Filmarchiv

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Wettbewerb für junges Kino 2013
C(us)todians Aly Muritiba

Drei Handschellen, eine Krankenschwester und 900 Häftlinge. Chefinspektor Walkiu und sein Alpha-Team wollen den Vollzug professionalisieren – und rennen gegen Wände an.

C(us)todians

Dokumentarfilm
Brasilien
2013
89 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Antônio Jr.
Regie
Aly Muritiba
Kamera
Elisandro Dalcin
Schnitt
João Menna Barreto, Aly Muritiba
Buch
Aly Muritiba
Ton
Alexandre Rogoski, João Menna Barreto
Jefferson Walkiu ist der neue Chefinspektor im „Alpha-Team“ eines brasilianischen Gefängnisses, das über 900 Insassen beherbergt. Kein ungefährlicher Job, denn kriminelle Vereinigungen agieren außerhalb und innerhalb der Gefängnismauern, und das Wachpersonal ist schlecht ausgestattet. Mit guten Vorsätzen geht Walkiu daran, seine Abteilung zu professionalisieren. Doch die Dynamik in der Anstalt arbeitet gegen ihn.
Dass es für alle Gefangenen zusammen nur eine Krankenschwester und drei funktionierende Handschellen gibt, sind nur zwei unter vielen Herausforderungen. Täglich diskutiert Walkiu mit Häftlingen, Mitarbeitern und Vorgesetzten, die sich keinen Regeln verpflichtet fühlen. Doch auch sein ständiges Krisenmanagement kann Pannen nicht ausschließen. Umso überraschender wirkt sein ihn offenbar erfüllendes Doppelleben als Seelsorger einer kleinen Gemeinde. Hier lässt der stets um Kontrolle bemühte Mann emotionalen Dampf ab.
Der Alltag im Gefängnis aus Sicht des Wachpersonals und das Porträt eines Mannes, der es richtig machen will und gegen Wände anrennt. Regisseur Aly Muritiba hat selbst lange im Alpha-Team gearbeitet und kennt sich in den hohen, schmalen Fluren des Gefängnisses sichtlich aus. Lange Einstellungen und gezielte Perspektivwechsel erzeugen in seinem Film ein Gefühl des zunehmenden Kontrollverlustes.

Lars Meyer



Ausgezeichnet mit dem Healthy Workplaces Film Award 2013

Länderfokus Brasilien 2013
Diary, Letters, Revolutions Flávia Castro

Rekonstruktion des Wegs der Eltern durch den politischen Kampf in Brasilien und ihr Leben im Exil. Eine Generation linker Aktivisten, ihre Ideale und das Scheitern einer Utopie.

Diary, Letters, Revolutions

Dokumentarfilm
Brasilien
2011
105 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Estelle Fialon, Flávio Tambellini, Flávia Castro
Regie
Flávia Castro
Kamera
Paulo Castiglioni
Schnitt
Flávia Castro
Buch
Flávia Castro
Ton
Valéria Ferro
In den 1960er und 70er Jahren herrschte auch in Brasilien eine Diktatur, gegen die sich eine junge Generation linker Aktivisten erhob. Zu ihnen gehörte der Vater der Regisseurin, der Journalist Celso Castro, der Anfang der 80er Jahre unter mysteriösen Umständen ums Leben kam. Beim Versuch, den Tod des Vaters aufzuklären, folgt Flavia de Castro dem Lebensweg ihrer Eltern, der sie ins Exil nach Chile, Argentinien, Panama und schließlich nach Frankreich führte. Auf dem Weg zerbrach die Ehe, und der Vater kehrte 1979 nach dem Erlass eines Amnestiegesetzes nach Brasilien zurück. Mit Hilfe von Erzählungen der Mutter und anderer Weggefährten sowie von Aufzeichnungen und Briefen des Vaters entsteht das spannende Bild eines revolutionären Lebens jenseits der Heimat. Die Hoffnungen, Ideale und Erfolge im politischen Kampf werden genauso spürbar wie die Enttäuschungen, die Resignation und letztlich das Scheitern des revolutionären Projekts. Auf einer parallelen Ebene erzählt die Regisseurin von ihrer eigenen unbehausten Kindheit und zeigt auf, welchen Preis die Angehörigen der Revolutionäre zahlen mussten. Flavia de Castro versucht, den Tod ihres Vaters zu verstehen, und erliegt nicht der Versuchung, eine väterliche Heldenfigur zu erschaffen. Das erfordert Mut.

