Filmarchiv

Internationaler Wettbewerb 2018
Die Tage wie das Jahr Othmar Schmiderer

Ein Jahr auf einem Biohof im niederösterreichischen Waldviertel: Elfie und Gottfried kümmern sich um Schafe, Ziegen sowie allerlei Erzeugnisse, die Tier und Mensch gemeinsam hervorbringen.

Die Tage wie das Jahr

Dokumentarfilm
Österreich
2018
86 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Othmar Schmiderer
Regie
Othmar Schmiderer
Kamera
Othmar Schmiderer
Schnitt
Arthur Summereder
Buch
Angela Summereder, Othmar Schmiderer
Ton
Angela Summereder, Arthur Summereder, Othmar Schmiderer
Ein Film aus ruhiger Hand: ein Jahr auf einem biologischen Hof im niederösterreichischen Waldviertel. Aus einem Abstand, der weder zu nah noch zu fern, sondern ganz angemessen das Leben mitsamt seinen einzelnen Tätigkeiten und Ereignissen zwischen Haus und Ställen beschreibt. Da ist das Mutterschaf, welches unter fast menschlichen Lauten sein Lamm auf die Welt bringt. Die zarten Zicklein, die über das Stroh hüpfen, als wären darin glühende Steine verborgen. Der Frontlader, der seine langen, dünnen Arme in die Heuballen fährt und sie damit aufspießt. Oder Bäuerin Elfie, dabei zu beobachten, wie sie Glasflaschen mittels Klebstift auf die Etiketten vorbereitet. Bauer Gottfried baut indes einen kleinen Marktstand auf. Und Ziegen wie Menschen werden beim Melken mit historischer Tanzmusik bei Laune gehalten. Dem Beiwohnen all dieser Vorgänge wohnt etwas Meditatives inne, der besondere Rhythmus, gemacht aus einem kräftigen, aber nicht hektischen, dafür sehr gleichmäßigen Takt, überträgt sich und verschafft Genuss und Zuversicht.

Carolin Weidner


Nominiert für den Healthy Workplaces Film Award

Internationaler Wettbewerb 2017
Gwendolyn Ruth Kaaserer

Die Anthropologin und Gewichtheberin Gwendolyn Leick versöhnt beispiellos Intellektualität und Athletik. Das Porträt einer ungewöhnlichen Frau, die mit Haltung viel wegzustecken vermag.

Gwendolyn

Dokumentarfilm
Österreich
2017
85 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Jürgen Karasek
Regie
Ruth Kaaserer
Kamera
Serafin Spitzer
Schnitt
Joana Scrinzi
Buch
Ruth Kaaserer
Ton
Tong Zhang
Gwendolyn Leick ist eine Meisterin der Haltung. Nicht von ungefähr zitiert die pensionierte Anthropologin, Autorin und Gewichtheberin eine Passage aus einem Gedicht von Gertrude Stein, die genau davon handelt: „If can in countenance to countenance a countenance as in as seen ...“ Gwen ist gebürtige Österreicherin. Mitte der 1970er Jahre ging sie nach London, um ihre Dissertation über babylonische Flüche zu schreiben. Im Alter von 52 Jahren fing die zierliche Frau mit dem Gewichtheben an und hat seitdem zahlreiche internationale Titel gewonnen. Während sich Gwen mit ihrem langjährigen Coach Pat auf die europäischen Meisterschaften in Aserbaidschan vorbereitet, bewältigt sie eine halbseitige Gesichtslähmung und ihre inzwischen dritte Krebsoperation.

Nach dem Boxerinnenporträt „Tough Cookies“ von 2014 begibt sich Ruth Kaaserer erneut in ein sportliches Milieu, das wenig mit den gängigen Bildern von Kraftarbeit, Schinderei und Schweiß zu tun hat. Beherrschtere und anmutigere Szenen hat man wohl selten in einem Gym gesehen. Mit derselben geradlinigen Aufmerksamkeit widmet sich „Gwendolyn“ dem Alltagsleben dieser ungewöhnlichen Frau: Arztbesuche, das Zusammensein mit ihrem wesentlich jüngeren Ehemann Charlie, Gespräche mit ihrem Sohn über die Gemeinsamkeiten von Schreiben und Nähen. Manchmal bleibt keine Wahl – man muss die Nähte auftrennen.

