Filmarchiv

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Internationales Programm 2018
Eine Person liegt in einem Bällebad.
All Creatures Welcome Sandra Trostel

Kreativer Kopfsprung in die Hacker-Philosophie des CCC, die nicht die fortschreitende Digitalisierung des Lebens beklagt, sondern sich der Technologie bemächtigt, um das Leben zu verbessern.

Eine Person liegt in einem Bällebad.

All Creatures Welcome

Dokumentarfilm
Deutschland
2018
87 Minuten
Untertitel: 
deutsche
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Sandra Trostel
Regie
Sandra Trostel
Musik
Thies Mynther
Kamera
Sandra Trostel, Lilli Thalgott
Schnitt
Sandra Trostel
Animation
Jon Frickey
Buch
Sandra Trostel, Thies Mynther
Ton
Jonas Hummel
Bildung DOK Leipzig Logo

Dokumentarfilm über den Chaos Computer Club und die Themen Datenschutz, Überwachung und Demokratie 

Altersempfehlung: ab 14 Jahre
Klassenstufen: ab 9. Klasse 

Themen: Internet, Computer, Digitalisierung, Demokratie, Utopie, Fantasie, Idealismus, Meinungs- und Pressefreiheit, Diversität 
Lehrplanbezüge: Politik und Medien, Digitalisierung, Datenschutz
Unterrichtsfächer: Informatik, Gemeinschaftskunde, Politik, Ethik, Religion, Deutsch, Geschichte, Musik, Kunst

Zum Inhalt

Der Chaos Computer Club (CCC) ist weit mehr als eine Vereinigung von Nerds und Hackern. Seit seiner Gründung vor mehr als 30 Jahren agiert der CCC als Vermittler im Spannungsfeld technischer und sozialer Entwicklungen. Inzwischen wird sogar die Bundesregierung in Digitalisierungsfragen vom CCC beraten. Längst sind die Aktivisten zu anerkannten Experten für Themen wie Datenschutz, Netzneutralität, Zensur und Massenüberwachung geworden.

Immer wieder weist der CCC darauf hin, wie unverzichtbar es ist, die Digitalisierung aller Lebensbereiche kritisch zu begleiten und ihre Folgen – seien sie intendiert oder nicht – zu reflektieren. Zentraler Grundsatz des Chaos Computer Clubs ist die Freiheit von Wissen und Information auf der Basis demokratischer Entscheidungen. Jedes Jahr organisiert der CCC diverse Arbeitscamps und internationale Kongresse, um für ein paar Tage die Utopie einer radikal demokratischen Welt ohne Wissensgrenzen Wirklichkeit werden zu lassen. Seit 2017 findet der jährliche Kongress in Leipzig statt. Die Tickets sind immer Monate vorher ausverkauft.

Der vorliegende Dokumentarfilm ist ein verspielter und höchst informativer Versuch, die anarchische Vielfalt der Lebensformen zu beschreiben, die sich in den Hacker-Camps oder auf den Kongressen trifft. Wir blicken den Nerds, politischen Aktivistinnen und Aktivisten und „anderen galaktischen Lebensformen“ über die Schulter und erleben – ergänzt durch kurze
Animationssequenzen – was es heißt, die Gesellschaft nicht als gegebene Tatsache, sondern als gestaltbares Material zu betrachten, das es zu „hacken“ gilt. Ohne Glorifizierung, dafür mit viel Sinn für die inneren Widersprüche zeichnet der Film das Bild einer sehr eigenen (Sub-)Kultur, deren Themen längst zum Mainstream geworden sind.

