Filmarchiv

Internationales Programm 2017
A Memory in Khaki Alfoz Tanjour

Khaki sei die Farbe, die in jedem Syrer stecke, heißt es hier. Die These wiederholt sich in Variationen, fliegt durch Kunst und Gedanken. Und Alfoz Tanjour findet die richtigen Bilder dafür.

A Memory in Khaki

Dokumentarfilm
Qatar
2016
108 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Louai Haffar
Regie
Alfoz Tanjour
Musik
Kinan Azmeh
Kamera
Ahmad Dakroub
Schnitt
Alfoz Tanjour
Buch
Alfoz Tanjour, Louai Haffar
„Mein Blut besteht aus dieser Stadt, ihren Steinen, ihren Nachbarschaften, ihren Geschäften, ihren Menschen und ihren Morgen … Mein Blut ist vielleicht aus dem Geruch von Diesel gemacht, der in ihr ist.“ Alfoz Tanjour besucht den syrischen Schriftsteller Ibrahim Samuel 2009 in Damaskus und filmt ihn in seinem Adidas-Pullover am Schreibtisch sitzend, mit Kaffee und Zigarette vor seinem Manuskript. Als Tanjour in den 1990er Jahren nach Moldawien ging, um Film zu studieren, war eine Kurzgeschichte Samuels sein erster Stoff. Auch jetzt ist der Intellektuelle Ausgangspunkt für eine Arbeit, die trotz immanenter Schwere wie ein anmutiger Flug ist. „A Memory in Khaki“ teilt Kunst und Gedanken von Menschen, denen das oppressive syrische Regime eingeprägt ist – mitsamt einer Farbe und ihrer Symbolik: Khaki.

Carolin Weidner

Damascus, My First Kiss

Dokumentarfilm
Libanon,
Qatar,
Syrien
2012
42 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Lina Al Abed, SakaDo Productions
Regie
Lina Al Abed
Musik
Wael al Kak
Kamera
Joud Gorani
Schnitt
Andrijana Stojkovic, Rami Nihawi
Buch
Lina al Abed
Ton
Ghanem Al Mir
In ihrem dritten Dokumentarfilm setzt sich die palästinensisch-jordanische Filmemacherin Lina Alabed erneut mit der Rolle der Frau in der arabischen Welt auseinander. Drehort ist Damaskus, Syrien. Noch hat der Aufstand gegen das Assad Regime nicht begonnen. Trotzdem liegt Unruhe in der Luft und die Frage nach den Grenzen, die eine männerdominierte Gesellschaft den Frauen setzt, führt notwendig zu der Frage der Freiheit. Drei Frauen erzählen von ihrem Verhältnis zum Körper, zur Sexualität, von dem Druck der Traditionen und ihren Schuldgefühlen. Asma, eine Muslima, die mit 16 Jahren verheiratet wurde und nicht die geringste Vorstellung davon hatte, was Heirat bedeutet; Lina, Tochter einer wohlhabenden christlichen Familie, die bedauert, dass sie mit 45 Jahren ihren Körper noch immer nicht kennt; schließlich die Regisseurin selbst, die in sehr persönlichen Worten aus dem Off kommentiert und die Stimmen dieses Films zu einer einzigen Erzählung verbindet. Überraschend ist die Offenheit, mit der Asma und Lina ihr Leben beschreiben, überraschend für die Protagonistinnen selber. In einer wunderbaren Szene – Asma hat gerade davon erzählt, wie das Streicheln der Tochter in ihrem Armen als Weckung sexueller Lust kritisiert wurde – blickt sie gedankenverloren vor sich hin. Dann wendet sie den Kopf der Kamera zu und sagt diesen einen Satz: Wohin führst Du mich? Wie also die Verhältnisse ändern? Lina und Asma haben ihre Töchter von dem gesellschaftlichen Zwang befreit und lassen sie selbst über ihr Leben entscheiden. Damit schlagen die Frauen Schneisen in die versteinerten Verhältnisse, an deren Ende die Regisseurin die Freiheit des Menschen sieht, unabhängig vom Geschlecht.
– Matthias Heeder

