Filmarchiv

Jahr

Sections (Film Archive)

Filmstill Suzanne from Day to Day

Suzanne from Day to Day

Suzanne jour après jour
Stéphane Manchematin, Serge Steyer
Internationaler Wettbewerb Dokumentarfilm 2023
Dokumentarfilm
Frankreich
2023
88 Minuten
Französisch
Untertitel: 
Englisch

Ein Jahr lang, über alle vier Jahreszeiten hinweg, begeben sich Stéphane Manchematin und Serge Steyer immer wieder in die Vogesen. Hier wohnt Suzanne, eine inzwischen auf mehr als neun Dekaden Leben zurückblickende Dame, die stoisch an der Selbstversorgung in ihrem Geburtshaus festhält. Der Ort lässt jeglichen Komfort vermissen, weder Strom- noch Wasseranschluss helfen beim Kochen oder Heizen. Dennoch fehlt es Suzanne an nichts: Sinkt die Innentemperatur im Winter in den einstelligen Bereich, nimmt sie schlicht eine Wärmflasche mit ins Bett und schichtet eine zusätzliche Decke über sich. Im Bad plätschert das Wasser verlässlich aus einer Rinne, und fällt das Licht auf die umstehenden Glaskaraffen, tanzt es alsbald durch den Raum.

Manchematin und Steyer verstehen es, alltägliche Prozeduren und Gegebenheiten sehr wachsam und feinfühlig in Szene zu setzen – ihr Film mäandert so beiläufig wie konzentriert. Und auch Suzanne ist mehr und mehr nahezukommen. Schon nach kurzer Zeit entwickelt man einen Sinn für ihre Gepflogenheiten, registriert amüsiert ihre ewige Zwirbelei an der Telefonstrippe oder identifiziert eine doch recht forsche Person hinterm Steuer. Das alles geschieht ohne Verklärung oder Kitsch. Vielmehr ist die Beobachtung von reichlich lakonischer Weisheit geprägt.

Carolin Weidner

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Stéphane Manchematin, Serge Steyer
Kamera
Gautier Gumpper, Philippe Viladecas
Schnitt
Stéphane Manchematin, Serge Steyer
Produktion
Sylvie Plunian, Milana Christitch
Ton
Stéphane Manchematin, Marc Namblard
Sound Design
Lionel Thiriet
Nominiert für: FIPRESCI Preis, Preis der Interreligiösen Jury
Filmstill Tale of the Three Flames

Tale of the Three Flames

As três chamas
Juliette Menthonnex
Internationaler Wettbewerb Dokumentarfilm 2023
Dokumentarfilm
Portugal,
Ungarn,
Belgien,
Schweiz
2023
21 Minuten
Portugiesisch (Portugal),
Spanisch,
Niederländisch
Untertitel: 
Englisch

„Bis nächstes Jahr!“, sagt ein portugiesischer Feuerwächter, der seine Kontrollgeräte zum Saisonende abbaut. In Südeuropa sind Mensch und Natur an Waldbrände zwar gewöhnt, doch es ändert nichts am Sachverhalt: Ursache der immer mächtigeren Feuersbrünste ist der Klimawandel. Wir leben längst im Zeitalter des Feuers.

Im Landesinneren Portugals hat gerade ein Waldbrand eine große Fläche komplett zerstört. Die verletzte Natur steht schweigend da, kein einziger Vogel ist mehr zu hören, nur der Wind, der die verkohlten Baumstämme leicht rascheln lässt. Doch die Vegetation erholt sich erstaunlich schnell. Wo scheinbar kein Leben mehr ist, sprießt alsbald das Grün aus den Baumruinen. Die Anwohnenden der betroffenen Region engagieren sich beim Wiederaufbau mit viel Respekt gegenüber ihrer natürlichen Umgebung. Denn auch Pflanzen sind fühlende Wesen. In ruhigen, fast melancholischen, aber auch hoffnungsvollen Bildern würdigt der Film die Kraft der Bäume und verdeutlicht, wie essenziell es wäre, dass die Menschheit wieder lernte, im Einklang mit der Natur zu leben.

Annina Wettstein

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Juliette Menthonnex
Kamera
Ilona Szekeres, Sergio da Costa
Schnitt
Antoine Flahaut, Juliette Menthonnex
Produktion
Véronique Vergari, Victor Candeias, Agnès Boutruche
Ton
Juliette Menthonnex
Sound Design
Yatoni Roy Cantu
Filmstill The Wages of John Pernia

The Wages of John Pernia

The Wages of John Pernia
Ben Young
Internationaler Wettbewerb Dokumentarfilm 2023
Dokumentarfilm
UK
2023
8 Minuten
Englisch
Untertitel: 
Deutsch

Bevor die Fotografie und der Film erfunden wurden und den „Wilden Westen“ konstruierten, starb der berühmte Entdecker Meriwether Lewis, dessen Reisen eine Expansion der jungen USA nach Westen ermöglichten, unter mysteriösen Umständen. Der heutige Erzähler des Films, ein entfernter Nachfahre, macht ihn zum tragischen Helden einer spekulativen schwulen Liebesgeschichte. Der mögliche Liebhaber, Meriwethers Angestellter John Pernia, ein „Louisiana Creole“, ist historisch verbürgt. Doch das Archivmaterial, das die weiße Folklore der sogenannten Pionierzeit begünstigte, legt keine Fährte zu dieser Romanze.