Ein verspielter und höchst informativer Versuch, die anarchische Vielfalt der Wesenheiten zu beschreiben, die sich unter dem Schirm von Europas größter Hacker-Vereinigung, dem Chaos Computer Club, regelmäßig in Camps oder auf internationalen Kongressen trifft. Sandra Trostel blickt Nerds, politischen Aktivistinnen und Aktivisten, Makern und „anderen galaktischen Lebensformen“ über die Schulter und zeigt, ergänzt durch kurze Animationssequenzen, was es heißt, die Gesellschaft nicht als gegebene Tatsache, sondern als gestaltbares Material zu betrachten, die es zu „hacken“ gilt. Ohne Glorifizierung, dafür mit viel Sinn für die inneren Widersprüche zeichnet der Film das Bild einer sehr eigenen (Sub-)Kultur, deren Themen längst zum Mainstream geworden sind.



Luc-Carolin Ziemann





Nominiert für den Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts


Spotlight on: Docudays UA 2022 2022
Filmstill Boney Piles
Boney Piles Taras Tomenko
2014 zerstörten russische Separatisten im ostukrainische Torezk Häuser und Familien. Nach der Kohle grub sich der Krieg in Landschaft und Alltag ein – und wurde zur Normalität.
Filmstill Boney Piles

Boney Piles

Terykony
Taras Tomenko
Spotlight on: Docudays UA 2022 2022
Dokumentarfilm
Ukraine
2022
80 Minuten
Ukrainisch,
Russisch
Untertitel: 
Englisch

Torezk in der Ostukraine ist gezeichnet vom Niedergang der Kohleindustrie: Brachen, Schutt, Schrott. 2014 brachten russische Separatisten den Krieg in die Gegend, zerstörten Häuser und Familien, auch die von Nastja. Das Mädchen und ihre Freunde, alle an der Schwelle zum Erwachsenwerden, nehmen die unter Bedrohung und Depression verwahrlosenden Stadtränder als Normalität hin. Taras Tomenko beobachtet ihre kleinen getanzten oder gesungenen Fluchten, ihre Selbstvergessenheiten, manchmal auch ihre Tränen.

Sylvia Görke

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Taras Tomenko
Kamera
Misha Lubarskyi
Schnitt
Viktor Malyarenko
Produktion
Volodymyr Filippov, Andriy Suyarko, Alla Ovsyannikova
Ton
Olha Havrylenko, Volodymyr Tretiakov
Musik
Alla Zagaykevych
Nominiert für: MDR-Filmpreis
Zwei tätowierte Hände mit dunkel lackierten Fingernägeln tippen auf einer Computertastatur.

Exit

Dokumentarfilm
Deutschland,
Norwegen,
Schweden
2018
80 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Eirin Gjørv
Regie
Karen Winther
Musik
Michel Wenzer
Kamera
Peter Ask
Schnitt
Robert Stengård
Buch
Karen Winther
Ton
Yvonne Stenberg, Gisle Tveito
Bildung DOK Leipzig Logo

Dokumentarfilm über Wege aus dem Extremismus

 

Altersempfehlung: ab 14 Jahre
Klassenstufen: ab 9. Klasse

Themen: Extremismus, Rassismus, Gewalt, Schuld, Neuanfang, Ausstieg
Unterrichtsfächer: Gemeinschaftskunde, Religion, Ethik, Politik, Deutsch, Philosophie

 

Zum Inhalt

Als Karen Winther wegen eines Umzugs alte Kisten in die Hände fallen, ist sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Gleich obenauf liegen Aufkleber mit Hakenkreuzen, daneben eine Kassette mit der Aufschrift „Blitz“ und „Hits“, einiges anderes Material mit Reichsadlern. Vor zwanzig Jahren schloss sie sich einer rechtsextremistischen Organisation in Norwegen an, suchte dort das Abenteuer und Gleichgesinnte. Heute schämt sie sich für dieses Material und für das, wofür es steht: ihre Zeit als Rechtsextreme. „Exit“ ist Karen Winthers Weg, die eigene Geschichte zu verstehen und ein Stück weit Frieden mit sich selbst zu schließen. Sie macht sich auf die Suche nach Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. In den USA trifft sie mehrere Frauen, die jahrelang in der rechten Szene aktiv waren und sich heute gegenseitig unterstützen. Mit Sören, einem ehemaligen Linksextremisten aus Schweden unterhält sie sich darüber, was es heißt, die eigene Meinung mit Gewalt durchzusetzen. In Deutschland besucht sie Ingo Hasselbach, „The Führer of Berlin“, von
dessen Ausstieg aus der ostdeutschen Neonazi-Szene der Wendejahre Winfried Bonengels Film „Führer Ex“ handelt. In Paris lernt sie den ehemaligen Dschihadisten David kennen, der mit den Attentätern der ersten Terroranschläge in Frankreich bekannt war und während seines Gefängnisaufenthalts den Absprung aus der Dschihadisten-Gemeinschaft geschafft hat. Winther interessiert sich vor allem dafür, was ihren Gesprächspartner/innen als Weckruf diente, Gewalt und Radikalismus hinter sich zu lassen. Was gab bei jedem Einzelnen den Ausschlag zum Ausstieg?

