Filmarchiv

Jahr

Internationales Programm 2015
A Baptism of Fire Jérôme Clément-Wilz

Der Alltag junger Kriegsreporter, die auf eigene Kosten in Krisenregionen reisen und ihr Leben riskieren, um das entscheidende Bild zu schießen. Ein prekärer Job.

A Baptism of Fire

Dokumentarfilm
Frankreich
2015
58 Minuten
Untertitel: 
englische
französische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Jérôme Caza – 2P2L
Regie
Jérôme Clément-Wilz
Kamera
Jérôme Clément-Wilz
Schnitt
Ael Dallier Vega
Ton
Jérôme Clément-Wilz
Zahlreiche Journalist/innen und Fotograf/innen sind heute auf der ganzen Welt unterwegs, um so schnell wie möglich Neuigkeiten und Bilder aus den Konfliktregionen direkt zu uns nach Hause zu liefern. Oft hat das Kino von Kriegsreportern als Helden erzählt. Jérôme Clément-Wilz nimmt eine andere Perspektive ein: Auch der Nachrichtenjournalismus ist eine Industrie. Viele freiberufliche, zumeist junge Fotografinnen und Fotografen reisen auf eigene Kosten in die Kriegsgebiete – in der Hoffnung, zur richtigen Zeit am richtigen Ort das entscheidende Foto zu schießen und es für teures Geld an die führenden Medien oder Agenturen zu verkaufen. In einer intimen Beobachtung folgt der Film dem Alltag junger französischer Reporterinnen und Reporter und gibt ihnen Raum, über ihre Arbeit zu reflektieren. Während des Arabischen Frühlings erfüllt sich ihr Traum: Ihre Bilder schaffen es auf die Titelseiten der größten Blätter. Dennoch vermeidet Clément-Wilz jedes heldenhafte Pathos, sondern zeigt einerseits Abenteuerlust und jugendliche Unbekümmertheit seiner Protagonist/innen, andererseits aber auch das harte Geschäft, in dem es keine Absicherung gibt und am ehesten der überlebt, der sein Leben am bereitwilligsten aufs Spiel setzt. Der Beruf des Kriegsreporters – ein prekärer Job.

Zaza Rusadze
Next Masters Wettbewerb 2015
Brumaire Joseph Gordillo

Die letzten Kohlekumpel Frankreichs in Fotos mit Charisma. Die Gegenwart aber hält für die junge Generation nur prekäre Jobs bereit. Das Ende der Arbeit in suggestiven Bildern.

Brumaire

Dokumentarfilm
Frankreich
2015
66 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Juan Gordillo, Martine Vidalenc
Regie
Joseph Gordillo
Musik
Hervé Birolini
Kamera
Laetitia Giroux
Schnitt
Dominique Petitjean
Animation
Cynthia Gonzalez
Ton
Sandrine Mercier, Christian Lamalle
Bevor 2004 die letzte französische Kohlemine in Lothringen schloss, war Joseph Gordillo bereits viele Male mit den Arbeitern in die Tiefe gefahren, um sie zu fotografieren und auf den Bildern auch seine eigene Faszination für die Welt untertage zu fixieren. Die Mine erscheint bei ihm als ein lebendiger Kosmos, dem die Arbeiter angehören. Selbst in Einzelporträts bleiben sie ein Teil des Ganzen. Ihr Charisma entdeckt man in den leuchtenden Augen, ihre Stärke aber in der Gruppe.

In seinem Film verfremdet Gordillo das Fotomaterial. In Kamerafahrten und Bildbearbeitungen sowie abstrakten Toncollagen rekonstruiert er das Zeitalter der Mine. Ein ehemaliger Arbeiter gibt seine Stimme dazu – plastischer Erfahrungsbericht und Gedankenstrom.

Doch Gordillo geht es nicht um Arbeit in der Vergangenheit, sondern um deren gesellschaftliche Bedeutung. Und so fügt er eine zweite Stimme hinzu: eine junge Frau, Tochter eines Minenarbeiters. Auf ihn kann sie noch stolz sein, auf sich selbst nicht mehr. Ihr Leben als Putzfrau in einem Ort, der vom Niedergang geprägt ist, fängt die Kamera in all seiner Sterilität und Perspektivlosigkeit ein. Von der Solidarität und Identität der Minenarbeiter führt der Schritt direkt in die Isolation. Mit den spürbaren Folgen: Entpolitisierung, Arbeitslosigkeit, Rechtsruck. Über zwei Generationen erzählt der Film in suggestiven Bildern vom Herbst der Arbeitsgesellschaft.

