Filmarchiv

Jahr

Convictions

Dokumentarfilm
Polen,
Russland
2016
63 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Vlad Ketkovich, Mariya Chuprinskaya, Maciek Hamela, Tatyana Chistova
Regie
Tatyana Chistova
Musik
Omari Zverkov
Kamera
Mariya Falileyeva , Omari Zverkov, Miroslav Mishinov, Aleksey Strelov, Dmitriy Medvedev
Schnitt
Tatyana Chistova
Ton
Marina Sheinman
Dies sind die Geschichten und Gerichtsverhandlungen vier junger Männer, die beschlossen haben, dass „Pazifismus“ für sie kein Schimpfwort ist. Doch schwimmen sie mit dieser Überzeugung gegen den Strom einer rundum remilitarisierten Gesellschaft, die nun schon seit Jahren wieder stählerne Kerle schmiedet. Unter §328 führt das russische Strafgesetz die Wehrdienstverweigerung.

Der schüchterne Roman ist bestens gebrieft und versucht es mit großen Vorbildern wie Lew Tolstoi und Albert Einstein, was ihm aber lediglich den Ruf als „Pseudo-Dostojewski“ einbringt. Bei Viktor fragt sich die Musterungskommission, ob sie überhaupt zuständig ist („Junge oder Mädchen?“), und stimmt dann – sehr zum Missfallen einiger Schwerverantwortlicher – für Zivildienst. Dort nimmt die Geschichte eine unglaublich komische Wendung, denn er wird zum Dienst in das Veteraninnen-Tanzensemble „Sudarushka“ abgestellt. Ein solches Kitsch-Ende bleibt dem entschlossenen Ukraine-Kriegsgegner und Solitär Lyosha und Johnny, Demo-Profi mit beachtlicher Rhetorik, freilich vorenthalten.

Dennoch mögen wir – bei aller grundsätzlich angesagter Bitterkeit – gemeinsam mit ihnen und diesem Film wieder etwas Hoffnung schöpfen: Denn wer gedacht hat, dass politische Repression hirn- und mundtot macht, den belehrt Chistovas widerständiger Einblick hinter die Kulissen der kollektiven Meinungsformierung und Stimmungsmache eines Besseren.

Barbara Wurm



Ausgezeichnet mit dem MDR-Filmpreis 2016

Next Masters Wettbewerb 2018
Symphony of the Ursus Factory Jaśmina Wójcik

Heraufbeschwörung einer untergegangenen Existenz- und Arbeitsweise. Die Phonosphäre der Schwerindustrie, neu erschaffen mittels Traktoren, Kompositionen und Körpererinnerungen.

Symphony of the Ursus Factory

Dokumentarfilm
Polen
2018
61 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Zuzanna Król
Regie
Jaśmina Wójcik
Musik
Dominik Strycharski
Kamera
Kacper Czubak, Jakub Wróblewski
Schnitt
Aleksandra Gowin
Buch
Jaśmina Wójcik, Igor Stokfiszewski
Ton
Dominik Strycharski
Symbolische Wiederbelebung des glorreichen Zeitalters der polnischen Landmaschinenproduktion. Das traditionsreiche Unternehmen Ursus gehörte einst zu den größten seiner Art in ganz Europa. Mit dem Kollabieren des Kommunismus war jedoch auch das Schicksal von Ursus besiegelt. Heute sind die Produktionsstätten verfallen und Tausenden ehemaligen Beschäftigten erscheint die eigene Arbeitsbiografie nur noch wie ein ferner, gar fremder Schatten.

Vor einigen Jahren begann eine Gruppe von Choreografen, Musikern und Filmemachern um die Künstlerin Jaśmina Wójcik, Kontakt zu den früheren Arbeitern und Angestellten von Ursus herzustellen. Alle Beteiligten staunten nicht schlecht, wie sehr die damals ausgeführten Tätigkeiten in vielen unkontrollierten Momenten die Körpersprache der Protagonisten beeinflussten, ja steuerten. Das Körpergedächtnis war offensichtlich besser trainiert als das kognitive. Der nun erarbeitete Film, eine dokumentarische Inszenierung, ist eine nach musikalischen Regeln organisierte Performance. Die Mitwirkenden versetzten sich als Darsteller ihrer selbst in Charaktere, die sie einmal in der Wirklichkeit der Fabrik gewesen sind. In der lamentablen Realität der heutigen Fabriküberreste empfinden sie rituell einen früheren Arbeitstag nach, gipfelnd in einem aufwändigen Traktorenballett, das jedem hochbudgetierten Hollywoodmusical zur Ehre gereichen würde.

Ralph Eue


Nominiert für den Healthy Workplaces Film Award und den MDR Filmpreis