Als Karen Winther wegen eines Umzugs alte Kisten in die Hände fallen, ist sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Gleich obenauf liegen Aufkleber mit Hakenkreuzen, daneben eine Kassette mit der Aufschrift „Blitz“ und „Hits“, einiges anderes Material mit Reichsadlern. Vor zwanzig Jahren schloss sie sich einer rechtsextremistischen Organisation in Norwegen an, suchte dort das Abenteuer und Gleichgesinnte. „It‘s embarrassing to look at“, spricht sie im Off-Kommentar. „Exit“ ist ihr Film, ihre Geschichte und doch weist die Handlung schnell in andere Richtungen, bleibt nicht im eigenen Gefüge verhaftet. Winther reist in die USA, um Frauen zu treffen, die sich ebenfalls im rechtsextremen Milieu bewegten. Sie sitzt mit einem ehemaligen linksextremen Aktivisten im Auto und unterhält sich über eine prägende Begegnung, viele Jahre zuvor. Sie lernt Ingo Hasselbach, „The Führer of Berlin“, kennen, von dessen Ausstieg aus der ostdeutschen Neonazi-Szene der Wendejahre Winfried Bonengels Film „Führer Ex“ handelt. Und sie kommt mit einem Ex-Dschihadisten zusammen, der seine Strafe in einem Pariser Gefängnis abgesessen hat. Neben überraschend verbindenden Motivationen und Erfahrungen teilen alle Schwierigkeiten, die mit ihren „Exits“ zusammenhängen, Schuldgefühle, aber auch Gefährdungen seitens noch aktiver Mitglieder.



Carolin Weidner





Ausgezeichnet mit dem Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts, mit dem Young Eyes Film Award und dem Gedanken-Aufschluss-Preis der Jury aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen Strafgefangenen der JSA Regis-Breitingen


Spotlight on: Docudays UA 2022 2022
Filmstill Infinity According to Florian
Infinity According to Florian Oleksiy Radynski
Das brisanteste Thema im Vorkriegs-Kyjiw: die Macht der Bauunternehmer. Florian Jurjews Architekturvisionen, kontrastiert mit der Sturheit eines Geschäftsmannes à la Donald Trump.
Filmstill Infinity According to Florian

Infinity According to Florian

Neskinchennist’ za Florianom
Oleksiy Radynski
Spotlight on: Docudays UA 2022 2022
Dokumentarfilm
Ukraine
2022
70 Minuten
Ukrainisch,
Russisch
Untertitel: 
Englisch

Das brisanteste Thema im Vorkriegs-Kyjiw: die Macht der Bauunternehmer. Oleksiy Radynski erforscht den Gegensatz zwischen einem Architekten, der eines der bedeutendsten Gebäude in Kyjiw entwarf, und dem kapitalistischen Zynismus, der die Einzigartigkeit der Stadt ruiniert. Florian Jurjews Philosophie der Sterblichkeit einer Galaxie, der „schönen Null“, zu der wir alle zurückkehren werden, kontrastiert mit der lächerlichen und gefährlichen Sturheit eines Geschäftsmannes à la Donald Trump.

