Filmarchiv

Internationales Programm 2014
BrückenJahre Peter Benedix

Der jahrelange Kampf dreier Lausitzer Dörfer gegen die Abbaggerung. „Brückentechnologie“ aus Sicht der Betroffenen – und der Kohlekumpel. Was wiegt schwerer: Arbeit oder Heimat?

BrückenJahre

Dokumentarfilm
Deutschland
2014
98 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Peter Benedix
Regie
Peter Benedix
Musik
Fabian Koppri
Kamera
Peter Benedix, Andreas Albrecht
Schnitt
Peter Benedix, Andreas Albrecht
Buch
Peter Benedix
Ton
Fabian Koppri
Einmal im Jahr treffen sich die Kerkwitzer Männer zum Maibaumstellen. Seit 2008 war Peter Benedix dabei, der ihrem und dem Kampf der Lausitzer Dörfer Atterwasch und Grabko gegen die drohende Abbaggerung durch den schwedischen Energieriesen Vattenfall folgte. Vier Jahre nach dem aufsehenerregenden „Heimat auf Zeit“ und hauptsächlich durch Crowdfunding finanziert lotet er jetzt noch tiefer aus, was die viel beschworene „Brückentechnologie“ wirklich bedeutet – in einer Region, deren Wohl und Wehe seit mehr als einem Jahrhundert untrennbar mit der Braunkohle verbunden ist und die ihr gleichzeitig zum Opfer fällt. Was wiegt schwerer: Heimat oder Arbeit?
Neben der Frage, was das mit den Menschen macht, die versuchen, in einem jahrelang andauernden, zermürbenden Protest eine Art normales Leben hinzubekommen, begibt Benedix sich stärker als im ersten Film auf die politische Ebene, die der Argumente. Ihm gelingt das Kunststück, beiden Seiten – den Bergleuten und den Protestlern – Raum zu geben, ohne seine Autorenhaltung zu opfern. Während es zu jedem Argument ein (keinesfalls dummes) Gegenargument gibt, Volksbegehren und Verfassungsklagen scheitern und neue Protestmärsche (von beiden Seiten) organisiert werden, eröffnet in Kerkwitz – scheinbar gegen alle Vernunft – ein Dorfladen, und ein Kind wird geboren. Und die Männer stellen den Maibaum. Aber sie sind schon weniger geworden.
Grit Lemke
Internationales Programm 2014
Der Zorn junger Männer Uli Kick

Anti-Aggressionstraining: Acht Jungs, die es gewohnt sind, brutal zuzuschlagen, sollen reden, zuhören, die Opferperspektive einnehmen. Langsam kommt was in Gang … Psychodrama.

Der Zorn junger Männer

Dokumentarfilm
Deutschland
2014
90 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Uli Kick
Regie
Uli Kick
Musik
Wolfgang M. Neumann
Kamera
Waldemar Hauschild, Uli Kick
Schnitt
Gaby Kull-Neujahr
Buch
Uli Kick
Ton
Thomas Schwarz, Gregor Kuschel
„Du bist eigentlich ein Schmarotzer und eine faule Sau.“ Im Antiaggressionstraining gibt es keine Kuschelpädagogik, sondern Klartext. Acht Jungs zwischen 17 und 22 müssen sich acht Monate lang wöchentlich zur Gruppensitzung einfinden oder anderenfalls eine Haftstrafe antreten. Sie haben geschlagen („Auf den Kopf. Wohin sonst?“), auf ihre Opfer eingetreten, sie krankenhausreif geprügelt. Wenn „der Film losgeht“ und die Wut hochzukochen beginnt („Am Hals. Mir wird’s richtig schlecht.“), werden sie zu den „tickenden Zeitbomben“, von denen Presse und Politik sprechen, seit die Gewalt eine „neue Qualität“ erreicht hat und Todesopfer forderte.
Nun müssen sie etwas machen, das ihnen schwerfällt: über sich reden. Zu vertrauen lernen und nachzudenken, bevor man handelt. In Gesprächen und Rollenspielen werden sie mit ihren Taten, mit der Perspektive des Opfers und vor allem mit sich selbst konfrontiert. An Schmerzgrenzen geraten dabei auch die Pädagogen. Dennoch versuchen sie jede Woche neu, so etwas wie Ziele und Perspektiven zu vermitteln, wo keine sind.
Geschickt entwickelt Uli Kick die filmischen Elemente der Therapie: das Dialogische in Interviews und Gesprächssituationen, das Kammerspielartige in der Konzentration auf wenige Personen und Orte, das Psychodrama. Und vielleicht geht es für die Jungs bei der Therapie um das Gleiche wie beim Film: einmal wirklich gesehen zu werden.
Grit Lemke
Internationales Programm 2014
Jedes Bild ist ein leeres Bild Christoph Faulhaber

Ein Videogame-erzeugter Avatar als Alter Ego des Künstlers, der den öffentlichen Raum erforscht. Virtuelle Realität, Überwachung, Videoclip, Dokument, Fiktion und wilder Ritt.

