Filmarchiv

Internationaler Wettbewerb 2021
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A Custom of the Sea Fabrizio Polpettini
Drei Freunde erkunden die Strahlkraft des Mittelmeers, das christliche und islamische Länder miteinander verbindet und immer wieder Schauplatz von Konflikten war und ist.
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A Custom of the Sea

Un usage de la mer
Fabrizio Polpettini
Internationaler Wettbewerb 2021
Dokumentarfilm
Frankreich
2021
52 Minuten
Arabisch,
Englisch,
Französisch,
Italienisch
Untertitel: 
Englisch, deutsche Untertitel für Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit

Porto Maurizio liegt an der ligurischen Küste. Hier ist der heute in Frankreich lebende Regisseur aufgewachsen. Das Dorf ist Ausgangspunkt für eine filmische Reise in die Vergangenheit, die einen überraschend weiten Bogen in eine Zeit schlägt, in der muslimische Piraten, die Korsaren, die Mittelmeerregion unsicher gemacht und Europäer als Sklaven genommen hatten. Dazu bedient sich der Film leichtfüßig im reichhaltigen Fundus der Filmgeschichte und in ihrer Ikonografie.

Abenteuerfilme aus den 1940er Jahren und historische Wandgemälde schildern bildgewaltig die Seeschlachten des früheren 19. Jahrhunderts. Solche visuellen Fundstücke kombiniert der Regisseur geschickt mit analog gefilmten neuen Aufnahmen seiner Reise mit zwei Freunden. Ihre scheinbar lose erzählten Anekdoten und Zufallsbegegnungen fügen sich zu einem zusammenhängenden Ganzen. Sie bilden so ein geopolitisches Koordinatensystem rund um das Mittelmeer, in dem es um Eurozentrismus, Kolonialgeschichte und religiös motivierte Konflikte zwischen christlich und islamisch geprägten Ländern geht. Die Themen könnten aktueller nicht sein.
Annina Wettstein

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Regie
Fabrizio Polpettini
Kamera
Valentina Provini
Schnitt
Marylou Vergès
Produktion
Fabrizio Polpettini
Co-Produktion
Pierre-André Belin
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Conversations with Siro

Conversations avec Siro
Dima El-Horr
Internationaler Wettbewerb 2021
Dokumentarfilm
Libanon,
Frankreich
2021
52 Minuten
Arabisch,
Französisch
Untertitel: 
Französisch, Englisch

Vor Jahren hat sich die libanesische Filmemacherin Dima El-Horr in Paris niedergelassen. Zu den in der Heimat gebliebenen Freunden zählt die Künstlerin Sirvat Fazlian, die sie regelmäßig in Beirut besucht, bis die gescheiterte Revolution von 2019, der Corona-Lockdown, die verheerende Explosion im Hafen und schließlich die dramatische ökonomische Krise ihren Treffen ein vorläufiges Ende setzen. So beschließt die Regisseurin, ihren Konversationen mit Siro eine filmische Form zu geben.

Seit dem Tod ihres Ehemanns, des bekannten armenischen Schauspielers Berj Fazlian, lebt Siro allein in ihrer mit Erinnerungsstücken angefüllten Wohnung und widmet sich vorwiegend der Musik und der Malerei. Filmaufnahmen aus den Jahren vor 2019 verbinden sich im Film mit aufgezeichneten Telefonaten zwischen Siro und Dima und aktuellen Szenen aus Paris. Auf diese Weise entsteht ein dicht gewobenes Porträt des Lebens im Exil. Während Schnee fällt in Paris, berichtet Siro von warmen Tagen an der Mittelmeerküste und singt armenische Lieder. Sie schimpft auf die Dauerkrise im Libanon, doch ihrer Natur kann das nichts anhaben. Zum einen personifiziert Siro die legendäre libanesische Resilienz. Zum anderen repräsentiert sie für die Filmemacherin jenen Teil des Herzens, den Menschen im Exil zu Hause lassen. So wird „Conversations with Siro“ fast zwangsläufig auch zum Dialog der Regisseurin mit sich selbst.
Christoph Terhechte

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Regie
Dima El-Horr
Kamera
Dima El-Horr
Schnitt
Catherine Zins
Produktion
Paul Rognoni, Sabine Sidawi
Ton
Jean-Pierre Dussardier
Nominiert für: FIPRESCI Preis, Preis der Interreligiösen Jury
Internationaler Wettbewerb 2021
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May God Be with You Cléo Cohen
Die junge Französin Cléo Cohen in der Identitätskrise: Ist sie Jüdin? Araberin? Im Klaren scheinen sich selbst ihre Großeltern nicht. Cléo ringt um das Klare: intensiv, spielerisch.
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May God Be with You

Que Dieu te protège
Cléo Cohen
Internationaler Wettbewerb 2021
Dokumentarfilm
Frankreich
2021
77 Minuten
Französisch
Untertitel: 
Englisch, deutsche Untertitel für Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit

Die Regisseurin unternimmt den Versuch einer Selbstverortung. Denn in Cléo Cohen, einer jungen Französin, haben historische Erosionen in Gesellschaft und Politik zu einer Identitätskrise geführt. Ist sie Araberin? Jüdin? Mithilfe ihrer Großeltern, die allesamt als Juden aus dem Maghreb nach Frankreich emigrierten, ringt sie um Klärung. Die Befragungen sind spielerisch, aber bestimmt. Cléo weckt Erinnerungen, konfrontiert, sinniert in der Badewanne.

