Filmarchiv

Internationales Programm 2013
De que vuelan, vuelan Myriam Bou-Saha, Ananda Henry-Biabaud

Zwei Frauen auf der Suche nach spiritueller Heilung in der Welt der Hexer, Schamanen und Wahrsager von Venezuela. Viel schwarze Magie und noch schwärzerer Humor.

De que vuelan, vuelan

Dokumentarfilm
Frankreich
2013
53 Minuten
Untertitel: 
englische
spanisch
französische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Alexis Taillant
Regie
Myriam Bou-Saha, Ananda Henry-Biabaud
Musik
Yannis Dumoutiers, Antony Antcliff, Julien Beaugé
Kamera
Myriam Bou-Saha, Ananda Henry-Biabaud
Schnitt
Mélanie Brun
Buch
Sidonie Garnier, Myriam Bou-Saha, Ananda Henry-Biabaud
Ton
Capucine Caro, Thomas Prulière
In Venezuela blüht der Geisterglaube. In labyrinthischen Gassen bieten allerlei Hexer, Schamanen, Priester, Wahrsager ihre Dienste an. Sie beschwören ihre afrikanischen Ahnen, um sich in Trance zu versetzen, paffen fette Zigarren, aus deren Asche sie das Schicksal ablesen, spucken hin und wieder herzhaft aus und nehmen rituelle Schutzwaschungen mit Hühnerblut vor. Katholischer Heiligenkult und Voodoo sind in ihren Altären und Schreinen eine seltsame Mischung eingegangen. Heiler oder Scharlatane? Wie auch immer – viele Menschen, die sich verloren fühlen, setzen auf sie. So auch die zwei Protagonistinnen. Die eine kommt über den gewaltsamen Tod ihres Sohnes vor 16 Jahren nicht hinweg. War es Mord oder Selbstmord – oder am Ende doch ihre eigene Schuld, wie ihre Schwester behauptet? Die andere fühlt sich von einem bösen Geist heimgesucht, der sie zwingt, um sich zu schlagen, zu fluchen und Alkohol zu trinken.
Ihre verzweifelte Suche nach der Wahrheit treibt beide von einem rettenden Ritual zum nächsten. Und mit ihnen nehmen wir an dieser teils schillernden, teils bizarren Welt des Okkultismus unmittelbar teil. Doch wo schwarze Magie ein selbstverständlicher Bestandteil des Lebens ist, gibt es scheinbar auch schwarzen Humor. Der geht den Frauen trotz aller Rückschläge nie verloren und der Film gewinnt ihm ein großes Augenzwinkern ab.

Lars Meyer

Finistere

Dokumentarfilm
Frankreich,
Deutschland
2013
26 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Simon Riedl
Regie
Daniel Andreas Sager
Musik
Andrej Ugoljew
Kamera
Julia Hönemann
Schnitt
Isabella Kohl
Buch
Daniel Andreas Sager
Ton
Stefan Kesper
Finistère, das so etwas bedeutet wie „Ende der Erde“, ist ein Ort in Frankreich an der Spitze der bretonischen Halbinsel. Vom Ende spricht jedenfalls der Mann mit den kleinen verschmitzten Augen, der an diesem Ort seine Spuren im Sand hinterlässt. Den Tod seiner Tochter habe er nie akzeptiert, vor dem eigenen habe er keine Angst. Daniel lebt in einem kleinen Boot am Strand, genießt trotz Lungenkrebs seine Zigarette, schreibt Gedichte und zitiert gerne Léo Ferré. Er „ist lieber einsam, als in schlechter Begleitung“ und philosophiert über das Weitermachen, obwohl das Ende in ebenso greifbarer Nähe ist wie die See. Und Daniel macht weiter. Wir erleben ihn in stillen Momenten, während die Wassermassen an die schroffe Felsenküste schlagen und das rauschende Meer einen unaufhaltsamen Energiefluss versinnbildlicht. Daniel Andreas Sager hat mit dem Mann, der den gleichen Vornamen trägt wie er selbst, eine überaus erstaunliche Persönlichkeit entdeckt und gibt uns Hoffnung, dass Ferré recht hat, wenn er in der Stille des Meeres ein verfluchtes Schaukeln vermutet, welches unser Herz erlöst.

Claudia Lehmann
Internationales Programm 2013
Inside Out Alastair Siddons

Der junge Künstler JR bringt riesige Fotos von Bewohnern der Städte dorthin, wo sich sonst Werbung oder Konterfeis von Diktatoren breitmachen. Kunst erobert die Stadt. Eine Vision.

