Filmarchiv

Internationales Programm 2014
A House in Fog Mokhtar Namdar

Eine Frau, allein auf einem alten Anwesen in den iranischen Bergen. Ein einfacher Alltag mit harter Arbeit und Tieren, gezeichnet in wärmsten Farben. Doch das Idyll hat Feinde …

A House in Fog

Dokumentarfilm
Iran
2014
27 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Javad Zahiri
Regie
Mokhtar Namdar
Kamera
Mohammad Rasouli
Schnitt
Emad Khodabakhsh
Buch
Mokhtar Namdar
Ton
Mehdi Sadeghi, Ali Hasanzadeh
Natürlich ist das Haus viel zu groß für einen allein. Das über Generationen vererbte hundert Jahre alte Anwesen wirkt trotz seiner Hinfälligkeit immer noch majestätisch in dieser idyllischen Hügellandschaft irgendwo im Iran. Es beherbergt jedoch nur noch eine Bewohnerin, Soraiia Hassani, die es bewirtschaftet und in Schuss hält. Sie braucht niemanden, hat sie doch die Tiere und die tägliche Arbeit, die ihrem Leben einen Sinn geben.
Die Kamera malt diesen Alltag in den wärmsten Farben aus und (er-)findet in beiläufigen Arrangements Bilder, die der Malerei näher sind als der Fotografie. Die dunklen Farben dominieren und dennoch kommt kein Gefühl der Einsamkeit auf. So ein Leben wird vorstellbar. Soraiia scheint niemanden zu vermissen, bestenfalls diejenigen, die schon gestorben sind. Aber jedes Paradies hat seine Feinde. Ist es staatliche Fürsorge oder das Gesetz, ist es ihr Geheimnis oder sind es die Gespenster der Vergangenheit, die Soraiia dieses Einsiedlerleben nicht zutrauen, nur weil sie eine Frau ist?
Cornelia Klauß
Internationales Programm 2017
Advantage Mohammad Kart

Schon Mann oder noch Junge? Das entscheidet sich in einem Heim für Suchtkranke in Teheran. Hier gilt es, sich seinen Abhängigkeiten zu stellen, wenn man der Straße endgültig entfliehen will.

Advantage

Dokumentarfilm
Iran
2016
68 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Mohammad Kart, Aban Askari
Regie
Mohammad Kart
Musik
Saba Neda’ee
Kamera
Javad Razzaqizadeh
Schnitt
Esma’il Alizadeh
Buch
Mohammad Kart
Ton
Mehdi Kart
Es gibt einen Ort in Teheran, an dem sich entscheidet, ob man ein Mann oder doch nur ein Junge ist. So jedenfalls beschreibt es einer der Mitarbeiter des Heims, in welchem mehrere Dutzend Männer Obhut gefunden haben, um der Straße zu entkommen. Sie alle teilen ein Suchtproblem, injizierten Heroin und Kokain, aßen Abfälle und verließen ihre Familien. Im Heim wollen sie wieder auf die Beine kommen, entziehen und lernen, abstinent zu leben. Mohammad Kart ist bei der Aufnahme Hosseins dabei, einem jungen Mann, der seit zwei Jahren drückt und verspricht, sich an die Regeln zu halten. „Ich erinnere dich in drei Tagen nochmal daran.“ Was folgt, ist ein kalter Entzug. In einem Raum windet sich Hossein mit mehreren anderen, schwitzt, krampft. Und wird schließlich in einem festlichen Akt willkommen geheißen. Er soll sogar mit dem hauseigenen Fußballteam trainieren, das sich gerade auf einen prominenten Gegner vorbereitet.

Kart verbindet lichte Episoden von Gemeinschaft und Hoffnung mit einzelnen Ausflügen in nächtliche Unterschlüpfe an den Rändern der iranischen Hauptstadt. Bilder voller Kläglichkeit wechseln mit solchen von Sonnenstrahlen, die morgens in den Schlafraum scheinen, während eine anstiftende Musik beim Beginnen eines neuen Tages Beistand gewähren soll.