---Paulo de Carvalho

Hill of Pleasures

Dokumentarfilm
Brasilien,
Niederlande
2012
90 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Janneke Doolaard, Hanneke Niens, Hans de Wolf, Maria Ramos
Regie
Maria Ramos
Kamera
Guy Gonçalves, Leo Bittencourt, Miguel Lindenberg
Schnitt
Karen Akerman
Jahrzehntelang überließ der Staat den Drogenkartellen das Regiment über die Favelas von Rio de Janeiro. In Vorbereitung der Fußball-WM 2014 hat er seine Strategie geändert und stationiert nach massivem Militäreinsatz in den Armenvierteln Spezialeinheiten der „Befriedungspolizei“ UPP. Die Regisseurin Maria Ramos beobachtet deren Arbeit in der Favela Morro dos Prazeres. Hier soll die immer noch verhasste Polizei jetzt staatliche Präsenz zeigen und den Dialog mit der Bevölkerung wiederherstellen. Das stößt nicht nur auf Misstrauen, sondern auch auf hartnäckigen Widerstand. Ramos begleitet den Alltag der Polizisten, ihre Kontrollgänge, Blitzaktionen und Verhandlungen mit den Bewohnern. Parallel dazu nimmt sie die Perspektive der einfachen Menschen ein, zeigt ihr Leben in der Gemeinschaft und erfährt von ihrer Vergangenheit. Auf einer der „Baile Funk“-Partys, von der Favela als kulturelle Ausdrucksform hervorgebracht, wird ausgelassen gefeiert und getanzt. Doch der Blick vom Hügel auf das nächtliche Rio lässt ahnen, dass der Friede trügerisch ist …

---Paulo de Carvalho
Länderfokus Brasilien 2013
Housemaids Gabriel Mascaro

Hausangestellte gehören in Brasilien zur Familie. Jugendliche im Gespräch mit Frauen, die wie Mütter für sie sind, doch kein Privatleben haben dürfen. Soziogramm einer Gesellschaft.

Housemaids

Dokumentarfilm
Brasilien
2012
75 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Rachel Ellies
Regie
Gabriel Mascaro
Kamera
Alana Santos Fahel, Ana Beatriz de Oliveira, Jenifer Rodrigues Régis, Juana Souza de Castro, Luiz Felipe Godinho, Perla Sachs Kindi, Claudomiro Canaleo Neto
Schnitt
Eduardo Serrano
Buch
Gabriel Mascaro
Ton
Eduardo Serrano
Sieben Jugendliche, sieben Kameras und sieben Tage Drehzeit – das ist der Rahmen, den Gabriel Mascaro seinem filmischen Experiment setzt. Die Hauptdarsteller stehen auch fest: Es sind die „Domésticas“, die Angestellten im Zuhause der jungen Leute, die vom Kinderhüten über das Kochen und Bügeln bis hin zum Chauffieren alles erledigen. Die Doméstica ist eine feste Größe in vielen brasilianischen Haushalten. Sie wird fast als Familienmitglied betrachtet, lebt aber in großer Abhängigkeit von ihren Arbeitgebern – oft weit weg vom Ehemann und den eigenen Kindern. Der Film begleitet nicht nur den Arbeitsalltag der Hausangestellten, sondern eröffnet uns auch Einblicke in ihr eng begrenztes Privatleben. Aus den Beobachtungen und Gesprächen der Jugendlichen mit den Domésticas, die oft wie eine zweite Mutter für sie sind, montiert Mascaro ein spannendes Soziogramm der brasilianischen Gesellschaft. Obwohl er direkte Aussagen zu Klassenunterschieden oder zu den Arbeitsbedingungen der porträtierten Personen meidet, schälen sich die Machtverhältnisse in seinem Film deutlich heraus. Es gelingt dem Regisseur auf subtile und nuancenreiche Weise, in diesen familiären Mikrokosmen die unsichtbare Trennlinie zwischen der persönlichen und der Arbeitsbeziehung aufzuzeigen.

