Filmarchiv

Jahr

Killing Time

Dokumentarfilm
Niederlande
2013
54 Minuten
Untertitel: 
keine

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Eric Velthuis
Regie
Jaap van Hoewijk
Kamera
Adri Schrover, Stef Tijdink
Schnitt
Jos Driessen
Buch
Jaap van Hoewijk
Ton
Diego van Uden & Benny Jansen
Um 12.45 Uhr kommen die Geistlichen, ab 13.30 Uhr sind die Telefone geschaltet für ein letztes Gespräch. Während vor dem Staatsgefängnis Arbeiter den Pressebereich absperren, ein Podium und das Rednerpult aufbauen, rücken Fernsehteams an und die Fraktion der Protestler bezieht ihren Platz. Kurz vor 18 Uhr Ankunft der Zeugen und Opferfamilien. Die Angehörigen des Täters sitzen derweil im Hospitality Center und hoffen auf den Gnadenerlass. Es bleiben zwei Minuten. Punkt 18 Uhr, am 12. Juni 2013, empfängt Elroy Chester die Todesspritze. Und die Routine einer Hinrichtung nimmt ihren weiteren Lauf. Business as usual in Huntsville, Texas.
Jaap van Hoewijk erstellt das nüchterne Protokoll eines Aktes, der bis ins letzte Detail institutionalisiert und rationalisiert ist, was auch das salbungsvolle Erlösungsvokabular des christlichen Personals nicht verbergen kann. Ebenso sachlich listet er die Fakten der Tat auf und eröffnet damit die ganze, nicht zufällig Dostojewski zitierende Dimension, die die Kapitel seines Films benennen: Verbrechen und Strafe.
Die Bilder lassen einem das Blut in den Adern gefrieren. Wie die einen scheinbar teilnahmslos akzeptieren, Täter zu sein, und bis in die Trauer hinein ihre Rolle annehmen. Wie sie im Schaukelstuhl auf das Todesurteil warten. Wie die anderen, die doch Opfer sind, sich zum Siegerfoto aufstellen. Und man begreift, dass dies das wirkliche Verbrechen ist.
Grit Lemke

Maidan

Dokumentarfilm
Niederlande,
Ukraine
2014
128 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Sergei Loznitsa, Maria Choustova-Baker
Regie
Sergei Loznitsa
Kamera
Sergei Loznitsa, Serhiy Stefan Stetsenko, Mykhailo Yelchev
Schnitt
Danielius Kokanauskis, Sergei Loznitsa
Ton
Vladimir Golovnitski
Sie singen ihre Nationalhymne, gemeinsam und mit Pathos, individuell und mit Gitarre. Sie singen (auf den ungeliebten Präsidenten Janukowitsch gemünzt) „Vitja, ciao, Vitja, ciao, Vitja, ciao ciao ciao!“, singen Weihnachts- und ukrainische Volkslieder, sie dichten, reimen, spotten, empören sich, feiern. Sie ruhen sich aus, versorgen einander, wärmen, bekochen und bewirten sich. Sie halten zusammen und: fühlen sich frei. Eine neue Zeit ist angebrochen. Man spürt das.
Aktuelles politisches Geschehen in eine dokumentarische Form zu gießen, gelingt nur selten. Umso eindrucksvoller ist Sergei Loznitsas Film „Maidan“, der bereits wenige Monate nach den entscheidenden Kiewer Ereignissen vollendet wurde. Seine langen, ruhigen, unkommentierten Einstellungen formieren sich nicht nur allmählich zu einem Narrativ, sondern zu etwas viel Größerem – der Chronik eines revolutionären, nationalen Erwachens, und noch eine Stufe höher, dem universellen Bild eines Volksaufstandes. Die Präsenz der Tribüne wird vor allem akustisch erfahrbar, das Krachen der Rauchbomben und Heckenschützen später ebenso. Aus Sprechchören werden Schlachtrufe, aus Begeisterung und Esprit am Ende Kampf, Schwere, Trauer und Wehklagen.
Heute, wieder ein paar Monate später, wünscht man sich, dass mit dem Ende dieses Films die Zeit stehen geblieben wäre.

Barbara Wurm



Lobende Erwähnung im Internationalen Wettbewerb Dokumentarfilm 2014