Dass der Zweite Weltkrieg – auch: Großer Vaterländischer Krieg – noch lange nicht vorbei ist, schon gar nicht in den Nachfolgestaaten des Sowjetreichs, zeigt die große Vorliebe für pompöse Feierlichkeiten rund den „Tag des Sieges“. Ein ganzes Album an mythologischen Bildern wird hier meist abgerufen, wobei das „Heldenmut“-Pathos so dominant ist, dass für tatsächliche Erinnerung, Anteilnahme und Aufarbeitung wenig Raum bleibt. „Zjamlja“ geht den gegenteiligen Weg. Mit jener Ausdauer und visuellen Intensität, die Viktor Asliuk auch bisher als herausragenden Dokumentaristen des Post-Sowjetischen auszeichneten, widmet sich der Weißrusse hier den langwierigen Suchaktionen nach verschütteten Soldatenleichen – konkreten Relikten auf den ehemaligen Schlachtfeldern. Es sind Freiwillige aus allen Winkeln Russlands, oft ganze Familien, die die Wälder nach Knochenresten durchforsten. Sie graben sie (die Unbeerdigten) aus, um sie erneut einzugraben. Ein scheinbar absurder, geisterhafter Zirkel, beobachtet mit stoischer Ruhe. Diese stellt sich auch ein, wenn Asliuk wie beiläufig einzigartiges Archivmaterial vom winterlichen Krieg dazwischen schneidet. Gespenstisch real werden die namenlosen Toten – junge Männer von einst, durch die Erde mit ihren Nachfahren verbunden, die so jung sind wie sie es damals waren und die erstmals mit dem Tod konfrontiert werden. Auch wenn zwischendurch Krieg gespielt wird, überwiegt die Andacht. Ein Film, der die Vergangenheit der verlorenen Zukunft mit der Gegenwart kurzschließt.
– Barbara Wurm