Esther Buss

Lampedusa in Winter

Dokumentarfilm
Italien,
Österreich,
Schweiz
2015
93 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Jakob Brossmann
Regie
Jakob Brossmann
Kamera
Serafin Spitzer, Christian Flatzek
Schnitt
Nela Märki
Mit Einsetzen des Flüchtlingsstroms über das Mittelmeer wurde die winzige italienische Insel Lampedusa zur Projektionsfläche paranoider Fremdenhasser wie zum Symbol einer unmenschlichen Asylpolitik. Im Winter 2014 reist der Theater- und Filmemacher Jakob Brossmann auf die Insel, um zu untersuchen, wie es um das Leben dort wirklich bestellt ist.

Touristen und Medien sind fort und die wirklichen Probleme der Bewohner treten in den Vordergrund: Die alte Fähre, überlebensnotwendig, ist abgebrannt und wurde durch eine noch ältere ersetzt. Deshalb treten die Fischer in den Ausstand. Eine Gruppe von Flüchtlingen, die seit Monaten hier festsitzt, will endlich aufs Festland. Sie streiken vor der Kirche. Weil es keine Fähre gibt, stapelt sich der Müll und die Lebensmittel werden knapp. Mitten in dieser angestrengten Lage kämpfen die Bürgermeisterin und eine engagierte Anwältin aus tiefster persönlicher Überzeugung um menschliche Lösungen.

Brossmanns Blick ist unaufdringlich und genau. Mit sicherer Hand führt der Regisseur durch die Ereignisse dieser Krise, während er uns gleichzeitig Orte und Menschen vorstellt, die mit dem Schicksal der Migranten verbunden sind. Bemerkenswert ist, dass Bewohner und Flüchtlinge sich nicht gegeneinander instrumentalisieren lassen. Beide sind Opfer der gleichen zynischen Politik. Das herauszuarbeiten ist die große Stärke dieses Films.

Matthias Heeder
Internationaler Wettbewerb 2019
Robolove Maria Arlamovsky

Maria Arlamovsky zeigt uns eindringlich, dass die Welt der sogenannten sozialen Roboter nicht nur technisch höchst entwickelt ist, sondern auch grundlegend patriarchal strukturiert.

Robolove

Dokumentarfilm
Österreich
2019
76 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Michael Kitzberger, Wolfgang Widerhofer, Markus Glaser, Nikolaus Geyrhalter
Regie
Maria Arlamovsky
Musik
Andreas Hamza, Boris Hauf
Kamera
Sebastian Arlamovsky
Schnitt
Emily Artmann, Maria Arlamovsky, Alexander Gugitscher, Sebastian Arlamovsky
Buch
Maria Arlamovsky
Ton
Andreas Hamza

Vor Jahrzehnten sahen Roboter noch aus wie bewegliche Werkzeugkästen. Das hat sich radikal geändert. Die heutigen Humanoiden ähneln den Menschen nicht nur, sie können auch mit den Pupillen rollen und mit den Augen zwinkern. In diesem Film kommen sie hauptsächlich aus Japan, Korea und den USA. Ishiguro Hiroshi ist ein Pionier in der Konstruktion solcher Kunstmenschen. Sogar einen Zwilling hat er sich gebaut. Doch die meisten der Neu-Geschöpfe sind weiblich und entsprechend den Fantasien ihrer Schöpfer auch mit den in einer patriarchalen Gesellschaft erwünschten Attributen ausgestattet: „Es wird eine Frau werden, also ist das Lächeln wichtig“, weist einer der Entwickler seine Assistentin an. Fast alle der Androiden haben ein Püppchengesicht mit dümmlichem und unterwürfigem Ausdruck, Kulleraugen und leicht geöffnetem Mund. Nur bei der Firma Terasem in Vermont soll eine sprechende Frauenbüste reiferen Alters namens „BINA 48“ auch emotional an menschliches Verhalten andocken. Nicht überraschend sprechen die Entwickler ihren Geschöpfen allerlei weltverbessernde Eigenschaften zu und lassen mögliche Kritik schon im Vorfeld abperlen. Oder ist der Mensch sowieso auch nur eine Maschine, wie es Ishiguro behauptet? Der nah und genau beobachtende, kommentarlose Film von Maria Arlamovsky gibt uns tiefe Einblicke in diese Schöne Neue Welt, um uns selbst Urteile zu bilden. Silvia Hallensleben





Ausgezeichnet mit dem Gedanken-Aufschluss Preis.


