In alten Märchen verliefen sich die Kinder im Wald, heute verirren sich die Menschen in den Tiefen des Internets. Eine junge Frau, Sandra aus Montreal, beginnt eine Online-Beziehung mit der syrischen Bloggerin Amina. Aus dem digitalen Flirt wird eine Romanze, erotische Phantasien werden beflügelt und miteinander ausgetauscht. Als 2011 in Syrien der Aufstand ausbricht, ermutigt Sandra Amina, aus ihrem Alltag zu berichten. Die internationalen Medien springen reflexartig an: „A Girl from Damascus“ berichte von den Kriegswirren, eine zarte weibliche Stimme inmitten der immer unübersichtlicher werdenden Frontlinien, dazu noch „gay“. Dann wird Amina entführt. Was den Medien ins Bild passt und zu einer internationalen Suchaktion führt, wird für Sandra zur privaten Mission – und Obsession. Aber plötzlich verlieren sich die Spuren …
Die kanadische Filmemacherin Sophie Deraspe dekonstruiert gemeinsam mit Sandra den Fall, der sich als hochkomplexe Gemengelage aus Hype und Hysterie erweist. Sie begegnet dem Stoff mit einer komplexen und changierenden Erzählweise, die die Überlagerungen von Realität und Fiktion, Medienwirklichkeit und Projektion, Sehnsucht und Revolution aufgreift. Uns Zuschauer führt sie in ein Labyrinth, an dessen Ausgang uns eine geradezu triviale, gleichwohl allzu menschliche Erkenntnis erwartet.
Cornelia Klauß