, die Gesellschaft nicht als gegebene Tatsache, sondern als gestaltbares Material zu betrachten, die es zu „hacken“ gilt. Ohne Glorifizierung, dafür mit viel Sinn für die inneren Widersprüche zeichnet der Film das Bild einer sehr eigenen (Sub-)Kultur, deren Themen längst zum Mainstream geworden sind.
Luc-Carolin Ziemann
Nominiert für den Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts
Im kanadischen Fort McMurray liegt eines der größten und letzten Ölvorkommen der Welt. Wie magisch zieht das „schwarze Gold“ Menschen aus aller Welt an. Denn mit dem Ölsand lässt sich so viel Geld verdienen wie nirgendwo anders. Doch der Preis ist hoch.
Vorführung im Rahmen einer Schulvorstellung am 6. Oktober 2022
Im kanadischen Fort McMurray liegt eines der größten und letzten Ölvorkommen der Welt. Wie magisch zieht das „schwarze Gold“ Menschen aus aller Welt an. Denn mit dem Ölsand lässt sich so viel Geld verdienen wie nirgendwo anders. Doch der Preis ist hoch: Die aufwändige Gewinnung des Öls aus dem Teersand setzt lebensgefährliche Stoffe frei, die Natur, Tiere und Menschen vergiften. Ausgerechnet an diesem verlorenen Ort findet Regisseurin Jasmin Herold die große Liebe, ihren späteren Co-Regisseur Michael Beamish. Doch als Michael schwer erkrankt, sind die beiden plötzlich unmittelbar betroffen. Ihr eigener Albtraum beginnt.
Luc-Carolin Ziemann
Karen Winther schämt sich, wenn sie an ihre Vergangenheit als Rechtsextreme denkt. Aber sie ist auch neugierig: Wie war das möglich? Und wie gehen andere mit dem eigenen radikalen Ballast um?
Dokumentarfilm über Wege aus dem Extremismus
Altersempfehlung: ab 14 Jahre
Klassenstufen: ab 9. Klasse
Themen: Extremismus, Rassismus, Gewalt, Schuld, Neuanfang, Ausstieg
Unterrichtsfächer: Gemeinschaftskunde, Religion, Ethik, Politik, Deutsch, Philosophie
Als Karen Winther wegen eines Umzugs alte Kisten in die Hände fallen, ist sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Gleich obenauf liegen Aufkleber mit Hakenkreuzen, daneben eine Kassette mit der Aufschrift „Blitz“ und „Hits“, einiges anderes Material mit Reichsadlern. Vor zwanzig Jahren schloss sie sich einer rechtsextremistischen Organisation in Norwegen an, suchte dort das Abenteuer und Gleichgesinnte. Heute schämt sie sich für dieses Material und für das, wofür es steht: ihre Zeit als Rechtsextreme. „Exit“ ist Karen Winthers Weg, die eigene Geschichte zu verstehen und ein Stück weit Frieden mit sich selbst zu schließen. Sie macht sich auf die Suche nach Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. In den USA trifft sie mehrere Frauen, die jahrelang in der rechten Szene aktiv waren und sich heute gegenseitig unterstützen. Mit Sören, einem ehemaligen Linksextremisten aus Schweden unterhält sie sich darüber, was es heißt, die eigene Meinung mit Gewalt durchzusetzen. In Deutschland besucht sie Ingo Hasselbach, „The Führer of Berlin“, von
dessen Ausstieg aus der ostdeutschen Neonazi-Szene der Wendejahre Winfried Bonengels Film „Führer Ex“ handelt. In Paris lernt sie den ehemaligen Dschihadisten David kennen, der mit den Attentätern der ersten Terroranschläge in Frankreich bekannt war und während seines Gefängnisaufenthalts den Absprung aus der Dschihadisten-Gemeinschaft geschafft hat. Winther interessiert sich vor allem dafür, was ihren Gesprächspartner/innen als Weckruf diente, Gewalt und Radikalismus hinter sich zu lassen. Was gab bei jedem Einzelnen den Ausschlag zum Ausstieg?