Jedes Bild ist ein leeres Bild

Dokumentarfilm
Deutschland
2014
70 Minuten
Untertitel: 
keine

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Protostyle Pictures
Regie
Christoph Faulhaber
Musik
Pawel Wieleba, Otto Bode, John Francis, The Superpowers, The Embassadors, Harmony Hopper, Oliver Samlaus, Skuzzle Buzz, Giacomo Puccini, Christoph Faulhaber, Frank Müller et al.
Kamera
Lukasz Chrobok, Christoph Faulhaber, Daniel Matzke, Jayson Haedrich, Gregor Gärtner, Jens Apitz
Schnitt
Maren Großmann, Anna Werner, Wolfgang Lehmann, Ramon Urselmann, Jonathan Miske
Buch
Thorsten Ernst, Christoph Faulhaber
Ton
Pawel Wieleba, Modo Bierkamp
Es gibt die Ansicht, dass der öffentliche Raum eine voraussetzungslose Gegebenheit sei, die sich alternativlos (um das Unwort des Jahres 2010 zu zitieren) um uns herum aufgebaut hat. Solchen Vorstellungen tritt Christoph Faulhaber seit geraumer Zeit mit vorgeblich naiven Infragestellungen entgegen. Er widmet Einschüchterungen und Verbote einfach um und nimmt sie als Material für ebenso subversive wie sinnstiftende Einlassungen.
Faulhaber hat klar umrissene Vorstellungen vom „Schauplatz“ der Kunst. Weder nehmen seine Performances im sicheren Atelier Gestalt an, noch kann man sie ausschließlich hinter gut geputzten Scheiben von Galerien begutachten. Vielmehr experimentiert er im Mittendrin der Gesellschaft gegen die Ordnung herrschender Systeme. Nachdem ihm zum Beispiel verboten wurde, eine US-amerikanische Botschaft abzulichten, drehte er den Spieß einfach um und bewachte die Botschaft, damit sie nicht von der Öffentlichkeit fotografiert würde. Diese Aktion dokumentierte er wiederum mit Fotos, die er anschließend auf der documenta 12 ausstellte – natürlich ohne offizielle Einladung –, was auch prompt beendet wurde. Als er danach als deutscher Stipendiat mit legalem Visum in die USA einreisen wollte, wurde er verhört und zur Ausreise gedrängt.
Was in diesem Film aufs Anregendste zu erfahren ist: die Verhandlung von Macht und die Rolle von Bildern in diesem Prozess.
Ralph Eue
Internationales Programm 2014
Räschen Peter Hecker

Ein kleiner Lausitzer Ort nach dem Bergbau, drei Jugendliche verloren im Nichts. Indem sie über den (fiktiven) vermissten Christian reden, offenbaren sie ihr Inneres. Traurige Poesie.

Räschen

Dokumentarfilm
Deutschland
2014
22 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Peter Hecker
Regie
Peter Hecker
Kamera
Christian Möller
Schnitt
Peter Hecker
Ton
Felix Harmuth
In der Realität ist Räschen ein kleiner Ort in der Lausitz, der vom Bergbau lebte und ihm große Teile opfern musste. In dem sich der Wald die menschenleeren Siedlungen zurückholt, Straßen buchstäblich im Nichts verlaufen und man eigentlich nichts verloren hat. Zumindest, wenn man so jung ist wie Marcel, Enrico und Svenja. „Bissl langweilig“ finden die es denn auch zwischen dem Wummern von Autoboxen und dem Singsang des Skateboards auf dem Asphalt – scheinbar die einzigen Bewegungen inmitten des Stillstands. Aber ansonsten: „Geht schonn“ – wie der Lausitzer sagt und dies mit einem metaphysischen „und alles“ bekräftigt.
Wie es einer der Jungs aber ganz richtig beschreibt, entstehen gute Filme nicht in der Realität, sondern in der Fantasie. Und so bedient sich Peter Hecker des genialen Kunstgriffs, seine Protagonisten nach dem angeblich vermissten Christian zu befragen: der schon irgendwie klar kommt, ein „bissl“ Rebell war und „immer so traurig“. Er wird zum Spiegelbild der Sprechenden, die in genau gesetzten Momentaufnahmen kurze, aber abgrundtiefe Einblicke in ihr Innerstes gewähren. Während die Kamera voller Wärme und Poesie einen Ort abbildet, der keiner ist, findet sich die Wahrheit des Dokumentarischen erst in der Fiktion – und alles.
Grit Lemke