Ob sie „sedje“ sei, fähig zu heiraten, will sich Cléo bei ihrer Großmutter Flavie vergewissern. Diese reagiert ausweichend. Ihre Schwester wäre es in jedem Fall, findet Flavie. Und auch Cléo wisse ungefähr, wie man Dinge bewerkstelligt. Doch ganz überzeugt wirkt sie nicht. Cléo Cohen steckt mitten in einem Findungsprozess. Ihre Großeltern spielen eine Rolle dabei. Kamen die einen als algerische Juden nach Frankreich, übersiedelten die anderen aus dem Nachbarland Tunesien, ebenfalls als Juden. Cléo ist verwirrt. Die Muttersprache von Denise etwa ist Arabisch, sie beherrscht die arabische Küche, doch Araberin ist sie keine? Mit allen führt sie Gespräche, drängt sich forsch, aber herzlich in die Vergangenheit. Sie liest die Schriften von Albert Memmi, der als Sohn jüdischer Eltern unter der französischen Kolonialherrschaft in Tunis aufwuchs; sie hört den Song „Juifs arabes“ von Philippe Katerine. Sie reist nach Tunesien.
Carolin Weidner

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Regie
Cléo Cohen
Kamera
Cléo Cohen
Schnitt
Saskia Berthod
Produktion
Rebecca Houzel, Maria Knoch
Ton
Gilles Bénardeau
Musik
Patrick Bismuth
Filmvertrieb
Pascale Ramonda
Ausführende Produktion
Petit à Petit Production
Ausgezeichnet mit: Preis der Interreligiösen Jury
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Republic of Silence

Republic of Silence
Diana El Jeiroudi
Internationaler Wettbewerb 2021
Dokumentarfilm
Frankreich,
Deutschland,
Italien,
Katar,
Syrien
2021
183 Minuten
Arabisch,
Englisch,
Deutsch,
Kurdisch
Untertitel: 
Englisch

In der Berliner Wohnung herrscht Stille. Dass es im Kopf von Regisseurin Diana El Jeiroudi anders aussieht, daran lässt ihr Film, der mithilfe einer komplexen Montage den Zerfall Syriens sowie das Leben im Exil fasst, keine Zweifel. Zwischen Archivaufnahmen, losen Porträts von Vertrauten und einer intimen Perspektive, die sich mit der eigenen Position und Traumabewältigung auseinandersetzt, entsteht ein vielschichtiges Dokument.

„Das Böse hat einen sehr lauten und furchterregenden Klang“, stellt El Jeiroudi bereits als Kind fest. Das Aufwachsen in einem Land, geprägt von Überwachung und Militärparaden, hat Spuren hinterlassen. In „Republic of Silence“ versucht sie eine Art Aufarbeitung. Sie verdichtet altes Material, welches noch in Syrien entstand, mit einem schriftlichen Monolog sowie Geschichten von Personen, die im Zuge des Bürgerkriegs ebenfalls das Exil wählten. Das Ergebnis ist ein komplexer filmischer Raum, anhand dessen der politische wie gesellschaftliche Zerfall einer Nation sichtbar wird. Dabei konzentriert sich El Jeiroudi mehr und mehr auf das Zeigen einer Gegenwart außerhalb Syriens, das Leben in der Emigration. Über nächtliches Zähneknirschen ihres Ehemannes, Geburtstagsfeiern und Aufstörungen im internationalen Filmfestivalbetrieb erschließt sich ein Alltag zwischen Anspannung und Neuanfang.
Carolin Weidner

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Regie
Diana El Jeiroudi
Buch
Diana El Jeiroudi
Kamera
Sebastian Bäumler, Diana El Jeiroudi, Orwa Nyrabia, Guevara Namer
Schnitt
Katja Dringenberg, Diana El Jeiroudi
Produktion
Orwa Nyrabia, Diana El Jeiroudi
Co-Produktion
Camille Laemlé
Ton
Raphaël Girardot, Nathalie Vidal, Pascal Capitolin
Ausgezeichnet mit: Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts, Lobende Erwähnung (Internationaler Wettbewerb)
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Water Has No Borders