Als Karen Winther wegen eines Umzugs alte Kisten in die Hände fallen, ist sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Gleich obenauf liegen Aufkleber mit Hakenkreuzen, daneben eine Kassette mit der Aufschrift „Blitz“ und „Hits“, einiges anderes Material mit Reichsadlern. Vor zwanzig Jahren schloss sie sich einer rechtsextremistischen Organisation in Norwegen an, suchte dort das Abenteuer und Gleichgesinnte. „It‘s embarrassing to look at“, spricht sie im Off-Kommentar. „Exit“ ist ihr Film, ihre Geschichte und doch weist die Handlung schnell in andere Richtungen, bleibt nicht im eigenen Gefüge verhaftet. Winther reist in die USA, um Frauen zu treffen, die sich ebenfalls im rechtsextremen Milieu bewegten. Sie sitzt mit einem ehemaligen linksextremen Aktivisten im Auto und unterhält sich über eine prägende Begegnung, viele Jahre zuvor. Sie lernt Ingo Hasselbach, „The Führer of Berlin“, kennen, von dessen Ausstieg aus der ostdeutschen Neonazi-Szene der Wendejahre Winfried Bonengels Film „Führer Ex“ handelt. Und sie kommt mit einem Ex-Dschihadisten zusammen, der seine Strafe in einem Pariser Gefängnis abgesessen hat. Neben überraschend verbindenden Motivationen und Erfahrungen teilen alle Schwierigkeiten, die mit ihren „Exits“ zusammenhängen, Schuldgefühle, aber auch Gefährdungen seitens noch aktiver Mitglieder.
Carolin Weidner
Ausgezeichnet mit dem Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts, mit dem Young Eyes Film Award und dem Gedanken-Aufschluss-Preis der Jury aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen Strafgefangenen der JSA Regis-Breitingen
Fünf junge Kriegsveteranen aus Pittsburgh berichten in einem albtraumwandlerischen Film über ihren permanenten Alarmzustand nach der Rückkehr aus Afghanistan.
Altersempfehlung: ab 15 Jahre
Klassenstufen: ab 10. Klasse
Themen: Krieg, Gewalt, Trauma, Verarbeitung, Sprache, psychische Krankheit/Gesundheit
Unterrichtsfächer: Gemeinschaftskunde, Religion, Ethik, Politik, Englisch, Deutsch, Philosophie
In Stress zeichnet der Münchner Regisseur Florian Baron ein ungewöhnliches Portrait von fünf Menschen, die als Soldaten im Dienst des US-Militärs dienten und nun versuchen, wieder im Alltag Fuß zu fassen. Ihre Erfahrungen in Afghanistan haben sie zu Außenseitern gemacht, die einen ganz eigenen Blick auf das heutige Amerika haben. Joe und Torrie, Mike, James und Justin sprechen darüber, aus welchen Gründen Sie sich damals für den Armeedienst entschieden haben. Keiner war sich über die lebensverändernden Auswirkungen des Krieges wirklich bewusst und für alle ist es schwer, sich wieder in einem Leben jenseits des Kriegszustandes einzuleben.
Der Regisseur Florian Baron hat in langen Gesprächen mit seinen Protagonisten viele vermeintliche Gewissheiten hinterfragt und zeigt in eindrücklichen Bildern, wie schwer es fällt, Ängste und Schwächen einzugestehen. Ein Film, der deutlich zeigt, welche zerstörerischen Folgen ein Krieg hat, selbst wenn er lange zurückliegt oder am anderen Ende der Welt stattfindet.