Sansui, Landschaft

Dokumentarfilm
Deutschland,
Japan
2014
27 Minuten
Untertitel: 
deutsche

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Hochschule für bildende Künste Hamburg
Regie
Nina Wiesnagrotzki
Kamera
Nina Wiesnagrotzki
Schnitt
Nina Wiesnagrotzki
Ton
Pablo Paolo Kilian
Die Japaner pflegen eine besondere Beziehung zu den Bergen. Das ist nicht erst seit der kitschigen Verfilmung von „Heidi“ so. Der schneebedeckte Fujisan (wie der Fujiyama korrekt heißt) ist sicher das beliebteste Postkartenmotiv. Die Farbholzschnitte von Katsushika Hokusai visualisieren hoch meisterlich die Ehrfurcht vor den Naturgewalten. Kein Wunder: Der Archipel besteht zu zwei Dritteln aus Bergen und befindet sich zudem auf einer Bruchzone von tektonischen Platten. Dieser fragile Untergrund, der regelmäßig Erdbeben und Tsunamis mit verheerenden Folgen auslöst, hat das Leben der Bewohner tief geprägt. Aber sie haben auch gelernt, sich damit zu arrangieren. Die auch als Installationskünstlerin arbeitende Filmemacherin Nina Wiesnagrotzki betreibt in ihrem Film „Sansui, Landschaft“ eine Art Bild-Untersuchung, um sich der japanischen Mentalitätsgeschichte zu nähern. Dabei bewegt sie sich in immer weiter ausholenden Denk-Kreisen, die auch das Bilderarsenal des populären Kinos, der Comics und Legenden einschließen. Spätestens seit der Katastrophe von Fukushima weiß man, dass Godzilla als Gestalt gewordener Albtraum keine Übertreibung darstellt.
Cornelia Klauß

The Last Limousine

Dokumentarfilm
Deutschland,
Russland
2013
79 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Marina Razbezhkina, Heino Deckert
Regie
Daria Khlestkina
Musik
Anton Silaev
Kamera
Anna Dashina, Evgeniy Kurbatov
Schnitt
Daria Khlestkina, Mieneke Kramer
Buch
Daria Khlestkina
Ton
Sergey Ovcharenko, Maria Ushenina
Sie waren nicht nur der Stolz der Nation, sondern auch Sinnbild für offen zur Schau gestellte Macht, die zunehmend zur leeren Pose geriet. Die ebenso feudalen wie formvollendeten Limousinen, die die Paraden des sowjetischen Militärs auf dem Roten Platz anführten, forderten im Osten wie im Westen Ehrfurcht und Respekt ein. Bis zum Kollaps 1990 wurden sie im Moskauer Autowerk ZIL handgefertigt. Dann kam die Produktionsstrecke zum Erliegen. An einem Mangel an Diktatoren und Repräsentationsgelüsten kann es nicht gelegen haben. Vielleicht sind die offenen Limousinen zu riskant geworden? Kurzum: Plötzlich bricht ein Auftrag über die schon fast abgewickelte Fabrik herein. Drei Wagen werden von Staats wegen bestellt. Der Geist des alten Kollektivs erwacht, die Maschinen werden hochgefahren und der Betriebsdirektor schreitet ernst die gigantischen Hallen ab, wo es sich die Katzen längst gemütlich gemacht haben. Die Regisseurin Daria Khlestkina protokolliert präzise dieses letzte Aufbäumen eines Giganten und gewährt – nicht ohne Wehmut – Einblick in die Restposten einer einstmals sozialistischen Betriebsstruktur, wo Langmut und Improvisationskunst doch das eigentliche Kapital stellten.
Cornelia Klauß

