Bevor 2004 die letzte französische Kohlemine in Lothringen schloss, war Joseph Gordillo bereits viele Male mit den Arbeitern in die Tiefe gefahren, um sie zu fotografieren und auf den Bildern auch seine eigene Faszination für die Welt untertage zu fixieren. Die Mine erscheint bei ihm als ein lebendiger Kosmos, dem die Arbeiter angehören. Selbst in Einzelporträts bleiben sie ein Teil des Ganzen. Ihr Charisma entdeckt man in den leuchtenden Augen, ihre Stärke aber in der Gruppe.
In seinem Film verfremdet Gordillo das Fotomaterial. In Kamerafahrten und Bildbearbeitungen sowie abstrakten Toncollagen rekonstruiert er das Zeitalter der Mine. Ein ehemaliger Arbeiter gibt seine Stimme dazu – plastischer Erfahrungsbericht und Gedankenstrom.
Doch Gordillo geht es nicht um Arbeit in der Vergangenheit, sondern um deren gesellschaftliche Bedeutung. Und so fügt er eine zweite Stimme hinzu: eine junge Frau, Tochter eines Minenarbeiters. Auf ihn kann sie noch stolz sein, auf sich selbst nicht mehr. Ihr Leben als Putzfrau in einem Ort, der vom Niedergang geprägt ist, fängt die Kamera in all seiner Sterilität und Perspektivlosigkeit ein. Von der Solidarität und Identität der Minenarbeiter führt der Schritt direkt in die Isolation. Mit den spürbaren Folgen: Entpolitisierung, Arbeitslosigkeit, Rechtsruck. Über zwei Generationen erzählt der Film in suggestiven Bildern vom Herbst der Arbeitsgesellschaft.
Lars Meyer