Schon die Eingangssequenz, die wie ein Zeittunnel Vergangenheit und Gegenwart verbindet, weist Lucia Murat als große Erzählerin des brasilianischen Kinos aus. 1999 drehte sie im Reservat der Kadiweu im Mato Grosso einen Spielfilm. 13 Jahre später kehrt sie zurück, um das Schicksal verschiedener Protagonisten, die damals kleinere Rollen übernommen hatten, aufzugreifen. Im Kontrast der Bilder von damals mit jenen der Gegenwart werden die Probleme der Kadiweu deutlich: Mit der Elektrifizierung kamen die Fernsehapparate, schließlich der Alkohol und die protestantische Kirche. Wie können Tradition, Sprache und Identität erhalten bleiben, wenn die Jungen in die Stadt gehen? Wenn die Pfarrer die alten Bräuche ablehnen? Wenn weiße Rinderfarmer sich illegal auf dem Gebiet der indigenen Bevölkerung niederlassen? Der Film folgt diesen Fragen in einer assoziativ angelegten Erzählung. Immer wieder gelingt es dieser, entlang kleiner Ereignisse und Details – der Tag der Toten, die Erklärung eines Namens – die Distanz abzumessen, die die Kadiweu von ihrer Vergangenheit trennt. Früher waren sie ein kriegerisches Volk, das auf Pferden in den Kampf zog. Heute waschen sie ihre japanischen Motorräder im Fluss und verhandeln Landrechte über Rechtsanwälte. Und bleiben trotzdem Kadiweu. Das jedenfalls ist das trotzige Statement der Schlusseinstellung dieses bemerkenswerten Films.
---Matthias Heeder