Die Spezialität der tschechischen Regisseurin Helena Třeštíková sind Langzeitbeobachtungen. Über Jahre begleitet sie ihre Protagonisten, immer mehrere gleichzeitig. Unter ihnen ist seit 1996 auch Vojta Lavička, ein hochbegabter Geiger und Roma, der versucht, seinen Weg als Musiker zu finden und Tschechien gerne seine Heimat nennen würde. Aber die Verhältnisse sind nicht so. In der Zeit, als die ČSSR noch sozialistisch war, hatte er nichts zu befürchten. Seit jedoch das Land halbiert wurde und stolzes Mitglied der EU ist, hat sich die Situation dramatisch verändert. Nur auf der Bühne fühlt er sich noch sicher: Dort wird er gefeiert. Die Band, in der Lavička mitspielt, nennt sich selbstbewusst „gipsy.cz“ und bewegt sich musikalisch irgendwo zwischen Gypsy-Groove, Balkan-Folk oder Romano-Hiphop. Welchen Namen auch immer man ihrer Musikrichtung geben mag, sie bringen die Säle zum Kochen. Sogar eine Goldene Schallplatte war schon mal drin. Im Alltag hingegen muss er Demütigungen hinnehmen, weil er wegen seines dunkleren Teints leicht identifizierbar ist. Die Mütter seiner Freundinnen verbieten die Beziehungen, er wird bedroht, beginnt zu trinken. Im Verlauf der strengen Chronologie der Ereignisse zieht Třeštíková nüchterne Bilanz. Lavička stemmt sich erst kraftvoll, dann immer verzweifelter gegen das Stigma, das er gern mit Stolz tragen würde. Cornelia Klauß