Grenzerfahrungen bietet dieser heftige Film über die syrische Revolution in vielfacher Hinsicht. Da ist zum Einen der im Exil lebende Journalist, der an der türkisch-syrischen Grenze Material für einen TV-Sender der Opposition sammelt. Er trifft auf Landsleute aus allen Bevölkerungsteilen - desertierte Soldaten, Internet-Kämpfer, Flüchtlinge. Die Kamera ist in diesen O-Ton Passagen wie festgefroren, die Schatten auf den Gesichtern scharf: Erzählungen über den Beginn der Revolution, über tote Freunde und Geschwister. Dann sind da die verstörenden You Tube-Filme, die täglich zu Hunderten entstehen - das System läuft Amok. Soldaten, die mit schweren Stiefeln auf den Köpfen gefesselter Demonstranten herumspringen. Soldaten, die einen Gefangenen abknallen. Soldaten, die ganze Städte als Geisel nehmen. Befehl an die Scharfschützen: Handyfilmer erschießen! Auf dem Rücksitz eines Taxis verblutet ein junger Mann, der eben noch gedreht hat. Sein Bruder macht weiter. Upload ins Netz. Irrsinnigerweise filmen sich die Agenten des Systems gegenseitig bei ihrer Arbeit. Folter vor laufender Kamera. Exekutionen. Und Schläge, Schläge, Schläge. Hier existiert keine Grenze mehr. Schließlich die Panik in der Stimme eines jungen Mädchens, als sie sieht, wie die Soldaten das Haus der Eltern stürmen. Und wir, die wir zuschauen? Wir lassen die Staatsmänner und Sonderbotschafter und Bevollmächtigten ihr Spiel um Öl und Stützpunkte und Geopolitik treiben. So müde sind wir geworden der vielen Bildern, die uns überfluten - und so kraftlos. Dennoch - zur Veröffentlichung des Entsetzens existiert keine Alternative. Das Aufbegehren kreisti im Netz. Die Fieberkurve steigt.
– Matthias Heeder