Filmarchiv

Ana Ana (I Am Me)

Dokumentarfilm
Ägypten,
Niederlande,
Norwegen
2013
75 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Corinne van Egeraat
Regie
Corinne van Egeraat, Petr Lom
Musik
Ryuichi Sakamoto
Kamera
Petr Lom, Nadine Salib, Sondos Shabayek, Sarah Ibrahim, Wafaa Samir
Schnitt
Petr Lom
Ton
Jeroen Goeijers
Da, wo Zensur herrscht, schlägt die Stunde der Metaphern. Daran hat auch der Arabische Frühling in Ägypten wenig geändert. Die traditionellen Rollenzuschreibungen für Frauen sind die gleichen geblieben. Vorsichtig versuchen vier junge Künstlerinnen aus Kairo, diesen schmalen Grat zwischen Poesie und Verbot in ihren Arbeiten auszuloten. Unter dem Kopftuch müssen sie nach wie vor ihre Wünsche nach Kreativität und Selbstverwirklichung ebenso wie eigene Vorstellungen von Sexualität und Körperlichkeit verbergen. Diesen Zwiespalt zwischen Sein und Schein übersetzt der Film in oszillierende Bilder, die etwas von der Angst und der Anspannung, in der sich die Frauen befinden, erahnen lassen.
Kennengelernt haben der kanadische Regisseur tschechischer Herkunft Petr Lom und die Niederländerin Corinne van Egeraat die vier Theater-, Foto- und Videokünstlerinnen während eines Workshops. Seit 2011 arbeiten sie gemeinsam an diesem Projekt, nicht nur als Akteure, sondern als Co-Autorinnen. Ihre künstlerischen Objekte und Performances fächern ein Kaleidoskop von Assoziationen auf, die die Bildwelt des Films prägen. Altmeister Ryūichi Sakamoto lieferte dazu einen zurückhaltenden, aber wirkungsvollen Score. So ist „Ana Ana“ am Ende ein Poem, das politischer nicht sein könnte.
Cornelia Klauß
Internationales Programm 2017
Childhood Margreth Olin

Ein Waldidyll – Lebenswelt einer Gemeinschaft von Vorschulkindern, die nichts sollen als spielen. Ohne Kommentare und (fast) ohne Erwachsene erkundet Margreth Olin ein Kindheitsparadies.

Childhood

Dokumentarfilm
Norwegen
2017
90 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Margreth Olin
Regie
Margreth Olin
Musik
Rebekka Karijord
Kamera
Øystein Mamen
Schnitt
Helge Billing, Michal Leszczylowski
Buch
Margreth Olin
Ton
Andreas Lindberg Svensson
Ein idyllischer Ort mitten im Wald – Lebenswelt einer Gemeinschaft von Kindern. Kurz vermittelt sich sogar der Eindruck, dass sie hier ganz auf sich gestellt sind. Doch das Gelände gehört zu einem Kindergarten, der ganz ohne verquere Vorstellungen von frühkindlicher Bildung auskommt. Es gilt das Prinzip, dass Kinder von ganz allein lernen. Mit allem, was der Wald hergibt, werden Fantasiefiguren gebaut, Steckenpferde geschnitzt, ganze Küchen eingerichtet. Sie haben keine andere Aufgabe, als zu spielen – mit den anderen und mit der Natur. Nur am Rande tauchen die Erwachsenen auf. Ihnen kommt die Rolle der Begleiter zu. Sie geben Anregungen, leiten die Kinder wie nebenbei dazu an, ihre Vorstellungen zu verwirklichen. Eine wunderschöne Szene ergibt sich im Winter: Zwei Kinder sitzen friedvoll unter einem Busch, essen Gummibärchen aus Schnee und gehen gedankenverloren in ihrem So-Tun-als-ob auf. Doch auch die schönste Kindergartenzeit geht zu Ende. Wenn die Schule beginnt, heißt es Abschied nehmen vom Waldparadies.

Ein Jahr lang hat Margreth Olin die Kinder im Alter von Eins bis Sechs in ihrem Lebensraum beobachtet. In perfekter Direct-Cinema-Manier verzichtet sie gänzlich auf erklärende Kommentare oder Gespräche unter Erwachsenen. Allein das Spiel und das Interagieren der Kinder im Wechsel der Jahreszeiten geben die Dramaturgie des Films vor.

