Schon für Dziga Wertow war das „überrumpelte Leben“, das „Leben, wie es ist“, das non plus ultra des Dokumentarfilms. Ihm und seinen Kinoki war dabei jedes Mittel recht, auch versteckte Kamera, übel nahm es ihm keiner, der Kinematograph war eine Sensation, bei der man dabei sein wollte. Knapp 100 Jahre später zieht das junge Regie-Duo Ivars Zviedris und Inese Kļava aus (in die Moorlandschaft bei Kemeri, ganz nah bei Riga), um die Lebensweise einer Hinterweltlerin namens Inta per Kamera zu ergründen. Die derb-schrullige Dame mit eindrucksvollem Stimmorgan besitzt zwar kein TV, doch sie kennt die Spielregeln der Massenmedien (wie die Nuancen zwischen Docusoap und Reality-Show) offenbar nur allzu gut, insbesondere, was ihren Wert und ihre Rechte gegenüber den „Paparazzi“ betrifft. Von Anfang an übernimmt sie das Kommando und überhäuft Regie, Kamera und Produktion mit Flüchen, deren Heftigkeit den Normalsterblichen dezent erröten lassen. Inta sagt Sätze wie „Du scheißt mir doch in die Seele, du verfickter Typ, mit deiner verdammten Kamera!“ und nimmt dabei schon mal den Metallstock zur Hand, um Ivars den „Kopf zu zerdreschen“ oder ihn den „Päderasten“ zu übergeben. Geld nimmt sie keines an, aber zahlen sollte er, der sich „an ihrer Armut bereichert“, schon. Später wird sie weinen …, der Film ist längst zum tragikomischen Beziehungsfilm geworden, wie zum Metakommentar über das Da-Sein als „Dokumentālists" im Zeitalter der radikalen moralischen Entgrenzung (aka: Authentizität).
– Barbara Wurm