Es geht das Gerücht, dass der Arbeitsmarkt mutige Individualisten sucht. Aber bitte in Grenzen, versteht sich. Tatsächlich gilt: Was nicht passt, wird passend gemacht – oder aussortiert.
Lolita liegt es fern zu lächeln. Kevin weiß nicht, wie er sich verkaufen soll. Hamid kann Chefs nicht ausstehen. Sie sind zwanzig. Sie haben keine Qualifikation. Sie suchen nach Arbeit und werden sich sechs Monate lang von einer Beratungsfirma schulen lassen, um sich die Verhaltensweisen und Ausdrucksformen anzueignen, die auf dem heutigen Arbeitsmarkt gefragt sind.
Die Motive der Berater sind mehr als redlich: jungen Menschen ein anständiges Leben im gegebenen Betrieb zu ermöglichen. Für die Kids ist es eine fremde, seltsame Welt, die sich vor ihnen auftut. Beide Seiten üben sich im Praktizieren bester Absichten, aber mitunter geht trotzdem etwas zu Bruch und manchmal droht gar der Absturz.
Man kennt filmische Darstellungen über das Aufnahmeprocedere bei Schauspielschulen (u.a. „Die Spielwütigen“). Solche sicher aufregenden Situationen sind aber ein Kinderspiel im Vergleich zu dem Rollenstudium, dem sich Lolita, Kevin und Hamid zu unterziehen haben, um einen Part in der Aufführung zu bekommen, welche „(Über-)Leben im gegenwärtigen Kapitalismus“ heißt.
Ralph Eue
Ausgezeichnet mit der Goldenen Taube im Internationalen Wettbewerb Dokumentarfilm 2014