Als kleiner Vogel möchte sie in einem anderen Leben zurückkehren, klein genug, um sich verstecken zu können. Noch lebt sie wie im Vogelkäfig, den Launen des Schicksals ausgeliefert, das sie und ihre Familie aus Myanmar nach Thailand in ein Flüchtlingsdorf im Dschungel verschlagen hat. Unaufhörlich prasselt der Regen auf die Hütte. Der reißende Strom vor dem Haus ist so groß wie die unterdrückten Gefühle der Frau, die in ihrem Leben zwölf Kinder geboren und einige verloren hat. Ihren Mann hat sie sich nicht ausgesucht, überdies fliegt er ihr zuweilen davon. Jetzt hofft sie nur noch darauf, dass ihre Tochter nachkommt. Die Versuche, Telefonkontakt aufzunehmen und Nachrichten über das Radio zu empfangen, scheitern oft an der schlechten Verbindung. Von außen gesehen erscheinen die Menschen des Kayan-Volkes, insbesondere die Frauen mit ihrem schweren Halsschmuck, wie seltene, vom Aussterben bedrohte Exemplare, die man in touristischen Schaudörfern bewundern kann. Doch der Film offenbart eine Welt, die kein Tourist jemals zu Gesicht bekommt. Mit einer klaren Bildsprache, die ebenso atmosphärisch wie symbolisch ist, tastet er sich behutsam an die innere Wirklichkeit der Protagonistin heran, ohne eine Deutungshoheit zu beanspruchen. Wer kann schon in die Seele eines Menschen schauen? Und doch werden die Kraft, der Mut und auch die Magie, die es in diesem Leben braucht, spürbar.
Lars Meyer