9/11-Trauma, Ideologie der gewalttätigen Genugtuung, Militärdienst als patriotische Familientradition, die „Unfairness“ heutiger Kriegsführung – fünf junge Veteranen des Afghanistankriegs setzen aus dem Off zunächst ein Fundament bekannter Bauart. Joe, Torrie, Mike, James und Justin aus Pittsburgh wenden uns nur langsam ihr Gesicht zu. Körperlich unversehrt, aber mit innerem Schmerz, sind sie nach ihrer Rückkehr zu Unverstandenen geworden. Ihre brutale Erfahrung spricht eine Sprache, die das Umfeld zu Hause nicht versteht. „Stress“ setzt mit einer künstlerischen Form an, die das gesprochene Wort mit all seinen untrüglichen Gefühlszeichen beeindruckend heraushebt und das Kokondasein sowie die Spannung eines permanenten Alarmzustands in aller Komplexität physisch erlebbar vermittelt. In extremer Langsamkeit begleiten Kamera und Sound mit Alltagsaufnahmen albtraumwandlerisch die mündlichen Beschreibungen der Kriegserlebnisse. Plastische Beinahe-Stillleben entstehen, in denen alles von allen Seiten betrachtet werden kann, aber doch ungreifbar bleibt. Es offenbart sich ein Leben hinter Glas und in einer bleiernen Zeit, die gnadenlos vorangeht, aber kein wirkliches Fortkommen ermöglicht. Die lang nachhallende Coda der berauschenden und beklemmenden Komposition: die Überzeugung von Torrie, dass das Militär am Ende trotz allem ein guter Platz zum Erwachsenwerden ist.
André Eckardt
Ausgezeichnet mit dem DEFA-Förderpreis für einen herausragenden langen deutschen Dokumentarfilm Nominiert für den Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts
Punk in Weimar, zwei Brüder und ein Verrat, Knast, Ausreise und eine Mauerkunstaktion. DDR-Archäologie voller fröhlich lärmender Anarchie und Striche, die ins Heute reichen.
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Klassenstufen: 9-13
Themen: (Deutsche) Geschichte, DDR, Grenze, Rebellion, Meinungsfreiheit, Verrat, Geheimdienst, Familie, Stasi, Widerstand
Unterrichtsfächer: Geschichte, Gemeinschaftskunde/Sozialkunde, Politik, Philosophie, Ethik
Als „Der weiße Strich“ wird eine Kunstaktion bekannt, bei der 1986 fünf junge Männer die Mauer auf der Westberliner Seite mit einem durchgezogenen weißen Strich markieren. Sie alle stammen aus der Weimarer Punk- und Undergroundszene und sind erst kurz vorher aus der DDR ausgereist. Schon am zweiten Tag ihrer Performance lauern ihnen DDR-Grenzsoldaten auf, einer der Freunde wird durch eine verborgene Tür in der Mauer verschleppt und landet im Stasi-Gefängnis in Bautzen.
Als die Männer sich viele Jahre später im Rahmen eines Buchprojekts wieder mit der Geschichte beschäftigen und ihre Stasi-Akten durchgehen wollen, taucht plötzlich einer der ehemaligen Mitstreiter ab…. Langsam wird den Beteiligten klar, warum die Stasi schon Anfang der 1980er in Weimar immer genauestens über ihre Aktivitäten Bescheid wusste: gab es eine undichte Stelle innerhalb ihrer Gruppe?
Heute, knapp 30 Jahre später, wird der Filmdreh zum Anlass, sich noch einmal mit dieser Zeit zu beschäftigen. Gerd Kroske zeigt die Freunde von damals bei ihrem Versuch, die eigene Vergangenheit zu verstehen und damit umzugehen. In Gesprächen mit allen Beteiligten, flankiert von reichhaltigem Archivmaterial lotet Gerd Kroske die Untiefen von Verrat, Verdrängen und Vergeben aus. Er insistiert, ohne zu diskreditieren. „Striche ziehen.“ gelingt es auf eindrückliche Weise, den andauernden Balanceakt spürbar werden zu lassen, den jeder vollziehen muss, der sich ernsthaft mit Verrat und Vergebung beschäftigen will.
Als „der weiße Strich“ wurde eine Kunstaktion bekannt, bei der 1986 fünf ausgereiste DDR-Bürger aus der Weimarer Punk- und Undergroundszene die Mauer auf Westberliner Seite mit einem aufgemalten Strich umrunden wollten. Am zweiten Tag lauerten ihnen die DDR-Grenztruppen auf, einer der Freunde landete in Bautzen. Erst nach Jahren im Westen stellte sich heraus, dass einer in ihrem Kreis war, der in der DDR über ihre Aktivitäten berichtet hatte. Und über seinen Bruder. In Gesprächen mit den Beteiligten bis hin zum nassforschen (nicht unsympathischen) Grenzsoldaten, flankiert von reichhaltigem Archivmaterial mit dem angekratzten Anarcho-Charme von Super 8 und ORWO, lotet Gerd Kroske die Untiefen von Verrat, Verdrängen und Vergeben aus. Er insistiert, ohne zu diskreditieren. Je tiefer er in die Vergangenheit dringt, desto mehr tritt sie zurück hinter der Frage, wie beide Seiten mit dem Verrat weiterleben. Wie gegenwärtig die Geschichte ist, wird im großen, finalen Showdown der Brüder ebenso deutlich wie in wiederkehrenden Bildern von der Mauer, die Israel und Palästina trennt. Auch heute ist es mit dem Striche-Ziehen nicht so einfach. Besonders, wenn es sich um einen Schlussstrich handelt.
