„Die Zukunft ist ein relatives Konzept. Sie uns vorzustellen, liegt an uns.“ Wie Recht hat doch diese Fernsehmoderatorin, die zu einer Zeit, in der Menschen erstmals den Mond begehen und Panzer in Prag einfahren – beides mit unabsehbaren Folgen – wohlfrisiert und in schwarz-weiß auf eine womöglich farbige Zukunft anstößt. Denn wer kann schon wirklich wissen, wie die Menschen in einigen Jahrzehnten leben werden. Als Petr 1974 am Tag seiner Hochzeit mit Jana in Prag ein Tagebuch beginnt, weiß er nicht, wie die Welt und wie sein kleines Familienuniversum sich entwickeln werden – und wie sich beides gegenseitig beeinflusst. Als Helena Třeštíková kurz darauf beginnt, Janas Schwangerschaft mit der Kamera zu begleiten, weiß sie nicht, dass daraus 37 Jahre später ihre bisher längste Langzeitdokumentation entstehen sollte: „Private Universe.“
Petrs Tagebuchaufzeichnungen bilden das variable Gerüst für dieses stets leichtfüßige Familienportrait. Aus der Tagebuch-Perspektive erscheinen große politische Umbrüche zuweilen als Randnotizen, während erste Zähne zu zentralen Ereignissen werden. Im Kleinen wird der Wandel der Tschechischen Gesellschaft nachvollzogen, ein Leben zwischen Karel Gott und John Lennon. Die ganze Dimension des Filmtitels offenbart sich aber erst, wenn Sohn Honza, der Widerspenstige, sich zum eigentlichen Protagonisten entwickelt. Denn zur Stunde seiner Geburt vor 37 Jahren ahnte er noch nicht, dass er bereits unter dem Stern der Kamera stand. Ein guter Stern?
Lars Meyer
Ausgezeichnet mit dem MDR-Filmpreis 2012