Filmarchiv

Bianca läuft …

Dokumentarfilm
Österreich,
Deutschland
2013
83 Minuten
Untertitel: 
keine

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Tina Bara
Tina Bara
Bianca Maria Samer
Tina Bara
Tina Bara, Oliver Brodt
Tina Bara
Tina Bara, Oliver Brodt
Bianca, eine junge Frau, die im österreichischen Burgenland lebt, gibt viele Rätsel auf. Sie ist eine passionierte Läuferin, aber im Gehen versagen ihr die Beine den Dienst. Sie ist eine hochbegabte Malerin und entwirft, fotorealistisch genau, immer wieder neue Abbilder ihrer selbst, die sie durchbohrt, genagelt, geritzt, in wallenden Kleidern oder gefesselt an ihre Sportschuhe zeigen. Stets mit einem Lächeln im alterslosen Gesicht erzählt sie von ihren Krankheiten, den in immer kürzeren Abständen auftauchenden Zusammenbrüchen und der Sammelleidenschaft für tote Tiere.
Die Fotografin und Filmemacherin Tina Bara respektiert den Kokon ihrer Protagonistin. Sie lässt die Gemälde sprechen, in denen sich grausame Hinweise auf Selbstzerstörung und Selbsthass finden, die danach schreien, der Sache auf den Grund zu gehen. Dabei ist „Bianca läuft …“ ein ganz stiller Film, dessen Stärke in der Verunsicherung liegt. Die Regisseurin erhebt in diesem Debüt den Prozess der tastenden Annäherung und ihre eigenen Zweifel zum dramaturgischen Prinzip und schafft dadurch eine für Interpretationen offene Struktur. Die Begegnungen mit Bianca führen einen auf unsicheres Terrain – weder sie noch der Film geben Halt.

Cornelia Klauß
Internationales Programm 2016
Cinema Futures Michael Palm

Der Sprung des Kinos ins digitale Zeitalter und die Überwindung des Analogen – ein Heilsversprechen. Opulenter Essay über Visionen und Verluste eines zweifelhaften Aufbruchs.

Cinema Futures

Dokumentarfilm
Österreich
2016
126 Minuten
Untertitel: 
deutsche

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Ralph Wieser
Michael Palm
Michael Palm
Joerg Burger
Michael Palm
Michael Palm
Hjalti Bager-Jonathansson
Die „digitale Revolution“ erreichte das Kino spät. Weithin wurde darin ein Grund zu ungetrübter Freude gesehen, nahm man doch ihr Versprechen, alles würde jetzt besser, größer, schöner und vor allem einfacher, für bare Münze. Hinzu kam, dass diese Revolution als größter technologischer Fortschritt seit dem Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm inszeniert, gefeiert und auch knallhart ökonomisch durchgesetzt wurde. Wer hätte in der Luft dieses Aufbruchs schon als ewig Gestriger oder dumpfer Nörgler abseitsstehen wollen?

„Cinema Futures“ sondiert nun aus dem Abstand einiger Jahre das Feld zwischen der spezifischen Kulturtechnik des analogen Films und den Heilsversprechen über die angebliche Ewigkeit von Bits und Bytes. Auf der einen Seite steht dabei die Vision vom Digitalen als der finalen Überwindung der Vergänglichkeit. Auf der anderen Seite droht die Vorstellung, unsere Gegenwart mache sich ohne wirkliche Not zu einem „dunklen Zeitalter“, von dem nicht viel übrig bleiben wird. Weil erstens Film als physisches Objekt, zweitens Kino als techno-soziale Infrastruktur obsolet geworden sind und drittens die wie auch immer „unsterblichen“ digitalen Daten von keinem Menschen und keiner Maschine mehr aufgerufen werden können.