Lars Meyer
Internationales Programm 2014
Harvest Paul Lacoste

Jährlich trifft sich ein bunter Haufen unterschiedlichster Typen zur Weinernte bei Toulouse. Ein ungewöhnlicher Blick auf prekäre Beschäftigung zwischen Not und Selbstbestimmung.

Harvest

Dokumentarfilm
Frankreich
2014
82 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Didier Creste
Regie
Paul Lacoste
Kamera
Yvan Quehec
Schnitt
Anthony Brining
Schauplatz: eine kleine Weinregion östlich von Toulouse. Die Zeit: Mitte September. Das Personal: eine Kompanie von etwa 15 Frauen und Männern – mit Lesescheren und Eimern bewaffnete „Zeitsoldaten“ für die paar Wochen der Weinernte. Der Trupp ist in die Rebzeilen eines mittelständischen Anbaubetriebs in der Region Gaillac ausgeschwärmt. Die Statistik führt sie als Erntehelfer, und im soziologischen Jargon heißen sie „prekär Beschäftigte“. Die Akteure selbst würden diese Zuschreibung jedoch nur bedingt für sich akzeptieren. Sie anzuerkennen hieße, einen großen Teil des eigenen Stolzes herzugeben. Eine solche Haltung mag man unrealistisch nennen, aber genau das scheint den Regisseur Paul Lacoste zu interessieren: mehr, was Menschen tun und was sie damit im wahrsten Wortsinn verkörpern, weniger, was sie an Meinungen äußern. Fast beiläufig vermittelt der Film dann aber doch, wie massiv sich die Unsicherheit einer solchen Existenz in den gesamten Habitus seiner Protagonisten eingeschrieben hat. Alle spüren, wie sie dem stummen Zwang der Verhältnisse unterworfen sind. Sie mögen zwar unterschiedlich virtuos im Verdrängen solch emotionaler und mentaler Erkenntnisse sein – die objektiven Effekte lassen sich kaum leugnen.

Ralph Eue



Ausgezeichnet mit dem Healthy Workplaces Film Award 2014

Internationaler Wettbewerb Dokfilm 2014
Rules of the Game Claudine Bories, Patrice Chagnard

Zwanzig, ohne Ausbildung und „schwer vermittelbar“: Drei Jugendliche versuchen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, also Rollen einzuüben und zu funktionieren. Schräg und wahr.

Rules of the Game

Dokumentarfilm
Frankreich
2014
106 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Muriel Meynard, Patrick Sobelman
Regie
Claudine Bories, Patrice Chagnard
Kamera
Patrice Chagnard
Schnitt
Stéphanie Goldschmidt
Buch
Claudine Bories, Patrice Chagnard
Ton
Benjamin van de Vielle
Es geht das Gerücht, dass der Arbeitsmarkt mutige Individualisten sucht. Aber bitte in Grenzen, versteht sich. Tatsächlich gilt: Was nicht passt, wird passend gemacht – oder aussortiert.
Lolita liegt es fern zu lächeln. Kevin weiß nicht, wie er sich verkaufen soll. Hamid kann Chefs nicht ausstehen. Sie sind zwanzig. Sie haben keine Qualifikation. Sie suchen nach Arbeit und werden sich sechs Monate lang von einer Beratungsfirma schulen lassen, um sich die Verhaltensweisen und Ausdrucksformen anzueignen, die auf dem heutigen Arbeitsmarkt gefragt sind.
Die Motive der Berater sind mehr als redlich: jungen Menschen ein anständiges Leben im gegebenen Betrieb zu ermöglichen. Für die Kids ist es eine fremde, seltsame Welt, die sich vor ihnen auftut. Beide Seiten üben sich im Praktizieren bester Absichten, aber mitunter geht trotzdem etwas zu Bruch und manchmal droht gar der Absturz.
Man kennt filmische Darstellungen über das Aufnahmeprocedere bei Schauspielschulen (u.a. „Die Spielwütigen“). Solche sicher aufregenden Situationen sind aber ein Kinderspiel im Vergleich zu dem Rollenstudium, dem sich Lolita, Kevin und Hamid zu unterziehen haben, um einen Part in der Aufführung zu bekommen, welche „(Über-)Leben im gegenwärtigen Kapitalismus“ heißt.

Ralph Eue



Ausgezeichnet mit der Goldenen Taube im Internationalen Wettbewerb Dokumentarfilm 2014