Alle Frauen haben es. Die einen meinen, Gott habe es ihnen geschenkt, damit sie ihrem Mann mehr Vergnügen bescheren. Andere sehen die Männer vielmehr in der Pflicht, das „heilige Wasser“ zum Fließen zu bringen. In Ruanda ist man sich sicher, dass die Weißen nicht daran glauben – und damit wirklich etwas verpassen. Es ist eine Tradition, ein Ritual, das Geheimnis jeder Frau. Regisseur Olivier Jourdain sucht in mythologischen Erzählungen und betörend schönen Landschaftsbildern den Überbau für dieses in vielfach verschlungener Weise formulierte Mysterium, das sich als etwas ganz Modernes herausstellt. Überraschend offen und selbstbewusst wird von der schönsten Sache der Welt gesprochen – und ganz nebenbei das Geschlechterverhältnis diskutiert.
Vor allem Dusabe Vestine, eine leidenschaftliche Radiomoderatorin, verfolgt die Mission, das „heilige Wasser“ in ihrer Sendung zum öffentlichen Thema zu machen. Sie scheut auch nicht den steinigen Weg über die Dörfer, um von der ureigenen ruandischen Praktik zu predigen: ein Wunder, das nur die Frauen zu bewerkstelligen in der Lage sind. Wer bislang Afrika ausschließlich mit Aids, mangelnder Verhütung, Genitalverstümmelungen und Unterdrückung von Frauen in Verbindung brachte, wird hier nachdrücklich eines Besseren belehrt. Das Abendland, das sich seiner Aufgeklärtheit so sehr rühmt, kann von Ruanda noch einiges lernen.
Cornelia Klauß