Grit Lemke
Der Demminer Massensuizid im Frühjahr 1945 ist noch immer ein Politikum. Pünktlich zum Tag der deutschen Kapitulation marschieren die Rechten. Eine filmische Inventur.
„Es sind ja keine schönen Erinnerungen, keine lustigen Erinnerungen. Und eigentlich hat man die Zeit ja begraben.“ Zwischen dem 30. April und dem 4. Mai 1945 kommt es in der pommerschen Kleinstadt Demmin zu einem Massensuizid mehrerer Hundert Zivilisten. Zwischen ideologischer Leere und der Angst vor der Roten Armee ist Verzweiflung. Ganze Familien gehen ins Wasser, erhängen oder vergiften sich. Den alten Demminern, die Martin Farkas besucht, ist die Nervosität noch immer anzumerken: Kaum eine Hand bleibt während des Gesprächs ruhig – man reibt sie am Rock oder zippelt irgendwo anders herum. Ein Bewohner schildert die Vollkommenheit der Stadt vor dem Krieg und die „Flickschusterei“, die nach seinem Ende eingesetzt habe und bis heute andauere. „Flickschusterei“ wiederum ist kein schlechter Begriff für das, was in Demmin geschieht und wofür Farkas in seinem Film nach Bildern sucht. Da sind die Rechten, welche die Folgen der Massenhysterie als Anlass für einen jährlichen Trauermarsch am 8. Mai, dem Tag der deutschen Kapitulation, missbrauchen. Da stehen die Bürger Demmins, die sich teils angewidert, teils desinteressiert abwenden. Da gibt es Gegendemonstranten und einige Zeitzeugen, die nach mehr als 70 Jahren zum ersten Mal über ihre Erinnerungen sprechen.
Carolin Weidner
Alltag in Nordkorea: Pioniere, Fahnenappell, Arbeitskollektiv, reichlich zu essen und stets ein Lied auf den Lippen. Perfekt inszeniert für die Kamera – absurdes Theater, voll von großer Tragik.
Nordkorea will die beste aller Welten sein. Für alle und alles ist gesorgt. Pjöngjang ist eine saubere moderne Großstadt. Die 8-jährige Zin-mi, die im Mittelpunkt des Films steht, führt durch die Stationen einer glücklichen Kindheit: die Aufnahme in die Pionierorganisation, stramme Fahnenappelle, ausreichend zu essen und immer ein Lied zur Huldigung des Großen Führers Kim Jong-un auf den Lippen. Der russisch-ukrainische Regisseur Vitaly Mansky erhält die offizielle Genehmigung, ein Jahr lang den Alltag in Stadt und Land zu dokumentieren. Er weiß, dass er instrumentalisiert wird und kehrt den Spieß kurzerhand um, indem er das Zustandekommen der Inszenierungen und Arrangements freilegt. Sein offizieller Aufpasser erweist sich dabei als veritabler „Ko-Regisseur“. So sind es die vermeintlichen Details und Nebensächlichkeiten, zu deren Entdeckung Mansky auffordert. Sie geben Einblick in eine dressierte, stumpf gewordene Gesellschaft. Obwohl man sich in „1984“ wähnt, ist Mansky weder als Voyeur noch als Zyniker gekommen. Hinter den Masken der offiziellen Verlautbarungen sucht die Kamera das Menschliche: ein Gähnen oder einen Moment der Unsicherheit in diesem Land der immer aufgehenden Sonne.