Carolin Weidner

Alzheimer

Animationsfilm
Iran
2012
8 Minuten
Untertitel: 
_ohne Dialog / Untertitel

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Produktion
Alireza Hashempour
Regie
Alireza Hashempour
Musik
Selected Music
Schnitt
Alireza Hashempour
Animation
Malaeke Farhang Adib
Buch
Alireza Hashempour, Malaeke Farhang Adib
Ton
Mani Hashemian
Ein alter Mann lebt allein mit seinem Hund. Da er immerzu alles vergisst, muss der Hund für ihn mitdenken, jeden Tag aufs Neue. Eine satirische Annäherung an den Alltag mit Alzheimer.

Internationales Programm 2013
Children of Plain Sa’adat Rahimzadeh

Eine wunderschöne und farbenfrohe Ode an die Natur und das nomadisch anmutende Leben des iranischen Volkes der Luren ...

2013

Children of Plain

Animadok
Iran
2013
10 Minuten
Untertitel: 
_ohne Dialog / Untertitel

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Produktion
Sa’adat Rahimzadeh, Saba Animation Center
Regie
Sa’adat Rahimzadeh
Musik
Sa’adat Rahimzadeh
Schnitt
Hamid Fanaei
Animation
Alireza Ebrahiminejad
Buch
Sa’adat Rahimzadeh
Ton
Amin Sharifi
Eine wunderschöne und farbenfrohe Ode an die Natur und das nomadisch anmutende Leben des iranischen Volkes der Luren. Eine Episode aus der Reihe „Geflüster aus meiner Heimat“, die sich jenseits einer linearen Erzählung bewegt.
Internationales Programm 2019
Exodus Bahman Kiarostami

Täglich wollen Tausende Afghanen ihr iranisches Exil verlassen. Im Rückkehrzentrum in Teheran trifft die Sehnsucht nach Heimat auf die iranische Bürokratie. Menschlich, komplex, augenöffnend.

Exodus

Dokumentarfilm
Iran
2019
77 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Bahman Kiarostami
Regie
Bahman Kiarostami
Kamera
Davood Maleki
Schnitt
Bahman Kiarostami
Tag für Tag machen sich Tausende auf zum Rückkehrzentrum „Imam Reza“ in Teheran, um dort ihre Ausreise nach Afghanistan zu beantragen. Durch den drastischen Kursverfall des Rial, ausgelöst durch die US-Sanktionen gegen den Iran, ist es für die mehr als drei Millionen afghanischer Flüchtlinge nicht mehr rentabel, im Exil zu leben. Wer aber in die alte Heimat zurückwill, muss sich durch das Nadelöhr dieser dem iranischen Innenministerium unterstellten Behörde zwängen. Hier werden sie – oft nach Jahren der Illegalität – registriert.

Bahman Kiarostami konzentriert sich darauf, die kurzen Gespräche der Rückkehrwilligen mit den iranischen Beamten zu verfolgen, in denen die komplexen Ursachen und die vielfältigen Folgen von Migration aufscheinen. Es ist überraschend und teilweise sehr berührend, wie schnell in diesen eigentlich bürokratischen Begegnungen Nähe entsteht, wie schon eine Nachfrage, ein persönliches Wort dazu führt, dass sie sich vor der Kamera öffnen. „Exodus“ zeigt, dass Migration weltweit zum Alltag gehört und dass sich das nicht ändern wird, solange Kriege, Verfolgung und wirtschaftliche Not das Leben bedrohen. Solange Migrationsursachen bestehen bleiben, brechen Menschen auf. Grenzen und Amtsvorschriften mögen ihnen den Weg zwar (dramatisch) erschweren, den Wunsch nach einem besseren Leben werden sie jedoch nicht auslöschen können.

Luc-Carolin Ziemann
Internationales Programm 2019
Khatemeh Hadi Zarei, Mehdi Zarei

Die 14-jährige Khatemeh lebt im iranischen Shiraz in überaus restriktiven Strukturen. Sie büxt aus, um sich aus einer Zwangsheirat zu lösen. Doch der Fall liegt alles andere als klar.