Ralph Eue


Nominiert für Healthy Workplaces Film Award

Das Fieber

Dokumentarfilm
Österreich,
Deutschland,
Schweiz
2019
99 Minuten
Untertitel: 
englische

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Markus Wailand
Katharina Weingartner
Siri Klug
Andrea Wagner
Toby Cornish
Katharina Weingartner
Patrick Becker, Peter Braeker
Der Kampf will nicht enden. Noch immer regiert Malaria weite Teile Afrikas. Alle 60 Sekunden stirbt südlich der Sahara ein Kind an diesem Parasiten. Insgesamt ist sie der Grund für rund eine halbe Million Todesfälle im Jahr. Aber warum gelingt es einfach nicht, die Krankheit erfolgreich zu bezwingen, obwohl seit etlichen Jahren unzählige internationale Hilfsorganisationen an einer Lösung arbeiten?

Natürlich liegt das am Geld, an globalen Interessenskonflikten, an der mächtigen Pharmaindustrie. Das ist nichts Neues. Doch der österreichischen Filmemacherin Katharina Weingartner ist nun ein spannender dokumentarischer Thriller gelungen, der in das leidlich bekannte große Bild im Wortsinn aufregende, den Kontext verschiebende und erweiternde Verbindungslinien einzeichnet: zwischen dem Parasiten und der Pharmaindustrie, zwischen Selbstbestimmung in Ostafrika und dem reichsten Mann der Welt. Im Fokus stehen drei mutige Menschen in Uganda und Kenia, die vor Ort gegen die Krankheit kämpfen und oft mit alternativen Methoden weiter kommen, als das die westliche Medizin gerne hätte. Denn eine eigene Lösung, ohne fremde Hilfe und Technologien, ohne die merkantilen oder öffentlichkeitswirksam philanthropischen Interessen der Helfenden, würde ja Unabhängigkeit bedeuten.

Julia Weigl
Internationales Programm 2012
Der Prozess Gerald Igor Hauzenberger

Der größte Strafprozess Österreichs, in dem harmlose Tierschützer als Staatsfeinde angeklagt und verurteilt wurden. Kafkaesker Abgesang auf die westliche Demokratie.

Der Prozess

Dokumentarfilm
Österreich
2012
112 Minuten
Untertitel: 
englische

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Michael Seeber, Gerald Igor Hauzenberger, framelab filmproduktion
Gerald Igor Hauzenberger
Bernhard Fleischmann
Dominik Spritzendorfer, Gerald Igor Hauzenberger
Michael Palm
Chris Moser
Gerald Igor Hauzenberger
Michael Palm
Von Igor Hauzenbergers Film geht eine große Beunruhigung aus. Wenn im Namen des Paragrafen 278a, der eingeführt wurde, um Organisationen wie die Mafia und Al Quaida zu bekämpfen, aus einem Protestbrief eine Bedrohung, aus einem Tierschützer ein Staatsfeind, aus einer NGO eine terroristische Vereinigung wird, dann geraten die Säulen der Zivilgesellschaft bedenklich ins Wanken. Dreizehn Tierschützer stehen in Wien vor Gericht, weil sie mit durchaus medienwirksamen Aktionen gegen Massentierhaltung und den Handel mit Pelzen vor Ställen und Kaufhäusern protestierten. Klar, nackte Demonstranten, die mitten im Winter in der Wiener Innenstadt tote Tiere in ihren Händen halten oder blutüberströmt Schweineköpfe am Kreuz durch die Straßen tragen, sind kein schöner Anblick. Ebenso stört, dass es sich bei dem Verein gegen Tierfabriken (VGT) nicht einfach um eine Chaotentruppe handelt, sondern um ein international organisiertes Netzwerk, zu dessen Köpfen Wissenschaftler und Grünen-Politiker gehören, unter ihnen der charismatische Dr. Dr. Martin Balluch, der sich nach seiner Universitätskarriere für den Weg auf die Straße entschieden hat. Igor Hauzenberger begleitet die Demonstranten über mehrere Jahre, versucht, Licht in den Paragrafen-Dschungel zu bringen und sucht hartnäckig Staatsanwälte, Pressesprecher und Kaufhausbetreiber vor die Kamera zu holen. Vergeblich. Dieser größte Strafprozess Österreichs entwickelt sich zum Präzedenzfall: Demokratie versus jene, die auch schon mal brüllen, „der Hitler muss wieder her.“
– Cornelia Klauß