---Paulo de Carvalho

Linear

Animationsfilm
Brasilien
2012
6 Minuten
Untertitel: 
_ohne Dialog / Untertitel

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Produktion
Rogério Nunes, Karmatique Imagens
Regie
Amir Admoni
Musik
Amir Admoni
Kamera
Newton Leitão
Schnitt
Amir Admoni
Animation
Thiago Martins, Fabio Yamaji, Amir Admoni
Buch
Amir Admoni, Fabito Rychter
Ton
Nick Graham Smith
Eine Linie ist ein Punkt, der spazieren gegangen ist. So ein Ausflug kann ziemlich hart werden, besonders wenn er auf der Stadtautobahn stattfindet. Amir Admoni zeigt uns São Paulo, wie wir es noch nie gesehen haben.
Länderfokus Brasilien 2013
Mauro in Cayenne Leonardo Mouramateus

Fiktiver Brief an einen Onkel, der in die Ferne zog. Erinnerungen an die Kindheit und Schilderungen der Gegenwart einer Stadt im Umbruch, voller Fantasie und Metaphern.

Mauro in Cayenne

Dokumentarfilm
Brasilien
2012
18 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Leonardo Mouramateus
Regie
Leonardo Mouramateus
Schnitt
Leonardo Mouramateus, Salomão Santana
Buch
Leonardo Mouramateus, Salomão Santana
Ton
Lucas Coelho de Cravalho, Rodrigo Fernandes, Leonardo Mouramateus
Der Regisseur schreibt einen fiktiven Brief an seinen Onkel Mauro, der die Familie für einen Neuanfang in Cayenne im fernen Französisch-Guayana verlassen hatte. Das Jetzt spiegelt sich in Geschichten und Momentaufnahmen wieder, in denen die kindlichen Albereien des Neffen Marquinhos oder die Großmutter mit ihren Kindheitserinnerungen eingefangen werden. Der abwesende Onkel regt die Fantasie an: über ein heldenhaft-abenteuerliches Leben dort in der Ferne oder wie es wäre, wenn Mauro wieder auftauchen und plötzlich die Straße herunterkommen würde. Geschichten aus der Vergangenheit, Schilderungen der Gegenwart, Ausblicke auf die Zukunft in Fortaleza, einer Stadt im Umbruch, in der die Bäume Neubauten weichen müssen. Der aus dem Meer aufsteigende Godzilla als Metapher für die Immobilienspekulation, die in die Stadt einfällt, um ihr ein neues Erscheinungsbild zu verpassen. Rückblicke auf die Kindheit. „Und immer kehrt man am Sonntagvormittag nach Hause zurück.“

---Paulo de Carvalho
Länderfokus Brasilien 2013
Rio 2096: A Story of Love and Fury Luiz Bolognesi

Ein Tupinambá-Krieger gegen portugiesische Kolonialisten, in Sklavenaufständen und im Widerstand gegen das Militärregime – 600 Jahre Brasilien, atemberaubend animiert.

Rio 2096: A Story of Love and Fury

Animationsfilm
Brasilien
2012
75 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Fabiano Gullane
Regie
Luiz Bolognesi
Musik
Rica Amabis, Tejo Damasceno, Pupillo
Kamera
Anna Caiado, Daniel Greco
Buch
Luiz Bolognesi
Dieser neue brasilianische Animationsfilm ist gewagt und beeindruckend zugleich. Gewagt, weil er 600 Jahre brasilianischer Historie vereinen will. Beeindruckend, weil er dies in einer spannenden Liebesgeschichte für Erwachsene verpackt und in atemberaubenden Bildern erzählt. Auf einer Zeitreise kämpft der Tupinambá-Krieger Abeguar gegen portugiesische Kolonialisten, wirft sich in die Sklaven-Aufstände des 19. Jahrhunderts und beteiligt sich am Widerstand gegen das Militärregime der 1970er Jahre. Die große Liebe des unsterblichen Helden zu seiner (sterblichen) Frau Janaína verbindet die Episoden und führt beide in eine fiktive Zukunft im Jahr 2096, in der Abeguar wieder gegen finstere Mächte und für seine Liebe kämpfen muss.