Ben Young verwildert die frühen Westernbilder und queert die nationalistische Geschichtsschreibung aus der Perspektive von Menschen, die in den ruhmreichen Erzählungen fehlen und deren ursprünglich freier Raum durch die Siedlerbewegung und ihre anschließende Legendenbildung besetzt wurde. Er rehabilitiert John und Meriwether, das undokumentierte Liebespaar, mithilfe von assoziativer Montage und Gossip als die eigentlichen Pioniere. Und die haben mit den USA noch eine Rechnung offen.

Jan Künemund

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Ben Young
Buch
Ben Young
Schnitt
Theo Watkins
Produktion
Ben Young
Ton
Andrew Ludbrook
Sound Design
Theo Watkins, Andrew Ludbrook
Musik
Blessed are the Hearts that Bend
Filmstill Three Windows on South West

Three Windows on South West

Three Windows on South West
Mariia Ponomarova
Internationaler Wettbewerb Dokumentarfilm 2023
Dokumentarfilm
Ukraine,
Niederlande
2023
8 Minuten
Ukrainisch,
Russisch
Untertitel: 
Englisch

2002 ist die Filmemacherin in ein Apartment im 15. Stock eines Hochhauses in Kyjiw eingezogen. Sie war damals zwölf. Heute, aus der sicheren Entfernung eines anderen Landes, spricht sie mit Menschen, die sich an die Wohnung und die gemeinsam verbrachte Zeit erinnern. Coming-of-Age, die Liebe zum Kino, ein Gemeinschaftsgefühl und die erotische Aufladung einzelner Momente verbinden sich zu einem Bild vermisster Heimat und Intimität. Mit jeder Erinnerung wird das Standbild, das wir sehen, ein Stück weiter befragt: drei Fenster nach Südwesten, ein Balkon nach Südosten, ein vor Blicken geschütztes Dach, ein Hochhauspanorama. Der warme persönliche Blick auf Himmel und Häuser von Kyjiw spiegelt sich in der kühlen Aufmerksamkeit der internationalen Kriegsberichterstattung.

Jan Künemund

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Regie
Mariia Ponomarova
Buch
Mariia Ponomarova
Schnitt
Mariia Ponomarova
Produktion
Mariia Ponomarova
Sound Design
Sergio González Cuervo
Filmvertrieb
Lucila Riggio
-
Oleksii Isakov
Filmstill Universe Department Store

Universe Department Store

Yunibeoseu
Taewoong Won
Internationaler Wettbewerb Dokumentarfilm 2023
Dokumentarfilm
Südkorea
2022
80 Minuten
Koreanisch
Untertitel: 
Englisch

Unserer Erinnerung ist nicht zu trauen. Sie ist verwoben mit Wunschvorstellungen, Träumen, Verklärungen oder Verdrängungen, überlagert oder ersetzt durch aufgeschnappte Bilder. Wer sich seiner Geschichte vergewissern will, sucht vielleicht die Orte der Kindheit oder Jugend auf, um eine Reise in die Vergangenheit anzutreten. Was aber, wenn diese Orte längst verschwunden sind, sich ihrerseits als so flüchtig erweisen wie die Erinnerung daran?

Regisseur Won Taewoong wurde 1981 geboren, in einer Zeit, als die im Bürgerkrieg weitgehend zerstörte Stadt Seoul eine rasante Entwicklung durchlief. Unter der südkoreanischen Militärdiktatur verwandelten sich Reisfelder in Geschäfts- und Wohnviertel, es entstanden mehrgeschossige Kaufhäuser mit langen Rolltreppen und Attraktionen für Kinder. Vor dem Universe Department Store in Cheonho-dong am östlichen Stadtrand war eine Raumfähre aufgebaut, die die kindliche Fantasie ins Kraut schießen ließ. Doch während die Modernisierung weiter an Tempo zulegte, schlossen die meisten dieser Häuser schon nach wenigen Jahren. „Universe Department Store“ versucht sich an einer Rekonstruktion. In Gesprächen mit Gleichaltrigen, deren Erinnerungen oft enorme Diskrepanzen aufweisen, und in Hypnosesitzungen geht der Regisseur dem Gedächtnis auf den Grund. Zwischen Fakten und Vorstellungen entdeckt er ein schillerndes Universum.