Die Telefonbuchpolka

Animationsfilm
Österreich
2013
5 Minuten
Untertitel: 
englische

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Benjamin Swiczinsky, Iris Haschek, Golli Marboe, Johannes Schiehsl, Conrad Tambour
Benjamin Swiczinsky
Georg Kreisler
Benjamin Swiczinsky
Benjamin Swiczinsky
Benjamin Swiczinsky, Julia Ocker, Daniel Lundquist, Timur Tietze, Johannes Schiehsl, Conrad Tambour, Nana Swiczinsky
Benjamin Swiczinsky
Benjamin Swiczinsky, Johannes Schiehsl
„Wenn ich Inspiration such, Gesellschaftsliaison such, les‘ ich das Telefonbuch …“ Das Kultlied des österreichisch-amerikanischen Liedermachers und Kabarettisten Georg Kreisler als animiertes Musikvideo.
Internationales Programm 2013
Elektro Moskva Dominik Spritzendorfer, Elena Tikhonova

Elektrifizierung + Kommunismus = psychedelische Klänge. Die Wunder elektronischer Musik auf selbstgebauten Instrumenten in der Sowjetunion: Panzer zu Synthesizern, Lötkolben Marsch!

Elektro Moskva

Dokumentarfilm
Österreich
2013
89 Minuten
Untertitel: 
englische

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Dominik Spritzendorfer
Dominik Spritzendorfer, Elena Tikhonova
Stanislav Kreichi, Vyacheslav Mescherin, Richardas Norvila, Alexey Borisov
Dominik Spritzendorfer
Michael Palm
Dominik Spritzendorfer, Elena Tikhonova
Yuri Klevanski
Bereits im Jahre 1919 entwickelte Lev Termen alias Léon Theremin ein elektronisches Musikinstrument, das man spielt, ohne es zu berühren. Dabei werden die Hände ganz minutiös in einem elektrostatischen Feld zwischen zwei Antennen bewegt. Magisch sieht das aus, magisch hört sich das an. Spätestens wenn der Erfinder höchstpersönlich in einem Interview von 1973 zu Wort kommt, begreift man, dass die elektronischen Wunderwerke der Musik oft nichts weiter als Abfallprodukte der Militärindustrie waren. „Elektro Moskva“ ist ein Essay über die sowjetische Geschichte der Elektrifizierung, den unerschütterlichen Glauben an den Fortschritt der Technik und die daraus entstandenen Kuriositäten. Hier wird seltenes Archivmaterial heutigen Beobachtungen entgegengesetzt, bei welchen man nicht nur in die Rumpelkammern leidenschaftlicher Instrumentensammler blicken darf, sondern beispielsweise auch dabei ist, wenn der Musiker Richardas Norvila, besser bekannt als Benzo, über die Space Sounds seiner Synthesizer philosophiert, die ebenso unberechenbar seien wie das Leben in Russland, in dem es einst verboten war, den Rolling Stones zu lauschen. Die sollte bei diesen psychedelischen Klängen eigentlich auch keiner vermissen.

Claudia Lehmann
Internationales Programm 2016
Exomoon Gudrun Krebitz

Eine werdende Frau in Zwiesprache mit dem Mond und einer Marienstatue. Aus der tobenden Leere ihrer Einsamkeit fleht sie um ein Ereignis – Schreckliches und Blutiges soll passieren.