Daria Badior

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Oleksiy Radynski
Kamera
Max Savchenko
Schnitt
Mykola Bazarkin
Produktion
Lyuba Knorozok
Ton
Andriy Borysenko, Oleksandr Konoval
Musik
Andriy Borysenko
Filmvertrieb
Clementine Engler
Nominiert für: MDR-Filmpreis
Spotlight on: Docudays UA 2022 2022
Filmstill Mountains and Heaven in Between
Mountains and Heaven in Between Dmytro Hreshko
Vier Sanitäter gehen in einem Bergdorf zu Beginn der Covid-Pandemie von Haus zu Haus. Sie bilden den emotionalen Kern dieses kaleidoskopischen Blicks auf Geschichten und Tragödien.
Filmstill Mountains and Heaven in Between

Mountains and Heaven in Between

Mizh nebom ta goramy
Dmytro Hreshko
Spotlight on: Docudays UA 2022 2022
Dokumentarfilm
Ukraine
2021
70 Minuten
Ukrainisch
Untertitel: 
Englisch

Vier Sanitäter gehen in einem abgelegenen Bergdorf zu Beginn der Covid-Pandemie von einem Haus zum anderen, von Messungen zu Diagnosen, von müden älteren Frauen zu betrunkenen Männern mittleren Alters. Hreshko beobachtet sie genau: Sie werden getauft, verheiratet, beerdigt. Doch das Ambulanzteam bleibt das gleiche, macht seine Arbeit und bildet schließlich den emotionalen Kern dieses kaleidoskopischen Blicks auf die Geschichten und Tragödien der Menschen.

Daria Badior

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Dmytro Hreshko
Kamera
Dmytro Hreshko
Schnitt
Viktor Malyarenko, Dmytro Hreshko
Produktion
Polina Herman
Ton
Volodymyr Tret’yakov, Volodymyr Shchobak
Nominiert für: MDR-Filmpreis
Spotlight on: Docudays UA 2022 2022
Filmstill Plai. A Mountain Path
Plai. A Mountain Path Eva Dzhyshyashvili
Eine Familie, die in den Bergen täglichen Ritualen nachgeht, unbehelligt von der Außenwelt. Doch auch dieses vermeintlich ruhige Leben ist vom Krieg in der Ostukraine bestimmt.
Filmstill Plai. A Mountain Path

Plai. A Mountain Path

Plai
Eva Dzhyshyashvili
Spotlight on: Docudays UA 2022 2022
Dokumentarfilm
Ukraine
2021
75 Minuten
Ukrainisch
Untertitel: 
Englisch

Eva Dzhyshyashvili zeigt uns eine Familie, die in den Bergen ihren täglichen Ritualen nachgeht. Auf den ersten Blick ist dieses Leben einfach und ruhig, unbehelligt von der Außenwelt. Doch als sich der Blick weitet, sehen wir, dass der Großvater in der Ostukraine verwundet wurde, und hören unzählige Gespräche über diesen Krieg. Das Gefühl, dass es keinen Ort gibt, an dem man sich vor der militärischen Aggression verstecken kann, ist unübersehbar. Aber das Ende gibt einen Funken Hoffnung.

Daria Badior

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Eva Dzhyshyashvili
Kamera
Eva Dzhyshyashvili
Schnitt
Eva Dzhyshyashvili
Produktion
Oksana Ivanyuk
Ton
Andrii Rohachov
Musik
Erik Shved
Nominiert für: MDR-Filmpreis
Filmstill Pryvoz

Pryvoz

Pryvoz
Eva Neymann
Spotlight on: Docudays UA 2022 2022
Dokumentarfilm
Ukraine
2021
72 Minuten
Ukrainisch
Untertitel: 
Englisch

Eine sentimentale Reise über den größten Markt von Odesa. Um den Prywos ranken sich Mythen. Er wird in Liedern und Büchern erwähnt, ist Herz dieser verwirrenden Stadt mit komplizierter Geschichte. Neymann betrachtet die dort Wohnenden mit Empathie: verlorene Seelen in den Körpern von Menschen, Hunden oder Katzen. Der Opernsoundtrack verleiht dem alten, lebendigen Prywos ein Gefühl von Untergang, das Realität werden wird. Seit Februar 2022 steht Odesa unter russischem Beschuss.

