Kriminal- oder Liebesgeschichte? 1988 tötete Jens Michael Schau im Affekt seinen Lebenspartner und Schriftstellerkollegen Christian Kampmann. Der Fall ging durch die Medien, denn Christian war als Autor eine Berühmtheit in Dänemark. Obwohl Jens seine Strafe längst abgebüßt hat, versteckt er sich bis heute wie ein scheues Tier in seiner Wohnung, aus Angst, die Menschen durch seine bloße Anwesenheit zu verletzen. Doch auch für ihn kommt die Zeit: Seine Geschichte – die hinter der Tragödie – muss heraus. Im Schutz seiner vier Wände lässt sich Jens auf die Kamera ein, die er zögerlich umkreist, stets auf der Hut vor sich selbst. Aus dem Off eröffnen ihm die behutsamen Nachfragen des Regisseurs den Weg in die Vergangenheit: eine bedingungslose Liebe, die für den Psychologiestudenten damals zugleich das Coming-out und den Bruch mit seiner konservativen Familie bedeutete.
Die Zeitreise durch das liberale homosexuelle Kopenhagen der 1970er und 80er Jahre mündet in einen Gefühlswirbel aus Verlustängsten, Eifersucht und Literatenneid. Jens’ überfällige Rückkehr in die Gesellschaft vollzieht sich im Film doppelt: Die Worte, die er sich abringt, spiegeln sich situativ in den Bühnenproben zu einem autobiografischen Theaterstück. Mittels der Darsteller formuliert wiederum Jonas Poher Rasmussen seine eigenen Fragen an den Stoff: Wie lässt sich diese Geschichte erzählen – und wie mit ihr leben?
Lars Meyer