Exomoon

Animationsfilm
Österreich
2016
6 Minuten
Untertitel: 
keine

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Gudrun Krebitz
Gudrun Krebitz
Marian Mentrup
Gudrun Krebitz
Gudrun Krebitz
Gudrun Krebitz
Eine werdende Frau in Zwiesprache mit dem Mond und einer Marienstatue. Aus der tobenden Leere ihrer Einsamkeit fleht sie um ein Ereignis – Schreckliches und Blutiges soll passieren. Geflüsterte Worte einer Protagonistin, die mit ihren Phantasmen traumwandlerisch die Selbstermächtigung probt. Immer dem heiß-kalten Verlangen nach – mal dialogisch, mal monologisch. Kreide, Bleistift, Farbe in verschiedenen Texturen machen die innere Anspannung spürbar, die auch in Ton und Musik Resonanz findet.

Nadja Rademacher


Nominiert für mephisto 97.6 Publikumspreis
Internationales Programm 2014
Focus on Infinity Joerg Burger

Reflexion über die Unendlichkeit: Physiker, Theologen und Philosophen, unwirkliche Orte, gigantische Anlagen, komplexe Technologien und Theorien, Humor und unendliche Weiten.

Focus on Infinity

Dokumentarfilm
Österreich
2014
80 Minuten
Untertitel: 
englische

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Joerg Burger, Ralph Wieser, Georg Misch
Joerg Burger
Joerg Burger
Gökce Ince
Joerg Burger
Hjalti Bager-Jonathansson, Sebastian Brameshuber
„Die Ewigkeit dauert lange, besonders gegen Ende“, hat Woody Allen einmal gesagt. Dass ausgerechnet der Großstadtneurotiker in diesem von unendlichen landschaftlichen Weiten, gigantischer Architektur und komplexesten Technologien getragenen Film zitiert wird, hat viel mit den Interviewpartnern und besonders den -partnerinnen zu tun, die Joerg Burger bei seiner filmischen Forschungsreise mit „Focus on Infinity“ ausfindig machte. Sie gehören nämlich nicht nur zu den wohl klügsten und weitblickenden Köpfen unseres Planeten, sie haben auch Humor – und eine innere (oft auch auf physikalisch-astronomischem Wissen ruhende) Gelassenheit in der Betrachtung des menschlichen Lebens.
Kontemplation und Akribie, Perfektionismus und Bescheidenheit – vielleicht sind es diese Eigenschaften, die jene schier endlose Antriebskraft ausmachen, mit der sie der Erkenntnis (oder anders: den Grundfragen der Existenz) nachspüren. Forscher und Theologen, Wissenschaftler und Philosophen, Empiriker und Theoretiker teilen es sich – das Reich der Unendlichkeit. Der Film begleitet sie bei ihren Trips in ein Universum, das an der Schnittstelle von Wahrnehmung, Denken und Imagination liegt, und weitet unseren Blick für das ganz Kleine im ganz Großen. Ein Kleinod, ein Meisterwerk.
Barbara Wurm
Internationales Programm 2016
Future Baby Maria Arlamovsky

Das Baby nach Maß: Labore, Samen- und Embryonenlager, so groß wie Fabrikhallen. Die quasi-industrielle Kinderproduktion: Technologie, Ethik und lukrativer Wirtschaftszweig. Ein Gruselfilm.

Future Baby

Dokumentarfilm
Österreich
2016
91 Minuten
Untertitel: 
englische

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NGF Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion
Maria Arlamovsky
Vincent Pongracz, Alana Newman
Sebastian Arlamovsky
Natalie Schwager
Maria Arlamovsky
Sergey Martynyuk, Johannes Winkler
Junge oder Mädchen? Blaue Augen oder braune? Ein zukünftiger Olympiasieger oder eine Literatur-Nobelpreisträgerin? Dass das Kind ohne jeden Makel – von überflüssigem Fett bis hin zu Erbkrankheiten – sein soll, steht sowieso außer Frage.