Daria Badior

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Eva Neymann
Kamera
Eva Neymann, Saša Oreškovic
Schnitt
Pavel Zalesov
Produktion
Gennady Kofman, Olga Beskhmelnytsina
Ton
Valentyn Pynchuk, Ivo Heger
Nominiert für: MDR-Filmpreis
Internationales Programm 2017
Eine ältere Frau sitzt in einem Sessel, sie zeigt sich an den Hals.
Über Leben in Demmin Martin Farkas

Der Demminer Massensuizid im Frühjahr 1945 ist noch immer ein Politikum. Pünktlich zum Tag der deutschen Kapitulation marschieren die Rechten. Eine filmische Inventur.

Eine ältere Frau sitzt in einem Sessel, sie zeigt sich an den Hals.

Über Leben in Demmin

Dokumentarfilm
Deutschland
2017
90 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Annekatrin Hendel
Regie
Martin Farkas
Musik
Mathis Nitschke
Kamera
Roman Schauerte, Martin Farkas, Martin Langner
Schnitt
Jörg Hauschild, Catrin Vogt
Buch
Martin Farkas
Ton
Moritz Springer, Urs Krüger

„Es sind ja keine schönen Erinnerungen, keine lustigen Erinnerungen. Und eigentlich hat man die Zeit ja begraben.“ Zwischen dem 30. April und dem 4. Mai 1945 kommt es in der pommerschen Kleinstadt Demmin zu einem Massensuizid mehrerer Hundert Zivilisten. Zwischen ideologischer Leere und der Angst vor der Roten Armee ist Verzweiflung. Ganze Familien gehen ins Wasser, erhängen oder vergiften sich. Den alten Demminern, die Martin Farkas besucht, ist die Nervosität noch immer anzumerken: Kaum eine Hand bleibt während des Gesprächs ruhig – man reibt sie am Rock oder zippelt irgendwo anders herum. Ein Bewohner schildert die Vollkommenheit der Stadt vor dem Krieg und die „Flickschusterei“, die nach seinem Ende eingesetzt habe und bis heute andauere. „Flickschusterei“ wiederum ist kein schlechter Begriff für das, was in Demmin geschieht und wofür Farkas in seinem Film nach Bildern sucht. Da sind die Rechten, welche die Folgen der Massenhysterie als Anlass für einen jährlichen Trauermarsch am 8. Mai, dem Tag der deutschen Kapitulation, missbrauchen. Da stehen die Bürger Demmins, die sich teils angewidert, teils desinteressiert abwenden. Da gibt es Gegendemonstranten und einige Zeitzeugen, die nach mehr als 70 Jahren zum ersten Mal über ihre Erinnerungen sprechen.



Carolin Weidner


Internationales Programm 2014
Ein Weg aus Pflastersteinen zwischen zwei Reihen aus Wohncontainern.
Willkommen auf Deutsch Hauke Wendler, Carsten Rau

Zwei gutsituierte norddeutsche Gemeinden sollen Asylbewerber aufnehmen: Während einige den Fremden helfen, gründen sich Bürgerinitiativen dagegen. Gruselige Provinzposse.

Ein Weg aus Pflastersteinen zwischen zwei Reihen aus Wohncontainern.

