Die Zukunft? Eine Kugel in den Kopf. – So fühlt es sich an, wenn man im Wohlfahrtsblock des „Hilton“, eines heruntergekommenen Neubauviertels in Helsinki, gestrandet ist. Wer hier lebt, ist noch keine 30 und hat alles durch. Er hat Wut im Bauch und Traurigkeit, die nicht zu Trauer werden will, sondern sich entladen muss. Indem man den Kopf gegen einen Balken haut, immer wieder. Indem man sich verletzt oder einfach nicht mehr rausgeht und sich irgendwann daran gewöhnt. Hier schläft man mit dem Messer unterm Kopfkissen, weil man es nicht anders kennt, und hier zerreißt man Rechnungen, weil es eh egal ist.
Virpi Suutari aber, aus der Zauberschule des finnischen Dokumentarkinos kommend, sieht keine Sozialfälle, sondern die Individuen Janne, Toni, Mira, Pete und Make. Während ihre Geschichten erzählt werden, die nahezu zwangsläufig nach ganz unten führen, beginnen sie im Film, aus sich selbst heraus zu leuchten. Die Bilder sind rau, nichts ist poliert, die Montage so impulsiv wie die Emotionen der Protagonisten und ihre flashartigen selbstgedrehten Handybilder. Kein Hauch von Sozialromantik – und doch findet die Kamera Momente von Reinheit, In-sich-Ruhen und Wärme. Sie findet eine Gemeinschaft, die den bürgerlichen Begriff von Familie neu definiert. Ein Kind wird geboren. Dass diese Geschichte mit Hoffnung endet, ist aber vor allem der Kraft von Suutaris Erzählung zu verdanken.
Grit Lemke
Ausgezeichnet mit dem Preis der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di 2013