Was die Reproduktionsmedizin zu leisten vermag und – vor allem – wie weit wir bereit sind zu gehen, möchte Maria Arlamovsky ergründen. Und so begibt sie sich auf eine Reise um die Welt – was ausnahmsweise Sinn macht, werden doch heutzutage die einzelnen Komponenten eines Menschen in verschiedenen Kontinenten generiert, ja produziert, und irgendwo mehr oder weniger mechanisch montiert. Sie besucht Labore und schicke Kliniken, Samen- und Embryolager im Fabrikhallenformat ebenso wie Dritte-Welt-Hospitäler, in denen Leihmütter Kinder für die Erste Welt austragen. Mit ihnen spricht sie ebenso wie mit jenen, die austragen lassen – weil sie es können – und mit Vertreterinnen und Vertretern der Medizin, Philosophie, Bioethik oder Biotechnologie. Ohne zu emotionalisieren addiert der Film Ungeheuerlichkeiten, die unter anderen Vorzeichen als Fortschritt oder Freiheit verstanden werden. Mit nüchternem Forscherblick lässt er uns in die geöffnete Büchse der Pandora sehen. Sie ist glatt und schön, suggerieren die Bilder. Während der Text Fallstricke legt, in denen sich verfängt, wer moralische Urteilen fällen zu können meint. Ein Gruselfilm.

Grit Lemke
Internationales Programm 2012
Mama Illegal Ed Moschitz

Langzeitbeobachtung moldawischer Frauen, illegal und ohne Rechte, für Putz- und Pflegejobs in Westeuropa, und ihrer Kinder, die ohne Mutter aufwachsen. Eine Tragödie.

Mama Illegal

Dokumentarfilm
Österreich
2011
95 Minuten
Untertitel: 
englische

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Ed Moschitz
Gailute Miksyste
Sandra Merseburger
Alexandra Löwy
Ed Moschitz
Lenka Mikulova
Am Wegesrand der Bahngleise liegen schmutzige Klamotten, hingeworfen von jenen, die sich im Unterteil der Güterzüge versteckt hielten, um der Armut Moldawiens zu entkommen. Die Arbeitslosenrate liegt bei 80 Prozent, ein Drittel der Bevölkerung hat bereits das Land verlassen. Mittlerweile sind es vor allem die Frauen, die gehen, um sich im Westen als Putzkräfte oder Pflegerinnen illegal, ohne Krankenversicherung und ohne Rechte durchzuschlagen. Die Schlepper sind teuer und das Risiko, geschnappt zu werden, zu hoch, deshalb bleiben sie für Jahre fern. Sie übernehmen die Arbeit, die kein anderer machen will, und das für wenig Geld. Aber die Rechnung geht nicht auf. In der Fremde verändern sie sich, wollen auch so leben wie die, deren Wohnungen sie putzen, während zu Hause ihre Kinder warten und die Väter das Brot backen. Sieben Jahre lang hat Ed Moschitz drei Frauen begleitet. Dieser bemerkenswert lange Zeitraum, den sich dieser Film erkämpft hat, ermöglicht alle Perspektiven kennenzulernen. Die Entfremdung der Kinder von ihren Müttern, die sie nur per Skype kennen, die Enttäuschung der Männer, wenn ihre Frauen sich darüber mokieren, wie sie den Haushalt führen, und der Zwiespalt der Gastarbeiterinnen, die im Westen ohne Papiere sind und in ihre Heimat nicht mehr zurückfinden. Mama illegal ist ein leidenschaftliches Plädoyer an die Politik, den Realitäten einen legalen Rahmen zu verschaffen. Der Blick in das Klassenzimmer einer moldawischen Dorfschule, wo beinahe alle Kinder „mutterlos“ sind, sollte Anlass genug sein.
– Cornelia Klauß
Internationales Programm 2017
Namrud (Troublemaker) Fernando Romero Forsthuber

Immer wieder gerät das Gespräch zwischen Jowan und Don, Vater und Sohn, zum sokratischen Slacker-Dialog. Eine aufmüpfige palästinensische Kleinfamilie in Israel.