Ulrich Seidl und die bösen Buben

Dokumentarfilm
Österreich,
Deutschland,
Schweiz
2014
52 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Johannes Rosenberger, Christian Beetz, Werner Schweizer
Regie
Constantin Wulff
Kamera
Johannes Hammel
Schnitt
Dieter Pichler
Porträt des Regisseurs Ulrich Seidl, der gern als Berserker oder Sozialpornograf (und vieles andere) etikettiert wird und über den man Bescheid zu wissen glaubt, bevor man auch nur einen einzigen Film von ihm gesehen hat. Constantin Wulff zeigt den österreichischen Filmemacher zum ersten Mal bei der Arbeit. Die viel diskutierte „Methode Seidl“, sie wird hier in direkter Weise anschaulich gemacht – und man kommt aus dem Staunen nicht heraus, weil diese Methode anscheinend ganz anders ist, als man sich das immer zurechtgereimt hat.
Seidl ist vor allem eines: ein hochkonzentrierter und präziser Bild-Arbeiter. Geduldig beobachtet Wulff den Regisseur sowohl während der Dreharbeiten zu seinem neuen Film „Im Keller“ als auch bei den Proben zu seiner Theaterinszenierung „Böse Buben/Fiese Männer“. In Kombination mit ausführlichen Gesprächen und Ausschnitten aus früheren Filmen entwirft dieses Porträt das Bild eines komplexen Ausnahmekünstlers.
Was außerdem deutlich wird: wie sehr Seidls gesamtes Schaffen selbst eine Suche ist, bei der er sich von realen Gegebenheiten genauso leiten lässt wie von seinen eigenen Visionen und Dämonen.
Ralph Eue

Walking Under Water

Dokumentarfilm
Deutschland,
Polen,
UK
2014
77 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Moniką Braid, Stefan Kloos
Regie
Elizą Kubarską
Musik
Michał Jacaszek
Kamera
Piotr Rosołowski, Lisa Strohmayer
Schnitt
Bartosz Pietras
Dieser Film handelt von einem Märchen, das einmal wahr gewesen ist. Auf Borneo lebte vor nicht allzu langer Zeit ein besonderer Stamm, die Badjao, die mehr im und unter Wasser wohnten als an Land. Sie besaßen keine Pässe und kein Geld, aber dafür Fähigkeiten, die einen staunen lassen. Von frühester Kindheit an lernen sie, zu tauchen und lange ohne Atmung auszukommen. Sie bewegen sich zwischen den Fischschwärmen und Korallenriffen wie Spaziergänger, die hier zu Hause sind. Alexan, der letzte seiner Art, unterrichtet den 10-jährigen Sulu in dieser Kunst des Fischfangs, die gänzlich ohne moderne Gerätschaften auskommt. Die Filmemacherin Elizą Kubarską lässt keinen Zweifel an ihrer Faszination: in elaborierten Bildern, jenseits aller Fernsehdokus, taucht sie in eine idyllische und malerische Unterwasserwelt ein. Sie erinnern uns daran, woher wir eigentlich kommen. In genauso unmissverständlichen Szenen wiederum zeigt die Regisseurin auf, wohin wir steuern: Mit den Nomaden, die nun als Staatenlose gelten, verschwinden unwiderruflich ein tradiertes Wissen und jahrhundertealte Rituale. Den Rest erledigen die Fischfangflotten und der Tourismus.
Cornelia Klauß

Watching the Ball

Animationsfilm
Bosnien-Herzegowina,
Estland,
Deutschland,
Russland,
Serbien
2014
12 Minuten
Untertitel: 
_ohne Dialog / Untertitel

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Michael Schwertel, Martin Kleinmichel
Regie
Martin Kleinmichel
Musik
Henning Schärfke, Martin Kleinmichel
Schnitt
Martin Kleinmichel
Animation
Anastasia Tasić, Ivan Ramadan, Katre Haav, Krunoslav Jović, Nenad Krstić, Tatiana Moshkova, Till Laßmann
Buch
Anastasia Tasić, Ivan Ramadan, Katre Haav, Nenad Krstić, Tatiana Moshkova, Till Laßmann, Martin Kleinmichel
Ton
Rainer Gerlach
Verschiedene Menschen an unterschiedlichen Orten auf der Erde und im Weltraum schauen Fußball. Während das Spiel virtuell alle miteinander verbindet, hat doch jeder seine ganz eigenen Probleme zu bewältigen. Ein europäisches Gemeinschaftsprojekt zum Lieblingssport Fußball.
Internationales Programm 2014
Willkommen auf Deutsch Hauke Wendler, Carsten Rau

Zwei gutsituierte norddeutsche Gemeinden sollen Asylbewerber aufnehmen: Während einige den Fremden helfen, gründen sich Bürgerinitiativen dagegen. Gruselige Provinzposse.