Lina Dinkla
Internationales Programm 2013
Diary From the Revolution Nizam Najjar

Ein Jahr unter Rebellen in Libyen: Kampfhandlungen, provisorisches Lagerleben, ein charismatischer Patriarch. Rarer Einblick in Strukturen und die Menschen dahinter.

Diary From the Revolution

Dokumentarfilm
Norwegen
2012
79 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Kristine Ann Skaret, Geir Bølstad
Regie
Nizam Najjar
Musik
John Birger Wormdahl, Bjarne Larsen
Kamera
Khalifa Elfetory, Sadoon Alamlas, Blade Kushba
Schnitt
Torkel Gjørv
Buch
Nizam Najar
Ton
Bernt Syvertsen
Das erste Bild: eine Reminiszenz an den Western. Der Regisseur Nizam Najjar in einer staubigen Landschaft. Aber diese Coolness hält er nicht lange durch. Schon in Tripolis lässt er sich vom Freudentaumel nicht täuschen. Teile des Landes sind noch von Militärtruppen Gaddafis besetzt, die Frontlinien in Libyen unübersichtlich. Seit zehn Jahren lebt er im sicheren Exil in Oslo. Nun, da sich sein Land im Umbruch befindet, hält es ihn dort nicht mehr. „Bewaffnet“ mit seiner Kamera geht er unter die Rebellen in Misrata, aus seiner Angst macht er keinen Hehl. Als „einem der ihren“ wird ihm gestattet, über ein Jahr lang zusammen mit den von Haj Siddiq angeführten Freischärlern zu leben. In Form eines Videotagebuchs hält er protokollarisch die Kampfhandlungen, Probleme beim Besorgen von Waffennachschub und das provisorische Lagerleben fest. Ebenso erhellend sind seine Beobachtungen der Al-Gabra-Brigade selbst. Wie ist sie strukturiert, wie verändern sich die Charaktere? Auch wenn sie als Helden sterben würden, so haben doch alle diese jungen Rebellen noch Pläne für das irdische Leben. Der Ruf nach dem „Märtyrertod“ klingt zunehmend wie eine hohle Floskel. Vor allem die charismatische Gestalt Haj Siddiqs steht im Fokus des Filmemachers. Wie ein Patriarch hat er seine Familie und die ehemaligen Mitarbeiter seines Bauunternehmens als Getreue um sich geschart. Sein selbstgefälliger Führungsstil birgt schon das Kalkül für die Machtübernahme nach dem Sieg.

Cornelia Klauß

Exit

Dokumentarfilm
Deutschland,
Norwegen,
Schweden
2018
80 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Eirin Gjørv
Regie
Karen Winther
Musik
Michel Wenzer
Kamera
Peter Ask
Schnitt
Robert Stengård
Buch
Karen Winther
Ton
Yvonne Stenberg, Gisle Tveito
Bildung DOK Leipzig Logo

Dokumentarfilm über Wege aus dem Extremismus

 

Altersempfehlung: ab 14 Jahre
Klassenstufen: ab 9. Klasse

Themen: Extremismus, Rassismus, Gewalt, Schuld, Neuanfang, Ausstieg
Unterrichtsfächer: Gemeinschaftskunde, Religion, Ethik, Politik, Deutsch, Philosophie

 

Zum Inhalt

Als Karen Winther wegen eines Umzugs alte Kisten in die Hände fallen, ist sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Gleich obenauf liegen Aufkleber mit Hakenkreuzen, daneben eine Kassette mit der Aufschrift „Blitz“ und „Hits“, einiges anderes Material mit Reichsadlern. Vor zwanzig Jahren schloss sie sich einer rechtsextremistischen Organisation in Norwegen an, suchte dort das Abenteuer und Gleichgesinnte. Heute schämt sie sich für dieses Material und für das, wofür es steht: ihre Zeit als Rechtsextreme. „Exit“ ist Karen Winthers Weg, die eigene Geschichte zu verstehen und ein Stück weit Frieden mit sich selbst zu schließen. Sie macht sich auf die Suche nach Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. In den USA trifft sie mehrere Frauen, die jahrelang in der rechten Szene aktiv waren und sich heute gegenseitig unterstützen. Mit Sören, einem ehemaligen Linksextremisten aus Schweden unterhält sie sich darüber, was es heißt, die eigene Meinung mit Gewalt durchzusetzen. In Deutschland besucht sie Ingo Hasselbach, „The Führer of Berlin“, von
dessen Ausstieg aus der ostdeutschen Neonazi-Szene der Wendejahre Winfried Bonengels Film „Führer Ex“ handelt. In Paris lernt sie den ehemaligen Dschihadisten David kennen, der mit den Attentätern der ersten Terroranschläge in Frankreich bekannt war und während seines Gefängnisaufenthalts den Absprung aus der Dschihadisten-Gemeinschaft geschafft hat. Winther interessiert sich vor allem dafür, was ihren Gesprächspartner/innen als Weckruf diente, Gewalt und Radikalismus hinter sich zu lassen. Was gab bei jedem Einzelnen den Ausschlag zum Ausstieg?

