„Cru“ heißt „rau“, „roh“ oder auch „wund“. All das ist diese szenische Aneinanderreihung von Carlos Ruiz Carmona – Momentaufnahmen aus der portugiesischen Stadt Porto, die er über einen Zeitraum von bald einer Dekade gesammelt hat. Hier gibt es Filmküsse und heftig kopulierende Körper, zitternde Hände und Sex gegen Geld. Hostien knacken und Zähne werden ausgeschlagen. Die Bilder sind alles andere als glamourös und doch sind sie aufgeladen: Die Menschen in ihnen agieren angespannt und häufig aggressiv. Das Porto von Carlos Ruiz Carmona ist ein Energiefeld, in dem sich allerorts Spannung aufbaut und wieder entlädt, wo Menschen mal Empfänger, dann Sender jener Ströme werden. Der Film wirkt distanziert und dabei gleichermaßen intim, weil sein Regisseur zwar auf direkte Kommunikation verzichtet, aber ein bohrender Beobachter ist. Einer, den vor allem die Oberflächen interessieren, unter denen es brodelt und die kurz vorm Aufplatzen stehen – sei es in Form eines Ekzems, eines Schlags oder einer Geburt.
Carolin Weidner