Willkommen auf Deutsch

Dokumentarfilm
Deutschland
2014
89 Minuten
Untertitel: 
deutsche
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Hauke Wendler, Carsten Rau
Regie
Hauke Wendler, Carsten Rau
Musik
Sabine Worthmann
Kamera
Boris Mahlau
Schnitt
Stephan Haase
Buch
Hauke Wendler, Carsten Rau
Ton
Torsten Reimers, Detlev Meyer
Bildung DOK Leipzig Logo

Altersempfehlung: ab 14 Jahren 
Klassenstufen: 9-13

Themen: Integration, Flüchtlinge, Rassismus, Fremde Kulturen, Heimat, Vorurteile 
Unterrichtsfächer: Gemeinschaftskunde/Sozialkunde, Politik, Geschichte, Philosophie, Ethik/Religion

Zum Inhalt

Willkommen auf Deutsch zeigt, was passiert, wenn in der Nachbarschaft plötzlich Asylbewerber einziehen. Der Film wirft dabei die Frage auf, was einem nachhaltigen Wandel der Asyl- und Flüchtlingspolitik tatsächlich im Wege steht. 

Der Dokumentarfilm Willkommen auf Deutsch zeigt die Probleme, die durch die stetig wachsenden Flüchtlingszahlen entstehen und setzt bei den Menschen, ihren Sorgen und Vorurteilen an. Dabei fokussiert der Film keinen Brennpunkt wie Berlin Hellersdorf, sondern bewegt sich in der bürgerlichen Mitte Westdeutschlands: Im Landkreis Harburg, der sich zwischen der Lüneburger Heide und Hamburg erstreckt. 240.000 Einwohner, Backsteinhäuser, Weideland – hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Doch jetzt leben traumatisierte Flüchtlinge neben Dorfbewohnern, die sich angesichts der neuen Nachbarn um ihre Töchter und den Verkaufswert ihrer Eigenheime sorgen. Junge Männer, die Krieg, Armut und Perspektivlosigkeit entfliehen wollten, sollen in einem 400-Seelen-Dorf untergebracht werden, das weder Bäcker noch Supermarkt hat. Was passiert, wenn Menschen aufeinander prallen, die sich fremd sind?

Über einen Zeitraum von fast einem Jahr begleitet der Film Flüchtlinge, Anwohner sowie den Bereichsleiter der überlasteten Landkreisverwaltung – stellvertretend für die 295 Landkreise bundesweit. 

Willkommen auf Deutsch ist kontrovers, sehr emotional und auch amüsant und zeigt, dass die Situation schwierig, aber nicht hoffnungslos ist.

„Willkommenskultur“ könnte das neue euphemistische Unwort des Jahres werden. Es zieht sich durch diesen Film, der über einen längeren Zeitraum verfolgt, was passiert, wenn zwei gutsituierte norddeutsche Gemeinden Asylbewerber aufnehmen sollen. Da sind die Bürger in ihren Reihenhäusern, die ihre Töchter nicht mehr auf die Straße lassen können, wenn der Weltuntergang in Form von 53 Flüchtlingen (im schlimmsten Fall Schwarze) bevorsteht. Flugs gründen sich Bürgerinitiativen, um das Unheil juristisch abzuwenden. Da ist der Gastwirt, der vorgeblich selbstlos seine leerstehenden Gästezimmer anbietet, was als „sozialverträgliche“ Variante präsentiert wird. Da ist die Verwaltung, die verzweifelt nach Unterkünften sucht, um Akzeptanz dafür ringt, schließlich Container aufstellt und sich zufrieden auf die Schulter klopft. Sie alle können nicht oft genug betonen, wie willkommen die Fremden ihnen grundsätzlich sind (nur nicht so viele, nur nicht bei uns). Und da sind die Fremden selbst, die am Ende einer Odyssee traumatisiert auf eine neue Heimat hoffen. Wendler und Rau zeigen einen Alltagsrassismus, der nicht in Springerstiefeln, sondern im Gewand der Nächstenliebe und Demokratie daherkommt – aber auch Menschen, die bei Flüchtlingskindern übernachten, als deren Mutter ins Krankenhaus muss. Und wie der Wirt am Ende Schnitzel mit den Albanern brät – mitten in der deutschen Provinz.



Grit Lemke