Als Karen Winther wegen eines Umzugs alte Kisten in die Hände fallen, ist sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Gleich obenauf liegen Aufkleber mit Hakenkreuzen, daneben eine Kassette mit der Aufschrift „Blitz“ und „Hits“, einiges anderes Material mit Reichsadlern. Vor zwanzig Jahren schloss sie sich einer rechtsextremistischen Organisation in Norwegen an, suchte dort das Abenteuer und Gleichgesinnte. „It‘s embarrassing to look at“, spricht sie im Off-Kommentar. „Exit“ ist ihr Film, ihre Geschichte und doch weist die Handlung schnell in andere Richtungen, bleibt nicht im eigenen Gefüge verhaftet. Winther reist in die USA, um Frauen zu treffen, die sich ebenfalls im rechtsextremen Milieu bewegten. Sie sitzt mit einem ehemaligen linksextremen Aktivisten im Auto und unterhält sich über eine prägende Begegnung, viele Jahre zuvor. Sie lernt Ingo Hasselbach, „The Führer of Berlin“, kennen, von dessen Ausstieg aus der ostdeutschen Neonazi-Szene der Wendejahre Winfried Bonengels Film „Führer Ex“ handelt. Und sie kommt mit einem Ex-Dschihadisten zusammen, der seine Strafe in einem Pariser Gefängnis abgesessen hat. Neben überraschend verbindenden Motivationen und Erfahrungen teilen alle Schwierigkeiten, die mit ihren „Exits“ zusammenhängen, Schuldgefühle, aber auch Gefährdungen seitens noch aktiver Mitglieder.



Carolin Weidner





Ausgezeichnet mit dem Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts, mit dem Young Eyes Film Award und dem Gedanken-Aufschluss-Preis der Jury aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen Strafgefangenen der JSA Regis-Breitingen


Internationales Programm 2013
My Stolen Revolution Nahid Persson Sarvestani

Frauen, die nach dem Sturz des Schahs in iranischen Gefängnissen gefoltert wurden, treffen sich erstmals wieder und brechen ihr Schweigen. Befreiung durch die Kraft der Kunst.

My Stolen Revolution

Dokumentarfilm
Norwegen,
Schweden
2013
75 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Nahid Persson Sarvestani
Regie
Nahid Persson Sarvestani
Musik
Adam Norden
Kamera
Nicklas Karpaty, Makan
Schnitt
Emil Engerdahl, Nahid Persson Sarvestani
Die Archivaufnahmen der Eröffnungssequenz vergegenwärtigen den Alltag im Iran der 1970er Jahre. Vielen Menschen war es möglich, ein „normales Leben zu führen“, während die oppositionellen Gruppen noch Seite an Seite gegen den Schah kämpften. Der wurde gestürzt, „aber die Islamisten waren besser organisiert als wir“. Nahid Persson Sarvestani war damals linke Aktivistin. Nur mit sehr viel Glück und dank der Hilfe ihres Bruders Rostam entging sie der brutalen Gefangenschaft, die Folter, Vergewaltigungen und Massenhinrichtungen bedeutete. Auch Rostam wurde getötet.
Ein eigenwilliges Schuldgefühl bringt Nahid Persson Sarvestani Jahre später dazu, einige der wenigen Überlebenden des Widerstands zusammenzuführen. Die Suggestionskraft der Objekte und Kunstwerke, die in der und durch die Gefangenschaft entstandenen, sowie die erschütternden Erinnerungen der fünf Frauen an ein Regime, das heute immer noch an der Macht ist, werden einem sehr persönlichen Ansatz und dem Diskurs der eigenen Gedanken und Fragen gegenübergestellt. Der Regisseurin gelingt es überdies, von einer tiefen Verbundenheit zu erzählen, indem sie uns mit den bewegenden Gesichtern starker Persönlichkeiten konfrontiert, die sich nicht nur symbolisch von ihrem Tschador befreien.