Namrud (Troublemaker)

Dokumentarfilm
Österreich
2017
94 Minuten
Untertitel: 
englische

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Jürgen Karasek
Fernando Romero Forsthuber
Jowan Safadi
Jakob Fuhr, Martin Putz, Falko Lachmund, Rabia Salfiti
Wolfgang Auer
Ari Yehudit Richter, Jürgen Karasek
Feras Shehadeh
Jowan Safadis 15-jähriger Sohn Don ist aus den USA nach Israel gekommen. Ziemlich unvermittelt führt Fernando Romero Forsthuber diese Begegnung ein, wenn Don eines morgens einfach im Bett liegt und sich darüber beschwert, mit seinem Vater zum Strand gehen zu müssen: Kein Mensch möge schließlich den Strand! Der freundschaftlich-aggressive Schlagabtausch zwischen Vater und Sohn bestimmt diesen Film, obschon beide auch gern in andere Richtungen schlagen: Jowan ist Musiker und besingt in seinen Stücken Lebensgefühl und -leid eines in Israel lebenden Palästinensers – Provokation, die er sucht und findet. Don hat gerade mit dem Boxtraining begonnen.

Fernando Romero Forsthuber zeigt zwei Männer zwischen Anpassungsdruck und Aufbegehren. „Ich fühle nicht wirklich, was ich nicht selbst gewählt habe“, erklärt Jowan gleich zu Anfang. „Egal ob es heißt, Palästinenser zu sein, Araber oder irgendetwas anderes.“ Jowan und Don verspüren das Bedürfnis nach Selbstermächtigung, jeder auf seine Weise. Beiden gemein ist jedoch das kritische wie lässige Hinterfragen all jener, die sich ihrem Verständnis nach allzu leicht unterwerfen beziehungsweise andere dazu zwingen, den Kniefall zu tun.

Carolin Weidner

Narrating Hebron

Dokumentarfilm
Österreich,
Israel,
Palästinensische Autonomiegebiete
2017
21 Minuten
Untertitel: 
englische

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Viktoria Bayer
Viktoria Bayer
Viktoria Bayer
Viktoria Bayer
Viktoria Bayer
Viktoria Bayer
Geschichte entsteht durch den, der sie erzählt. Und es gibt sehr viele unterschiedliche Arten, sie zu erzählen. Gewichtungen verlagern sich, Details werden ausgespart oder hervorgehoben. In Hebron, einer in Zonen aufgeteilten Stadt im Westjordanland, die sowohl von Israelis als auch von Palästinensern bewohnt wird, kreuzen wie überlagern sich Überzeugungen von Historie und Wahrheit. Der Film sammelt die verschiedenen Narrative, vorgetragen von israelischen und palästinensischen Stadtführern.

Carolin Weidner
Internationales Programm 2013
Omsch Edgar Honetschläger

Die Freundschaft des Regisseurs mit seiner 101-jährigen Nachbarin, einst fesches Wiener Madl, jetzt grantiges Urgestein. Unsentimentale Reflexion mit Schmackes und Schmäh.

