Ein alter, hinkender Hund lebt in einem Verschlag in einem ruhigen Stadtteil von Seoul. Wäre er ein Mensch, würde man ihn einen Eremiten heißen. Irgendwann geriet dieser Hund ins Blickfeld der Regisseurin und weckte ihre Neugier. Sie wendet sich an Nachbarn, Passanten, spielende Kinder, die alle den Weg dieses Hundes schon gekreuzt, aber nie besondere Notiz von ihm genommen oder sich irgendeinen banalen Reim darauf gemacht und ihn dann wieder vergessen haben. Die Auskünfte sind so disparat wie Zeugenaussagen nach einem Unfall: Würde man aus der Summe ein Phantombild oder ein psychologisches Profil erstellen, käme eine herrlich groteske Kreatur dabei heraus – vielleicht ein Mischwesen aus Quasimodo und dem titelgebenden Esel aus Bressons „Au hasard Balthazar“.
Zunehmend interessant werden im Verlauf des Films indes die Zeugenaussagen beziehungsweise die Geschichten beziehungsweise die Geschichtenerzähler selbst. Offenbar lebt jeder Mensch dort (nur dort?) in seiner eigenen, separaten Welt. Kaum Überschneidungen mit den Welten anderer. Ein Universum der Melancholie. Wer vermag schon zu sagen, was die Absicht der Regisseurin am Anfang gewesen sein könnte? Möglicherweise hat sie einfach nur, und völlig zu Recht, darauf vertraut, dass Umwege die Ortskenntnis erhöhen. Oder sie verfuhr nach einem Aphorismus des großen Berliner Tresen-Dichters Jürgen K. Hultenreich: „Ziele stehen im Weg.“
Ralph Eue
Ausgezeichnet mit der Goldenen Taube im Next Masters Wettbewerb