Willkommen auf Deutsch

Dokumentarfilm
Deutschland
2014
89 Minuten
Untertitel: 
deutsche
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Hauke Wendler, Carsten Rau
Regie
Hauke Wendler, Carsten Rau
Musik
Sabine Worthmann
Kamera
Boris Mahlau
Schnitt
Stephan Haase
Buch
Hauke Wendler, Carsten Rau
Ton
Torsten Reimers, Detlev Meyer
Bildung DOK Leipzig Logo

Altersempfehlung: ab 14 Jahren 
Klassenstufen: 9-13

Themen: Integration, Flüchtlinge, Rassismus, Fremde Kulturen, Heimat, Vorurteile 
Unterrichtsfächer: Gemeinschaftskunde/Sozialkunde, Politik, Geschichte, Philosophie, Ethik/Religion

Zum Inhalt

Willkommen auf Deutsch zeigt, was passiert, wenn in der Nachbarschaft plötzlich Asylbewerber einziehen. Der Film wirft dabei die Frage auf, was einem nachhaltigen Wandel der Asyl- und Flüchtlingspolitik tatsächlich im Wege steht. 

Der Dokumentarfilm Willkommen auf Deutsch zeigt die Probleme, die durch die stetig wachsenden Flüchtlingszahlen entstehen und setzt bei den Menschen, ihren Sorgen und Vorurteilen an. Dabei fokussiert der Film keinen Brennpunkt wie Berlin Hellersdorf, sondern bewegt sich in der bürgerlichen Mitte Westdeutschlands: Im Landkreis Harburg, der sich zwischen der Lüneburger Heide und Hamburg erstreckt. 240.000 Einwohner, Backsteinhäuser, Weideland – hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Doch jetzt leben traumatisierte Flüchtlinge neben Dorfbewohnern, die sich angesichts der neuen Nachbarn um ihre Töchter und den Verkaufswert ihrer Eigenheime sorgen. Junge Männer, die Krieg, Armut und Perspektivlosigkeit entfliehen wollten, sollen in einem 400-Seelen-Dorf untergebracht werden, das weder Bäcker noch Supermarkt hat. Was passiert, wenn Menschen aufeinander prallen, die sich fremd sind?

Über einen Zeitraum von fast einem Jahr begleitet der Film Flüchtlinge, Anwohner sowie den Bereichsleiter der überlasteten Landkreisverwaltung – stellvertretend für die 295 Landkreise bundesweit. 

Willkommen auf Deutsch ist kontrovers, sehr emotional und auch amüsant und zeigt, dass die Situation schwierig, aber nicht hoffnungslos ist.

„Willkommenskultur“ könnte das neue euphemistische Unwort des Jahres werden. Es zieht sich durch diesen Film, der über einen längeren Zeitraum verfolgt, was passiert, wenn zwei gutsituierte norddeutsche Gemeinden Asylbewerber aufnehmen sollen. Da sind die Bürger in ihren Reihenhäusern, die ihre Töchter nicht mehr auf die Straße lassen können, wenn der Weltuntergang in Form von 53 Flüchtlingen (im schlimmsten Fall Schwarze) bevorsteht. Flugs gründen sich Bürgerinitiativen, um das Unheil juristisch abzuwenden. Da ist der Gastwirt, der vorgeblich selbstlos seine leerstehenden Gästezimmer anbietet, was als „sozialverträgliche“ Variante präsentiert wird. Da ist die Verwaltung, die verzweifelt nach Unterkünften sucht, um Akzeptanz dafür ringt, schließlich Container aufstellt und sich zufrieden auf die Schulter klopft. Sie alle können nicht oft genug betonen, wie willkommen die Fremden ihnen grundsätzlich sind (nur nicht so viele, nur nicht bei uns). Und da sind die Fremden selbst, die am Ende einer Odyssee traumatisiert auf eine neue Heimat hoffen. Wendler und Rau zeigen einen Alltagsrassismus, der nicht in Springerstiefeln, sondern im Gewand der Nächstenliebe und Demokratie daherkommt – aber auch Menschen, die bei Flüchtlingskindern übernachten, als deren Mutter ins Krankenhaus muss. Und wie der Wirt am Ende Schnitzel mit den Albanern brät – mitten in der deutschen Provinz.



Grit Lemke