Christoph Terhechte

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Taewoong Won
Kamera
Taewoong Won, Suyu Lee
Schnitt
Taewoong Won
Produktion
Il-kwon Kim
Ton
Suhyun Kim
Sound Design
Jiyoon Lee, Sungyui Lee
Musik
Minkook Kang
Animation
Taewoong Won
Filmvertrieb
Sol ah Jin
Ausgezeichnet mit: FIPRESCI Preis
Filmstill Where Zebus Speak French

Where Zebus Speak French

Sitabaomba
Nantenaina Lova
Internationaler Wettbewerb Dokumentarfilm 2023
Dokumentarfilm
Burkina Faso,
Frankreich,
Deutschland,
Madagaskar
2023
103 Minuten
Französisch,
Madagassisch
Untertitel: 
Englisch

Ob Bauer Ly etwas mit den Chinesen zu tun habe, die sich neuerdings an der Infrastruktur des Dorfes Sitabaomba, unweit der madagassischen Hauptstadt Antananarivo, zu schaffen machen, fragt Regisseur Nantenaina Lova so unverblümt wie verschmitzt. Ly verneint. Dass die verschiedenen Entwicklungsmaßnahmen, häufig eingeleitet von ausländischen Initiativen und befeuert durch korrumpierte Politik, jedoch auch ihn betreffen, wird im Verlauf von „Where Zebus Speak French“ immer klarer.

Fokussiert auf Sitabaomba, zeigt Lova über mehrere Jahre hinweg den Versuch der Dorfbevölkerung, ihr Ackerland zu verteidigen. Ihr Kampf erinnert an den von David gegen Goliat, führt jedoch nicht zu Verzagtheit. Denn in Madagaskar wird seit jeher auch eine sehr eigenständige Form des künstlerischen Ausdrucks, insbesondere des sprachlichen, gepflegt, der es im besten Fall vermag, eine innere Unabhängigkeit zu bewahren. So liefert den Kommentar zum Geschehen eine Stimme im Stil der „Kabary“. Diese höfliche, rhetorisch ausgefeilte und bisweilen spöttische Rede umschifft direkte Kritik elegant und trägt sie damit umso deutlicher vor. Auch ein Künstler besucht wiederholt das Dorf, bringt mit Kindern Steine zum Sprechen und festigt so eine Haltung, die Nantenaina Lova selbst folgendermaßen beschreibt: „Über Ungerechtigkeit lachen, statt zu weinen, Widerstand leisten, statt sich zu bemitleiden.“

Carolin Weidner

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Nantenaina Lova
Buch
Nantenaina Lova, Eva Lova-Bély
Kamera
Nantenaina Lova, Nantenaina Fifaliana
Schnitt
Nantenaina Lova, Emmanuel Roy
Produktion
Eva Lova-Bély, Candy Radifera
Co-Produktion
Nicole Gehards, Nina Fernandez, Michel Zongo
Ton
Jonathan Narlysh Rafidiarison, Nantenaina Fifaliana
Sound Design
Julien Verstraete
Musik
Various Malagasy Music Bands
Animation
Herizo Ramilijaonina
Sprecher*in
Claudia Tagbo
Ausgezeichnet mit: Filmpreis Leipziger Ring
Hommage Peter Mettler 2023
Filmstill While the Green Grass Grows
While the Green Grass Grows Peter Mettler
Was erkennen wir, wenn wir auf unser Leben zurückblicken, auf den Lebenszyklus und den konstanten Wandel der Welt? Ist das Gras auf der anderen Seite tatsächlich immer grüner?
Filmstill While the Green Grass Grows

While the Green Grass Grows

While the Green Grass Grows
Peter Mettler
Hommage Peter Mettler 2023
Dokumentarfilm
Kanada,
Schweiz
2023
166 Minuten
Englisch
Untertitel: 
Deutsch

Ein Film, der uns Achtsamkeit lehrt. In seinem audiovisuellen Tagebuch nimmt der preisgekrönte schweizerisch-kanadische Filmemacher Peter Mettler Abschied von seiner Mutter und von seinem Vater. Der Film geht jedoch weit über eine persönliche Trauerarbeit hinaus. In einer stets dialogisch ausgerichteten Suchbewegung über den Lebenszyklus denkt er über das Diesseits und das Jenseits, über das Sein und die Zeit nach. Es ist ein ewiger Kreislauf und ein Fließen – wie das fortwährende Vorbeiziehen von Wolken und Flüssen.

Visuell und inhaltlich schöpft Peter Mettler aus persönlichen Gesprächen, aus philosophischen und spirituellen Texten wie auch aus seinem eigenen Film- und Soundarchiv. Sein Zugang ist geprägt von Offenheit und Demut gegenüber dem Leben und der Natur. Diese aufmerksame Haltung charakterisiert die Auffassung des Regisseurs vom „Filme Machen“ per se, die sein ganzes Werk bestimmt. „While the Green Grass Grows“ umfasst zwei Teile eines größer angelegten epischen Tagebuchprojekts mit gleichnamigem Titel.

Annina Wettstein

Credits DOK Leipzig Logo

Regie
Peter Mettler
Buch
Peter Mettler
Kamera
Peter Mettler
Schnitt
Jordan Kawai, Peter Mettler
Produktion
Cornelia Seitler, Peter Mettler, Brigitte Hofer
Ton
Peter Mettler
Sound Design
Jordan Kawai
Ausgezeichnet mit: Goldene Taube Langfilm (Internationaler Wettbewerb Dokumentarfilm)