---Annegret Richter
Länderfokus Brasilien 2013
The Rê Bordosa Dossier Cesar Cabral

Aufstieg und Niedergang einer Kultfigur des Brasiliens der Achtziger, die dem Alkohol, den Männern und einem zügellosen Lebensstil verfallen war: die Comic-Heldin Rê.

2008

The Rê Bordosa Dossier

Animadok
Brasilien
2008
16 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Cesar Cabral
Regie
Cesar Cabral
Musik
Claudio Augusto
Kamera
Marcelo Trotta
Schnitt
Cesar Cabral, Leandro Maciel
Animation
Cesar Cabral
Buch
Cesar Cabral, Leandro Maciel
Ton
Eduardo Santos Mendes
In den 1980er Jahren, als die Militärdiktatur in Brasilien langsam von Demokratie und Meinungsfreiheit abgelöst wurde, war das Klima günstig für die Erschaffung einer Frau, die Furore machen sollte: Rê Bordosa, die legendäre Comicfigur des Zeichners Angeli. Dem Alkohol, der Promiskuität und überhaupt einem zügellosen Lebensstil verfallen, diente ihr die Badewanne als Ort der Selbstdarstellung und Erholung von ihren Exzessen. Immer in Begleitung eines guten Drinks, einer Zigarette oder auch mal spontaner Männerbekanntschaften, wurde sie innerhalb kürzester Zeit zur Kultfigur. Ende der 80er beschloss Angeli jedoch, seine Heldin sterben zu lassen.
Zwei Jahrzehnte später versucht dieser dokumentarische Trickfilm, Licht in jenes dunkle Kapitel der brasilianischen Subkultur zu bringen und die Motive zu klären, die zur Tötung der anrüchigen Heroine durch die Hände ihres eigenen Schöpfers führten. Weitere Figuren, die mit Rê Bardosa diesen Kosmos bevölkerten, sowie deren jeweilige Erfinder lassen durch ihre Aussagen eine bewegte Zeit der Übertretung herkömmlicher moralischer Normen und Verhaltensweisen wiederauferstehen. Rê selbst hätte nie gewollt, dass man ihr Ableben betrauert – also bleibt uns nur, uns an diesem Film zu erfreuen!

---Paulo de Carvalho
Länderfokus Brasilien 2013
Tropicalia Marcelo Machado

Caetano Veloso, Gilberto Gil und die revolutionäre Musik des Tropicalismo in unbekannten Archivaufnahmen und Erinnerungen anderer Künstler. That’s Hüftschwung, Baby!

Tropicalia

Dokumentarfilm
Brasilien
2012
87 Minuten
Untertitel: 
englische

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Regie
Marcelo Machado
Kamera
Eduardo Piagge
Schnitt
Oswaldo Santana
Animation
Gabriel Bitar
Buch
Di Moretti, Marcelo Machado
Ton
François Wolf
In den 1960er Jahren, mitten in den Zeiten der Diktatur, gaben Caetano Veloso und Gilberto Gil der Öffnung und Neuformulierung brasilianischer Musik und Kultur einen starken Impuls, indem sie Einflüsse aus Pop, Rock und moderner Massenkultur in die einheimische Populärmusik einfließen ließen.
„Tropicália“ zeichnet den Aufstieg der beiden Ikonen dieser revolutionären Musikströmung nach und entwirft, ergänzt um Erinnerungen anderer Musiker und Künstler des „Tropicalismo“, ein faszinierendes Bild der elektrisierenden Musik und Kultur Brasiliens im Aufbruch. Durch die geschickte Auswahl und Montage von teilweise unveröffentlichten Archivbildern zieht Marcelo Machado Parallelen zu Cinema Novo, Theater und bildender Kunst, die sich ebenfalls im Umbruch befanden, und ordnet diese in einen gesellschaftspolitischen Rahmen ein. Als Reaktion auf ihre kritischen und widerständigen Inhalte wurde diese Hochzeit von Kultur und schöpferischer Freiheit durch das Militärregime jäh beendet. Im Londoner Exil verleibten Veloso und Gil den eigenen Kompositionen weiterhin lokale Einflüsse ein – in einem kreativen Prozess, der das „Brasilianische“ neu definierte und die modernistische Idee des „kulturellen Kannibalismus“ zur Grundlage nahm.

---Paulo de Carvalho