Tskals sazghvrebi ar akvs
Maradia Tsaava
Internationaler Wettbewerb 2021
Dokumentarfilm
Frankreich,
Georgien
2021
85 Minuten
Georgisch,
Russisch
Untertitel: 
Englisch

Seit Ende des Bürgerkriegs zu Beginn der 1990er Jahre agiert die Region Abchasien unabhängig von Georgien. Eine enorme Staumauer ist dadurch zur Grenze geworden. Doch das Wasserkraftwerk verbindet die beiden politischen Gebilde auch: Denn über eine Strecke von fünfzehn Kilometern fließt, im Untergrund, das Wasser frei von einer Seite zur anderen. Als eine junge Journalistin hier strandet, treten Geschichten der Teilung hervor.

Auf dem Rückweg von einer Reportagereise an den Staudamm bleibt das Auto der Regisseurin Maradia und ihres Kameramanns liegen. Ika nimmt sich ihrer an. Seit Jahrzehnten arbeitet der lebensfrohe Ingenieur – in Kooperation mit den Kollegen auf abchasischem Gebiet – an der Instandhaltung des Werks. Maradia, stellvertretend für eine ganze Generation von Georgiern, die den Sehnsuchtsort am Schwarzen Meer nur aus Erzählungen kennt, wird neugierig. Doch während die Arbeiter allmorgendlich den Bus nach drüben nehmen, scheitert das Filmteam an der Bürokratie. Mal um Mal wird ihnen das Passieren verwehrt. Für den Film erweist sich das als Glück: Denn im Warten auf die Erlaubnis, in der Kantine des Staudamms, in Autofahrten rund um den Fluss treten die Geschichten von Menschen in den Vordergrund, deren Alltag von der Abspaltung geprägt ist. Sie berichten von legalen und klandestinen Grenzübertritten, von Hochzeiten und Beerdigungen und vom Leben im Hier und Dort.
Marie Kloos

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Maradia Tsaava
Buch
Maradia Tsaava
Kamera
Nik Voigt
Schnitt
Maradia Tsaava, Anne Jochum, Jérôme Huguenin-Virchaux
Produktion
Mariam Chachia, Luciano Goor
Co-Produktion
Edith Farine
Ton
Geoffroy Garing, Paata Godziashvili
Internationaler Wettbewerb 2021
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Words of Negroes Sylvaine Dampierre
Eine Zuckerfabrik auf Guadeloupe als Bühne der Vergangenheit: Während Maschinen und Menschen Schwerstarbeit verrichten, tritt eine Gruppe von Sklaven in den Zeugenstand.
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Words of Negroes

Paroles de nègres
Sylvaine Dampierre
Internationaler Wettbewerb 2021
Dokumentarfilm
Frankreich
2020
78 Minuten
Französisch
Untertitel: 
Englisch, deutsche Untertitel für Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit

Auf Guadeloupe, einer Inselgruppe in der Karibik, ergreift die Vergangenheit das Wort. Sylvaine Dampierre lässt die Arbeiter einer alten Zuckerfabrik Passagen aus den Protokollen eines Gerichtsprozesses von 1842 verlesen, während im Hintergrund die Maschinen tosen und ächzen. Die Aussagen der Sklaven von damals in den rostigen Hallen von heute ergeben eine Vielstimmigkeit von gleichsam brisanter wie poetischer Qualität.

Die Zuckerfabrik „Grand Anse“ ist ein Ungeheuer ferner Zeit: Aus den Öfen speien die Flammen wie lange Zungen, überall Haufen, die an Knochen erinnern. Die Arbeiter schlagen sie mit Macheten in den Plantagen von Marie-Galante, einer winzigen Insel, die zum Archipel Guadeloupe gehört. Die langen Knochen, das Zuckerrohr, sind das Gerüst, das hier alles zusammenhält. Sylvaine Dampierre ist mittendrin, zeigt das Pulsieren der Fabrik und die schwere Arbeit, die in ihr verrichtet wird. Saisonkräfte kommen und gehen, die Männer organisieren ihr Tun selbst. Sie sind frei. Die eigenartige Bindung an Frankreich, dessen integraler Bestandteil das Überseegebiet ist, blitzt dennoch gelegentlich auf. In den Vordergrund aber stellt Dampierre die Aufzeichnungen einer fast zweihundert Jahre zurückliegenden Gerichtsverhandlung, in der Sklaven gegen ihren gewalttätigen Herren aussagten. Ein Akt der Selbstermächtigung, dessen Gestus die Regisseurin in Dialog mit der Gegenwart bringt.
Carolin Weidner

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Sylvaine Dampierre
Kamera
Renaud Personnaz
Schnitt
Sophie Reiter
Produktion
Sophie Salbot
Ausgezeichnet mit: FIPRESCI Preis