Filmarchiv

Jahr

Int. Wettbewerb Kurze Dokfilme 2013
Alppikatu 25 – Home to the Homeless Inka Achté, Marika Väisänen

Kahle Flure, schmale Zellen: ein Obdachlosenheim in Helsinki und seine Bewohner. Lebensspuren und Innenwelten in langen Kamerafahrten und subtilen Geräuschcollagen.

Alppikatu 25 – Home to the Homeless

Dokumentarfilm
Finnland
2012
27 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Cilla Werning, Liisa Juntunen
Regie
Inka Achté, Marika Väisänen
Musik
Graham Hadfield
Kamera
Sari Aaltonen, Daniel Lindholm, Tuomas Järvelä
Schnitt
Hannele Majaniemi
Alppikatu-Straße 25 lautet seit 1937 die Adresse eines Obdachlosenheimes in Helsinki. Ein Ort für Männer ohne eigenen Ort. Männer ohne Vergangenheit? „Create your own memories“, steht jedenfalls als Motto auf einem Zettel an der Wand. Und doch speichert das eintönige Gebäude, das mit seinen langen, kahlen Fluren und schmalen Zellen durchaus Assoziationen an ein Gefängnis wachruft, gewissermaßen die Erinnerungen und Lebensspuren vieler Menschen, die sich hier ein minimales Zuhause geschaffen haben, wenn auch nur vorübergehend. Fünf von ihnen kommen zu Wort. Jeweils für einen Moment taucht der Film in ihre innere Welt ein, nur durch ihre Stimme, ergänzt durch subtile Geräuschcollagen. Optisch bleiben die Männer Phantome. Manchmal sind sie gebannt in die Unschärfe des Raumes, manchmal erscheinen sie nahe am Stillstand. Nur der Zigarettenrauch scheint sich dann noch zu bewegen. Der Raum indessen lässt sich widerstandslos von der Kamera ergründen, so als gäbe er tatsächlich Auskunft über seine Bewohner. Das Abstrakte liegt nahe am Konkreten, die Zeit streift den Raum.

Lars Meyer
Int. Wettbewerb Kurze Dokfilme 2013
Emergency Calls Hannes Vartiainen, Pekka Veikkolainen

Notrufe: eine Geburt, ein Unfall, der letzte Funkspruch der „Estonia“. Und Bilder aus dem All. Experimentelle Betrachtung des Worst Case und sphärisches Menetekel.

Emergency Calls

Dokumentarfilm
Finnland
2013
15 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Hannes Vartiainen, Pekka Veikkolainen
Regie
Hannes Vartiainen, Pekka Veikkolainen
Musik
Joonatan Portaankorva
Kamera
Hannes Vartiainen, Pekka Veikkolainen
Schnitt
Hannes Vartiainen, Pekka Veikkolainen
Animation
Hannes Vartiainen, Pekka Veikkolainen
Buch
Hannes Vartiainen, Pekka Veikkolainen
Ton
Joonatan Portaankorva
What is your emergency? Mit der Frage, die stets am Anfang des Telefonats mit einer Notfallzentrale steht, beginnt auch dieser Film. Auf der Tonspur aufgeregte, manchmal verzweifelte Menschen. Notfälle: eine Sturzgeburt, eine Massenkarambolage. Aber auch ein Amoklauf und der letzte Funkspruch der„Estonia“. Der Anruf markiert die Grenze zwischen Leben und Tod, die – vielleicht – überschritten wird. Das hängt auch von denen ab, die ihn entgegennehmen: hier verkörpert von weißen Gestalten, bar jeglicher Status generierender Symbole wie Kleidung oder sogar Haare. Reduziert auf den nackten, puren Menschen, auf den es ankommt. Oder sind es die Erinnyen, die unser Schicksal in den Händen halten?
Es gibt kein Blut, keine Katastrophenbilder. Stattdessen NASA-Aufnahmen der Erde aus dem All, Wolken, Lichtspiele, Radaranzeigen, pointiert verfremdet. Was ist die Not eines Menschen angesichts der Unendlichkeit des Universums? – Alles, sagt dieser Film, der sich wie alle Werke des Regieduos Vartiainen/Veikkolainen jeder Kategorisierung entzieht. Er erinnert an den Konjunktiv, der unser gesichertes Leben als Möglichkeit des Worst Case durchzieht. Ein Menetekel, das leise über uns schwebt. Hätte. Könnte. What is your emergency?

Grit Lemke

The Wait

Dokumentarfilm
Finnland,
UK
2012
25 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Inka Achté
Regie
Inka Achté
Musik
Graham Hadfield
Kamera
Inka Achté
Schnitt
Rodrigo Saquel
Ton
Nina Rice
Sie verschwinden von einem Tagauf den anderen. Väter, Ehemänner, Söhne, sie verlassen die Wohnung auf dem Weg zu einer Verabredung und tauchen nicht wieder auf. Zurück bleiben die Familien, die unter Umständen nie erfahren, ob etwas passiert ist oder sie verlassen wurden. Schlaflos wälzen sie alle Indizien in ihrem Kopf wieder und wieder hin und her. Verzweifelt suchen sie wie in einem Puzzle nach Zeichen, die sie übersehen haben könnten und rekonstruieren jedes Detail der letzten Stunden. Sie warten über Jahre und haben gleichzeitig vor nichts mehr Angst, als vor einer Antwort. Für diese beinahe unerträgliche Stimmung der Ungewissheit hat die Regisseurin Inka Achté flirrende Bilder gefunden. Der Blick auf Bahnhöfe und Menschenmengen trägt die trügerische Hoffnung in sich, der Vermisste könnte plötzlich unter ihnen sein. Dazwischen erscheinen die Protagonisten wie Schattenrisse, die die Kamera der Dunkelheit entreißt. So verdeutlichen die oszillierenden Bilder die schicksalhafte Verkettung der An- und der Abwesenden, des Diesseits und des Jenseits. Nur der beleibte Junge, der seinem verschwundenen Vater so ähnlich sieht, hat etwas, woran er sich klammern kann. Ganz behutsam hält er sein Meerschweinchen im Arm.

– Cornelia Klauß