Claudia Lehmann



Ausgezeichnet mit dem Filmpreis "Leipziger Ring" 2013

Internationales Programm 2012
When Bubbles Burst Hans Petter Moland

An den Schauplätzen der Finanzkrise befragen drei Vertreter einer bankrotten norwegischen Gemeinde die großen Gurus der Weltökonomie: Wo ist unser Geld geblieben?

When Bubbles Burst

Dokumentarfilm
Norwegen
2012
90 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Odd Arvid Strømstad, Eyeworks Dinamo AS
Regie
Hans Petter Moland
Musik
Ginge
Kamera
Philip Øgaard
Schnitt
Torkel Gjørv
Buch
Petter Skavlan
Ton
Gisle Tveito
Wenn man Umfragen Glauben schenken darf, dann waren die Norweger im Jahr 2008 das glücklichste Volk auf Erden. Immerhin lebten sie nicht nur im lebenswertesten Land der Welt, nein, sie hatten dort mit Vik (2.800 Einwohner) auch das Städtchen mit der gesündesten Ökonomie und der höchsten Lebensqualität. Doch das alles ist Vergangenheit, denn über dem pittoresken Ort kreisen seither die Pleitegeier. Was also ist da faul im Staate, nein, nicht Dänemark, aber gewiss auch nicht bloß Norwegen? – In Hans Petter Molands Film brechen zwei Vertreter aus Vik zu einer Reise auf, an deren Ende ein besseres Verständnis dessen steht, was die komplexe Mechanik der globalen Wirtschaft zwischen Real- und Finanzökonomie, Blase und Crash, toxischen Papieren und Asset Backed Securities im Innersten zusammenhält. Erzählt wird diese Geschichte über Besuche an verschiedenen Schauplätzen der jüngsten Welt-Finanz-Krise sowie prägnante Erläuterungen eines guten Dutzends hochkarätiger Akteure sowie Beobachtern des aktuellen Geschehens, darunter Carlota Perez („Technological Revolutions and Financial Capital“), Bill Janeway (Finanzmakler), Joseph Stiglitz (Nobelpreis für Ökonomie 2001) und Michael Lewis („The Big Short: Wie eine Handvoll Trader die Welt verzockte“).
– Ralph Eue

When Hari Got Married

Dokumentarfilm
Indien,
Norwegen,
UK,
USA
2012
75 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Ritu Sarin, White Crane Films
Regie
Ritu Sarin, Tenzing Sonam
Musik
Arjun Sen
Kamera
Tenzing Sonam
Schnitt
Tenzing Sonam
Ton
Tenzing Sonam
„I love you“ am Telefon zu sagen, verlangt eine persönliche Vorgeschichte. Doch Hari hat seine zukünftige Braut Suman, mit der er diese zärtlichen Worte täglich austauscht, während er sein Taxi über die holprigen Straßen seines indischen Heimatortes am Fuße des Himalayas steuert, noch nie getroffen. Die Hochzeit ist arrangiert und die Jahrtausende alte Tradition dahinter die Vorgeschichte. Haris Vater hat erst Ruhe, wenn sein Jüngster, immerhin schon 30, endlich verheiratet ist. Dafür investiert er sein gesamtes Vermögen. Denn eins ist klar: die Hochzeit wird bunt und teuer.
Wer möchte schon seinen Vater unglücklich machen? Und doch hat Hari einen Weg gefunden, die Tradition ein Stückchen aufzuweichen: das Mobiltelefon. „Wenn du täglich miteinander telefonierst, würdest du dich am Ende sogar in einen Stein verlieben“, sagt er in seiner unnachahmlichen, pragmatischen Art. Immer wieder überrascht der meist zu Scherzen aufgelegte junge Mann durch seine Direktheit. Und doch: je näher die Hochzeit rückt, desto nachdenklicher und verschlossener wirkt er. Denn er weiß genau: ein Stein ist Suman nicht, und dass sie die Trennung von ihrer Familie nicht verkraftet, bleibt eine berechtigte Sorge.
Die Feuerprobe auf diese ungewöhnliche Liebe steht noch aus – am Ende einer langen Zeremonie, auf die das Brautpaar am wenigsten Einfluss hat. Die Geschichte dieser traditionellen Hochzeit lebt von den kleinen Anzeichen einer behutsamen Modernisierung, zu der Hari seinen bescheidenen Beitrag leistet.
– Lars Meyer