Omsch

Dokumentarfilm
Österreich
2013
80 Minuten
Untertitel: 
englische
französische

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Yukika Kudo
Edgar Honetschläger
Morton Feldman
Daniel Hollerweger, Hisaki Sanbongi, Edgar Honetschläger
Stefan Fauland, Edgar Honetschläger
Edgar Honetschläger, Stefan Fauland
Georg Mittermayr
„Wia bin i bessa? Im Kastl oder en nature?“ Schrilles Auflachen. Die, die das fragt, ist Omsch, eine meist fidele, oft nachdenkliche und selten launische Person. „Grantig“ nennt man das dann da, wo sie wohnt, nämlich in Wien. Dass sie früher „a freches Madl“ war und „bildhübsch“ obendrein, liegt auf der Hand. Alle wollten sie heiraten, und auch jetzt noch geht es viel um ihr Äußeres. Während des Films, den ihr Nachbar, der weitgereist-japanophile Regisseur und Künstler Edgar Honetschläger über sie und sich und also ihre Freundschaft dreht, wird sie 101 Jahre. Die 100 werden gestrichen. Man beginnt wieder bei der ersten Kerze.
Lebensbejahung pur ist das, behutsam gemacht (von Pärt über Schubert bis hin zu Morton Feldman), witzig gesprochen (die Ätz-Tiraden auf den Papst) und kontemplativ gestimmt (beispielsweise mit Reflexionen über die neuen Freiheiten im Alter).
Einige Jahre nach ihrem Tod 2009 fügt der halb so alte und doch so seelenverwandte österreichische Ausnahmefilmer mit Hang und Händchen zum Gestalten und Dosieren die vielen kleinen Momentaufnahmen zusammen. Beide, das spürt man in jeder Sekunde dieses gleichsam aus dem Bauch geschossenen Films, leben lieber den Moment, als viele Worte über „Ziele“ zu verlieren. Nicht alle Tage gibt es das: Traumkino von und mit äußerst gutherzigen Menschen, denen dennoch das Schmalz ganz fremd ist.

Barbara Wurm

One Day in Sarajevo

Dokumentarfilm
Österreich,
Bosnien-Herzegowina
2015
60 Minuten
Untertitel: 
englische

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Damir Ibrahimovic, Jasmila Zbanic
Jasmila Zbanić
Christine A. Maier
Isabel Meier
Igor Camo
Am 28. Juni 1914 erschoss Gavrilo Princip in Sarajevo den Thronfolger der österreichisch-ungarischen Monarchie Franz Ferdinand. Ein folgenschweres Attentat, das als Auslöser des Ersten Weltkriegs gilt.

Genau 100 Jahre später besucht die bosnische Regisseurin Jasmila Žbanić, die sich schon in ihren preisgekrönten Spielfilmen mit der Aufarbeitung von Geschichte auseinandersetzte, den Ort des historischen Ereignisses und befragt Menschen, wie sie über den Attentäter denken. Für die einen ist Princip ein Nationalheld, der für die Freiheit Bosniens kämpfte, für die anderen ein Terrorist, der die bestehende Staatsordnung zerstörte. Ihre eigenen Aufnahmen mischt Žbanić mit solchen, die Bewohner und Touristen an jenem Tag mit ihren mobilen Geräten aufgenommen haben. Diesen Bildern des Heute setzt sie Ausschnitte aus Spielfilmen über das Attentat entgegen. So gelingt ein vielschichtiges, von komischen Momenten durchzogenes Bild des Ereignisses und seiner Auswirkungen, vor allem aber eine Reflexion darüber, was eine Nation aus ihrer Geschichte ableitet: In Sarajevo stehen fast geschichtsvergessen zu nennende Feiermomente mit marschierenden Kindern in Uniform und Maschinengewehren den kritischen Stimmen der Gegendemonstranten gegenüber, die im Geiste der Occupy-Bewegung eine erneute Besetzung Bosniens bekämpfen: diesmal jene durch den Kapitalismus.

Lina Dinkla
Internationales Programm 2016
Paradies! Paradies! Kurdwin Ayub

Mit dem kurdischen Vater zur Familie im Irak: Wohnungskauf und Fronttourismus vor den Toren des IS. Eine junge Wiener Künstlerin erkundet kulturelle Brüche, mit Gespür für Tragikomik.

Paradies! Paradies!