Khatemeh

Dokumentarfilm
Iran
2018
90 Minuten
Untertitel: 
englische
deutsche

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Produktion
Hadi Zarei, Mehdi Zarei
Regie
Hadi Zarei, Mehdi Zarei
Musik
Satar Oraki
Kamera
Hadi Zarei, Mehdi Zarei
Schnitt
Babak Heidari
Ton
Alireza Alavian
Die Strukturen in Khatemehs Familie, die ursprünglich aus Afghanistan stammt, aber seit über dreißig Jahren in der iranischen Stadt Shiraz wohnt, sind starr. Die Vierzehnjährige wurde an einen Mann verheiratet, der doppelt so alt ist wie sie. Vor ihr war er mit Khatemehs älterer Schwester liiert, die sich allerdings das Leben genommen hat. Er sagt: „Als sie starb, wollte ich ihre Schwester zur Frau nehmen, weil sie sich so ähnlich sehen.“ Psychische Probleme seien, laut Aussage der Männer des Hauses, allen Frauen der Familie gemein. Und jetzt ist Khatemeh auch noch ausgebüxt, in eine Art Frauenasyl, weil sie es nicht mehr ausgehalten hat. Sie will die Scheidung. Einige männliche Verwandte suchen die Einrichtung auf, um Khatemeh mitzunehmen. Ihr Bruder meint: „Der Tod ist besser, als eine Hure zu sein.“

Auf den ersten Blick scheint die Lage klar. Im Verlauf des Films kommt es jedoch zu immer mehr Unstimmigkeiten. Insbesondere Khatemeh wechselt unberechenbar zwischen mentalen Zuständen. Mal verflucht sie ihre Familie und kämpft für ihre Freiheit, dann bittet sie die Frauen der Obhut gebenden Organisation auf Knien, unter allen Umständen heimkehren zu dürfen. Andere Mädchen, die ebenfalls im Haus Zuflucht fanden, werden von ihr teils heftig angegangen. „Khatemeh“ ist wie ein Wüstensturm, der immer wieder die Sicht trübt, um ein neues Bild zu offenbaren, wenn er sich gelegt hat.

Carolin Weidner

None of Your Business

Dokumentarfilm
Tschechische Republik,
Iran
2019
64 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Kaveh Farnam
Regie
Kamran Heidari
Kamera
Kamran Heidari, Mansour Vahdani
Schnitt
Kamran Heidari
Buch
Saeideh Keshavarzi, Kamran Heidari
Ton
Ali Farmani
Es gehe niemanden etwas an, wie er gelebt habe und gestorben sei. So der Sänger Ebrahim Monsefi in einem Lied, das in einem vor Altersschwäche flackernden Video dokumentiert ist. Dieses steht am Ende eines Films, der durch sein Dasein das Gegenteil behauptet. Denn er erzählt genau von diesem Leben, das von der Liebe zur Musik und dem Absturz durch den Verlust geliebter Menschen geprägt war. Es begann in der traditionell weltoffenen südiranischen Hafenstadt Bandar Abbas an der Straße von Hormus. Sogar einen (verlassenen) Hindutempel gibt es, in dem die Waise beim Großvater aufwuchs. Um sich herum Musik aus aller Welt, die von den Einheimischen aufgesogen und adaptiert wurde. So kam auch Ebram früh zur Gitarre und wurde als Singer-Songwriter zu einem lokalen Star, bevor er dem Heroin verfiel und 1997 starb.

Heute sind seine Songs in der Region populäre Standards. Und melancholische Ohrwürmer, die in Kamran Heidaris Film in Archivaufnahmen mit Ebram selbst und Straßensets aktueller Interpreten zum vibrierenden Grundgerüst werden. Dazu die Reinszenierung einzelner Lebensstationen. Und der Künstler als Geist, dessen aufkommende, fast krankhafte Besessenheit vom Weiblichen sich auch als Kommentar zum Weltbild der explizit nicht erwähnten Islamischen Revolution lesen lässt. So ist der Film mehr Parabel als Biografie, aber auch Porträt einer faszinierenden, vitalen Stadt.