Inside Out

Dokumentarfilm
Frankreich
2012
70 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Emile Abinal
Regie
Alastair Siddons
Musik
Antonio Pinto, Samuel Ferrari, Dudu Aram, Patrice Bart-Williams
Kamera
Patrick Ghiringhelli
Schnitt
Gregor Lyon
Ton
Philippe Welsch
„Die Rückeroberung des öffentlichen Raumes“, könnte man das Anliegen des jungen französischen Künstlers JR nennen. Seit 2001 reist er durch die ganze Welt, bevorzugt an Orte, die zerstört, vernarbt oder schwer begehbar sind, Orte, deren Straßenbild von den großformatigen Konterfeis der Diktatoren beherrscht sind, oder wo sich Werbeplakate dreist breitmachen. Zwischen den maroden Mauern von Havanna, Islamabad oder Port-au-Prince platziert er großflächige Porträts der Bewohner – Fotografien von Gesichtern mit vielen Falten, gezeichnet von den Spuren des Lebens, in harten Schwarz-Weiß-Kontrasten. Ihr direkter Blick in die Kamera fragt: Wem eigentlich gehört die Stadt? Den Investoren? Den Politikern? Den Propagandisten?
In demselben Geist ist JR’s Idee zu verstehen, kein Monopol auf seine Kunstwerke zu erheben. Er forderte weltweit dazu auf, sich dem Inside-Out-Projekt anzuschließen. Der Film zeigt drei Stationen. Was wie ein Happening anfing, zeigt schnell seinen zutiefst politischen Charakter. In Tunesien stößt das Projekt auf heftigen Protest, die Situation droht sogar zu eskalieren. Wie Eindringlinge werden die Künstler behandelt. In North Dakota hingegen sind jugendliche Selbstmörder das Thema, in Haiti erlebt man lebenshungrige Heranwachsende, die sich zwischen den Ruinen der vom Erdbeben zerstörten Stadt ihren Optimismus nicht nehmen lassen wollen. „Inside Out“ ist kein Künstlerfilm, sondern vielmehr eine Vision davon, was Kunst kann, wenn man sie freigibt und freilässt.

Cornelia Klauß

Miniyamba – Walking Blues

Animationsfilm
Dänemark,
Frankreich
2012
14 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Vibeke Windeløv
Regie
Luc Perez
Musik
Moussa Diallo, Yann Coppier
Kamera
Luc Perez
Schnitt
Luc Perez
Animation
Luc Perez
Buch
Michel Fessler, Luc Perez
Ton
Yann Coppier
Täglich verlassen Tausende Menschen weltweit ihre Heimat. Aus Mali macht sich eines Tages auch Abdu auf den Weg – Europa funkelt aus der Ferne. In der Odyssee vom Nigerstrom zum Stacheldraht des spanischen Auffanglagers Ceuta begegnen dem jungen Mann harsche Realitäten. Was kann da noch von seinen Träumen übrigbleiben?

Sister and Brother

Animationsfilm
Frankreich
2012
4 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Annick Teninge
Regie
Marie Vieillevie
Schwester und Bruder stehen sich sehr nahe. Doch ihre unbeschwerte gemeinsame Zeit am Meer wird gestört durch die Anwesenheit eines anderen Jungen. Ein subtiler Film über das Erwachsenwerden.

The Caketrope of Burton's Team

Animationsfilm
Frankreich
2012
2 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Alexandre Dubosc
Regie
Alexandre Dubosc
Musik
Yan Fiorello
Kamera
Alexandre Dubosc
Schnitt
Alexandre Dubosc, Juliette Loubières
Animation
Alexandre Dubosc, Juliette Loubières
Ton
Yan Fiorello
Eine kurze, berauschende, schokoladige Hommage an Tim Burton: Die hohe Kunst der Patisserie trifft auf Stop-Motion-Virtuosität. Eine kleine Reverenz an Eadweard Muybridge, den Vater des Zoopraxiskops, bleibt nicht aus. Kulinarisches Kino vom Feinsten, nicht nur für Cineasten – denn Liebe geht durch den Magen.

The Executioner's Tear

Dokumentarfilm
Frankreich
2013
26 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Salam Jawad
Regie
Layth Abdulamir
Kamera
Mohammed Al Halouani
Schnitt
Benoît Héry
Buch
Layth Abdulamir
Eine mindestens acht Jahre währende Ausbildung ist für diesen Job vonnöten. Die genauen Ausführungsdetails, etwa das korrekte Anlegen der Schlinge, werden wie ein Geheimwissen weitergegeben. Seit nunmehr 16 Jahren ist Ashmawi der Henker von Kairo. An die 700 Verurteilte sind „durch seine Hände“ gegangen. Eine Zahl, die ihn stolz macht, beweist sie doch, dass man ihm und seinen Fähigkeiten uneingeschränktes Vertrauen schenkt. Ashmawi ist im Frieden mit sich. Er macht seine Arbeit gewissenhaft und so perfekt als möglich. Das ist eine Frage der Ehre. Mitleid kennt er nicht. Wozu? Ein Imam versicherte ihm einst, dass er als „die Hand Gottes auf Erden“ seinen Segen habe. Aber auch die Verurteilten kommen in diesem vornehmlich auf sorgsam austarierten Interviews basierenden Film zu Wort. Einige von ihnen sitzen bereits seit neun Jahren im Todestrakt und wünschen nichts anderes, als dass Allah ihnen verzeihen möge. So entsteht ein imaginäres Band zwischen dem Henker und jenen, die auf ihre Hinrichtung warten. In der Montage konfrontiert der Regisseur Layth Abdulamir Menschen miteinander, die sich im Leben erst am Tag des Vollzugs sehen werden, nämlich dann, wenn Ashmawi das Gewicht taxiert, um den richtigen Strick zu wählen und die nötige Fallhöhe zu berechnen. Er bringt die Erlösung, denn das Warten ist unerträglicher als der Tod. In 57 Ländern, so teilt ein Insert mit, ist die Todesstrafe noch gängige Praxis. Leute wie Ashmawi werden also immer gebraucht.

Cornelia Klauß