Dokumentarfilm
Österreich
2015
78 Minuten
Untertitel: 
englische

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Rudolf Takacs, Lixi Frank
Kurdwin Ayub
Kurdwin Ayub
Nooran Talebi
Rudolf Pototschnig
Das Flugzeug, das Kurdwin und ihren Vater Omar zu den kurdischen Verwandten bringt, ist fast leer. Wer möchte in diesen Zeiten schon in den Nordirak fliegen? Omar hat in Wien erfolgreich seine Arztpraxis aufgebaut. Kurdwin ist in Österreich aufgewachsen und sieht den „Heimat“-Besuch eh kritisch. Filmend versucht sie zu ergründen, warum der Vater schon beim Stichwort Kurdistan in Euphorie verfällt und unbedingt eine Zweitwohnung kaufen will, an einem Ort, der einen Steinwurf vom IS-Gebiet entfernt liegt. De facto ist trotz aller Konflikte ein Bauboom ausgebrochen. Auch Omar will in eine utopische Zukunft investieren, sei es aus Trotz gegen das Wiener Finanzamt, aus Heimweh oder aus neu erwachtem Patriotismus. Gegen jeden Realitätssinn demonstriert er vor der filmenden Tochter einen unbeugsamen Optimismus, den er nach allzu offensichtlichen Fehltritten in der Wohnungsfrage immer noch auf einen touristischen Ehrenbesuch an der Front umlenken kann.

Mit einem Gespür für tragikomische Situationen reizt Kurdwin Ayub die Kompetenz des Home Movies aus und erkundet aus der Innensicht einen interkulturellen Bruch in der Familie. Dabei spielt sie, hinter und vor der Kamera, mit den vorgegebenen Rollenmustern, provoziert als mädchenhafte Naive, während ihr Vater den molierischen Helden gibt. So haftet dem Film neben seinem situativen auch ein performativer Charakter an.

Lars Meyer


Nominiert für Young Eyes Film Award
Internationales Programm 2015
Since the World Was World Günter Schwaiger

Schlachten, pflügen, Wein ernten und im Maisfeld nach illegal gepflanztem Marihuana suchen. Bauer sein in Kastilien: widerständisch traditionell in der Krise, liebevoll beobachtet.

Since the World Was World

Dokumentarfilm
Österreich,
Spanien
2015
103 Minuten
Untertitel: 
deutsche

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Günter Schwaiger, Cristina G. Alía
Günter Schwaiger
Bence Boka, Los Linces
Günter Schwaiger
Günter Schwaiger, Martin Eller
Günter Schwaiger
Cristina García Alía
Gonzalo lebt mit seiner Familie als Bauer von altem Schlag in Kastilien. Für einen wie ihn würde es vermutlich eine Beleidigung bedeuten, sollte ihn jemand als Agronom bezeichnen. Seine Art des Wirtschaftens steht in vielem gegen die alles zermahlende Ökonomisierung sämtlicher Lebensbereiche. Die Existenz als Widerständler aber hat er nur zur Hälfte selbst gewählt. Zur anderen Hälfte ward sie ihm aufgegeben. Erstens von einer Tradition, die ihm gewissermaßen in den Knochen steckt. Zweitens von einer tiefen Verwurzelung in der Erde, die ihn nährt. Und schließlich auch einer handfesten Philosophie, die ihn solch einfache und klare Sätze sagen lässt, wie: „Früher, als alle das Geld zum Fenster hinaus warfen und mit Geldscheinen Feuer machten, wurde unsereins als überholt und rückständig angesehen. Jetzt, wo die meisten Leute nichts mehr haben, geht es den anderen so wie uns und uns nicht viel anders als zuvor.“

Empathische Schadenfreude und surrealistischer Humor sind essenzielle Bestandteile von Gonzalos bäuerlicher Lebenswelt. Günter Schwaigers zugewandte Betrachtung dieser Welt über einen langen Zeitraum hinweg lässt sich auch als kinematografische Arznei zur Steigerung der Abwehrkräfte gegen die Versuchungen von Konsumismus und Agrarkapitalismus sehen. Abwehrkräfte, die dringend gebraucht werden.

Ralph Eue