Hinter einem großen Schaufenster im belebten Zentrum von Tallinns Altstadt lümmelt bierbauchig in Boxershorts und mit Brille ein freundlicher Herr auf einem Sofa. Er grüßt die verwunderten, kichernden Passanten. Mit ihm grüßt ein schlichtes Pappschild in der Fensterecke, das sagt: „Begging for Love“. Der nette Mann von nebenan ist der estnische Schriftsteller Peeter Sauter. Und wenn er schreibt, ist er nicht nett, sondern provoziert mit grober Sprache. Er fühlt sich Charles Bukowski nahe, aber ist als estnischer Autor Außenseiter genug.
Sensibel, ehrlich und mit feinsinnigen Inszenierungen begegnet Manfred Vainokivi in seinem Film dem Endfünfziger in dessen Schreib- und Lebenskrise. Sauter sieht sich selbst immer noch als kleinen Jungen. Allerdings macht ihm nach seiner Scheidung nun zu schaffen, welche Frau an einem alten, fetten Mann interessiert sein sollte. Er philosophiert nackt und mit Bierflasche vor der Waschmaschine sitzend. Der künstlerische Provokateur offenbart eine tiefliegende romantische Sehnsucht. Für neue Erfahrungshorizonte setzt er sich komischen wie auch irritierenden Rollenspielen aus. Er schläft auf dem Grab seiner Eltern, lernt Striptease und steht für einen rassistischen Fotografen und seine schrecklichen Motive Modell. In all seiner Melancholie geht Peeter Sauter auf das Leben zu: „Gibt es irgendwen, den allein das Denken irgendwohin gebracht hat?“
André Eckardt