Silvia Hallensleben

The Black Flag

Dokumentarfilm
Iran,
Irak
2015
62 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Majed Neisi
Regie
Majed Neisi
Schnitt
Mahvash Sheykholeslami
Buch
Majed Neisi
Ton
Mani Hashemian
Oktober 2014, der Angriff schiitischer Milizen auf eine Kleinstadt im Südirak, die von IS-Terroristen besetzt ist. Unter den Milizionären der iranische Regisseur Majed Neisi, bewaffnet mit seiner Kamera. „Black Flag“ ist ein rauer, direkter, ungemein authentischer Film über einen Krieg, von dessen Wirklichkeit wir keine Vorstellung haben.

Zum Beispiel die Kämpfer: Freiwillige, die als gläubige Schiiten der Fatwa ihres religiösen Führers folgen und keine Zweifel kennen. Sie führen den Regisseur zum Sitz des ehemaligen Scharia-Gerichts der ISIS. Hier wurde verurteilt, dort enthauptet – „Unsere Sache ist gerecht.“ Oder die logistischen Probleme: Woher bekommt man Sprengstoff, Raketen, Munition? Am Telefon wird ein Preis ausgehandelt, 400 Dollar für 1.000 Patronen. Ein privater Spender zahlt. Schließlich der Angriff: Die Miliz muss durch einen dichten Palmenhain. Von überallher wird geschossen, geschrien, Granaten schlagen ein, Minen werden mit bloßen Händen ausgegraben, ein Bulldozer schlägt eine Schneise durch die Bäume. Die Kamera, immer im Windschatten der Kämpfer, kann den chaotischen Ereignissen kaum folgen. Plötzlich ist es vorbei und die Toten werden abtransportiert.

Das ist keine Kriegsberichterstattung, sondern dokumentarisches Arbeiten am Limit. Denn was, so der Regisseur, könne er anderes zum Kampf gegen ISIS beitragen? Dafür gebührt ihm höchster Respekt.

Matthias Heeder
Internationales Programm 2018
Women with Gunpowder Earrings Reza Farahmand

Dramatischer Einblick in die umkämpfte syrisch-irakische Grenzregion. Die junge Reporterin Noor versteht sich als Anti-IS-Kämpferin, erlebt aber, dass ihr Weltbild zu simpel gestrickt war.

Women with Gunpowder Earrings

Dokumentarfilm
Iran
2017
77 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Morteza Shabani
Regie
Reza Farahmand
Musik
Christoph Rezaie
Kamera
Reza Farahmand
Schnitt
Reza Farahmand, Fatemeh Bonyadi, Mosayeb Hanaie
Buch
Reza Farahmand
Ton
Hasan Mahdavi
Kriegsberichterstattung ist eine Gratwanderung. Was kann man zeigen? Wem dienen die eigenen Bilder? Die junge irakische Reporterin Noor Al Helli berichtet aus dem umkämpften syrisch-irakischen Grenzgebiet. Sie versteht sich als ziviles Mitglied der Anti-IS-Truppen und will die Gräuel der Islamisten sichtbar machen. Als sie auf eine Gruppe von Frauen und Kindern trifft, die als Sympathisanten des Islamischen Staates gefangen genommen wurden, kommt ihr Feindbild ins Wanken. Angerührt von der existenziellen Not und Ausweglosigkeit legt sie die Kamera ab und versucht zu verstehen, was diese Menschen der salafistischen Terrororganisation in die Arme trieb. Sie muss sich eingestehen, dass diese Frauen und Kinder ihr Weltbild keineswegs freiwillig aufzugeben gedenken. Dennoch: Die Gespräche sind nicht überflüssig. Denn sie machen Wege sichtbar, wo es bisher nur Sackgassen zu geben schien.

Luc-Carolin Ziemann


Nominiert für den Filmpreis Leipziger Ring