The Royal Train

Dokumentarfilm
Österreich,
Rumänien
2019
92 Minuten
Untertitel: 
englische
deutsche

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Produktion
Johannes Rosenberger, Constantin Wulff, Johannes Holzhausen (Navigator Film), Ada Solomon, Diana Păroiu (HiFilm)
Regie
Johannes Holzhausen
Kamera
Joerg Burger
Schnitt
Dieter Pichler
Buch
Johannes Holzhausen, Constantin Wulff
Ton
Andreas Hamza, Vlad Voinescu
Eine untergegangene Monarchie wird von einer Prinzessin repräsentiert, deren unerschütterliche Mission es ist, dass ihrer Dynastie wieder eine echte Verantwortung für Politik und Wirtschaft in der rumänischen Gegenwart übertragen wird. Mit großer Energie, manchmal auch komischen Ausrutschern, überwiegend aber mit dem gebührenden royalistischen Ernst spielt Prinzessin Margareta von Rumänien ihre Rolle als Subjekt und Objekt der eigenen Kampagne. Aufgeführt wird das Stück vom neuen Wein in alten Schläuchen. Mit höfischer Entourage bereist Margareta „ihr“ Land im gleichen königlichen Zug, auf derselben königlichen Strecke, in dem auch schon ihr Vater König Michael I. den Kontakt zu seinen Untertanen suchte und pflegte. Dass der rote Teppich als offensichtlichstes Symbol von monarchischer Grandezza auch beim kleinsten Zwischenstopp einen makellosen Eindruck zu machen hat, versteht sich von selbst – lässt sich aber nicht immer hundertprozentig herstellen.

Den Betrieb, der sich um diese Reise ins Rückwärts entfaltet, beobachtet Regisseur Johannes Holzhausen mit distanziert-staunender Neugier, offenbart sich darin doch eine vielsagende (Un-)gleichzeitigkeit zwischen altwurzelndem K.-u.-k.-Zeremoniell und aktueller Marketing-Vision.

Ralph Eue
Internationaler Wettbewerb 2015
Wie die anderen Constantin Wulff

Eine Kinder- und Jugendpsychiatrie: junge Patienten, die aus der Spur gekippt sind, und Ärzte am Kraftlimit. Nüchterne Beobachtung einer Institution zwischen Routine und Emotion.

Wie die anderen

Dokumentarfilm
Österreich
2015
86 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Johannes Rosenberger
Regie
Constantin Wulff
Kamera
Johannes Hammel
Schnitt
Dieter Pichler
Buch
Constantin Wulff
Ton
Claus Benischke, Andreas Hamza, Klaus Kellermann
Galten psychiatrische Institutionen einst als Randzonen der Zivilisation, wo die „Gestörten“ aus der Gemeinschaft der „Gesunden“ ausgeschlossen (oder weggesperrt) werden, geht man inzwischen theoretisch davon aus, dass es sich hierbei um haltlose Klischees handelt. Indes fehlen angemessene Bilder, um solche Annahmen auch praktisch und nachhaltig zu verinnerlichen. Constantin Wulff, ein engagierter Vertreter der Methode des Direct Cinema, hat zusammen mit seinem Kameramann Johannes Hammel anderthalb Jahre in der Jugendpsychiatrie des niederösterreichischen Landesklinikums Tulln verbracht. Sie beobachteten die zwischenmenschlichen und institutionellen Prozesse, die ablaufen, wenn Kinder oder Jugendliche unversehens aus der Spur kippen. Wie kommt ein Mensch in eine solche Einrichtung? Wie wird er zum „Fall“? Solch ein „Fall“ kann jedoch nur sinnvoll durchgearbeitet werden, wenn man über den Vorgang hinausschaut und den Menschen wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt.

Mit bewundernswerter Souveränität findet Wulff den Weg seines Films zwischen vorschneller Kumpanei und wohlfeiler Distanzierung – immer darum bemüht, den sehr komplexen Interaktionen, die sich vor der Kamera ereignen, gerecht zu werden. Außerdem im Fokus: institutionelle Arbeit als permanenter Balanceakt zwischen Behutsamkeit und Druck, Routine und emotionaler Involviertheit, Regelwerk und Improvisation.

---Ralph Eue