Cornelia Klauß
Zwei gutsituierte norddeutsche Gemeinden sollen Asylbewerber aufnehmen: Während einige den Fremden helfen, gründen sich Bürgerinitiativen dagegen. Gruselige Provinzposse.
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Klassenstufen: 9-13
Themen: Integration, Flüchtlinge, Rassismus, Fremde Kulturen, Heimat, Vorurteile
Unterrichtsfächer: Gemeinschaftskunde/Sozialkunde, Politik, Geschichte, Philosophie, Ethik/Religion
Willkommen auf Deutsch zeigt, was passiert, wenn in der Nachbarschaft plötzlich Asylbewerber einziehen. Der Film wirft dabei die Frage auf, was einem nachhaltigen Wandel der Asyl- und Flüchtlingspolitik tatsächlich im Wege steht.
Der Dokumentarfilm Willkommen auf Deutsch zeigt die Probleme, die durch die stetig wachsenden Flüchtlingszahlen entstehen und setzt bei den Menschen, ihren Sorgen und Vorurteilen an. Dabei fokussiert der Film keinen Brennpunkt wie Berlin Hellersdorf, sondern bewegt sich in der bürgerlichen Mitte Westdeutschlands: Im Landkreis Harburg, der sich zwischen der Lüneburger Heide und Hamburg erstreckt. 240.000 Einwohner, Backsteinhäuser, Weideland – hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Doch jetzt leben traumatisierte Flüchtlinge neben Dorfbewohnern, die sich angesichts der neuen Nachbarn um ihre Töchter und den Verkaufswert ihrer Eigenheime sorgen. Junge Männer, die Krieg, Armut und Perspektivlosigkeit entfliehen wollten, sollen in einem 400-Seelen-Dorf untergebracht werden, das weder Bäcker noch Supermarkt hat. Was passiert, wenn Menschen aufeinander prallen, die sich fremd sind?
Über einen Zeitraum von fast einem Jahr begleitet der Film Flüchtlinge, Anwohner sowie den Bereichsleiter der überlasteten Landkreisverwaltung – stellvertretend für die 295 Landkreise bundesweit.
Willkommen auf Deutsch ist kontrovers, sehr emotional und auch amüsant und zeigt, dass die Situation schwierig, aber nicht hoffnungslos ist.
„Willkommenskultur“ könnte das neue euphemistische Unwort des Jahres werden. Es zieht sich durch diesen Film, der über einen längeren Zeitraum verfolgt, was passiert, wenn zwei gutsituierte norddeutsche Gemeinden Asylbewerber aufnehmen sollen. Da sind die Bürger in ihren Reihenhäusern, die ihre Töchter nicht mehr auf die Straße lassen können, wenn der Weltuntergang in Form von 53 Flüchtlingen (im schlimmsten Fall Schwarze) bevorsteht. Flugs gründen sich Bürgerinitiativen, um das Unheil juristisch abzuwenden. Da ist der Gastwirt, der vorgeblich selbstlos seine leerstehenden Gästezimmer anbietet, was als „sozialverträgliche“ Variante präsentiert wird. Da ist die Verwaltung, die verzweifelt nach Unterkünften sucht, um Akzeptanz dafür ringt, schließlich Container aufstellt und sich zufrieden auf die Schulter klopft. Sie alle können nicht oft genug betonen, wie willkommen die Fremden ihnen grundsätzlich sind (nur nicht so viele, nur nicht bei uns). Und da sind die Fremden selbst, die am Ende einer Odyssee traumatisiert auf eine neue Heimat hoffen. Wendler und Rau zeigen einen Alltagsrassismus, der nicht in Springerstiefeln, sondern im Gewand der Nächstenliebe und Demokratie daherkommt – aber auch Menschen, die bei Flüchtlingskindern übernachten, als deren Mutter ins Krankenhaus muss. Und wie der Wirt am Ende Schnitzel mit den Albanern brät – mitten in der deutschen Provinz.
Grit Lemke
Leipziger Dok-Filmwochen GmbH
Katharinenstraße 17
04109 Leipzig
Deutschland
info [at] dok-leipzig [dot] de (info[at]dok-leipzig[dot]de)
+49 (0)341 30864-0