In the Claws of a Century Wanting

Dokumentarfilm
Deutschland,
Philippinen,
Qatar
2017
120 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Jewel Maranan
Regie
Jewel Maranan
Kamera
Jewel Maranan
Schnitt
Lawrence S. Ang
Ton
Francis Raphael Solajes, Mikael Andres Quizon
Mit der Regenzeit kommt dieser Film zur Ruhe. Taifune ziehen heran und die Geräusche – das Schreien spielender Kinder, das Knirschen riesiger Verladekräne, das laute Treiben in den Gassen, das Rattern der LKWs – weichen dem gleichförmigen Klang anhaltend strömenden Wassers. Erst jetzt merken wir, wie durchlässig und empfindlich, wie labil und wie reich diese Welt ist, in die uns die philippinische Regisseurin Jewel Maranan mit ihrem Film führt.

Entlang der Ränder von Manilas gigantischem Handelshafen erstrecken sich notdürftige Barackensiedlungen, gebaut aus Blechwänden, Holzlatten und Plastikplanen. Wer hier lebt ist arm, arbeitet als Tagelöhner oder nachts in der Containerverladung. Das Hafengeschäft floriert, die Anlagen expandieren, die Menschen werden von der Regierung zur Umsiedlung genötigt. Anhand von fünf Protagonisten sehen wir mitten hinein in die Realität eines marginalisierten Lebensraums. Und immer wenn die Kamera – durch die Planen und Wellbleche hindurch – den Blick ein Stück weit freigibt auf die Bockkräne und Containertürme hinter den Häusern, dann sehen wir auch mitten hinein ins grimassierende Gesicht der globalisierten Weltwirtschaft.

Lukas Stern


Nominiert für den Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts

Internationales Programm 2018
Nine Month War László Csuja

Nach dem Kriegsdienst an der russisch-ukrainischen Front ist János nicht mehr der, als der er ging. Ein Coming of Age unter militärischen Vorzeichen, eine psychologische Beobachtung.

Nine Month War

Dokumentarfilm
Ungarn,
Qatar
2018
73 Minuten
Untertitel: 
englische

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Produktion
Ágnes Horváth-Szabó, András Pires Muhi
Regie
László Csuja
Kamera
Zágon Nagy
Schnitt
Ágnes Mógor
Buch
László Csuja
Ton
Tamás Beke
János ist Anfang zwanzig, als ihn die ukrainische Regierung zum Krieg einzieht. Seine Familie zählt zur ungarischen Minderheit im Land. Viele fliehen in die EU, um dem Dienstantritt zu entgehen. János aber entscheidet sich für das Militär. László Csuja begleitet ihn in den Wochen, bevor er sich auf den Weg zur 1.500 Kilometer entfernten Frontlinie macht, ist dabei, wenn János über die Feiertage zu seiner Familie zurückkehrt, und nimmt ihn nach dem Kriegseinsatz zu Hause in Empfang. Verwendung findet auch Material, das der Soldat selbst mit seiner Handykamera aufgenommen hat – Einblicke in den Alltag auf der Basis.

Die neun Monate im Filmtitel erinnern nicht umsonst an die Dauer einer klassischen Schwangerschaft – „Nine Month War“ ist das Porträt einer Entwicklung, vielleicht nicht vom Embryo zum Säugling, aber doch vom Jungen zum Mann, je nachdem, was man darunter verstehen möchte. Der Junge János wirkt so kraftvoll wie unbedarft, ist umringt von der Liebe der Verlobten und einer ewig präsenten Mutter. Der Mann János, jener, den das ukrainische Militär nach dem Einsatz zurückgibt, ist unzugänglicher, teils grob. Gegen die weiblichen Hauptfiguren in seinem Leben hat sich Widerstand aufgebaut. János ist mit sich selbst beschäftigt, sitzt im Halbdunkel und spielt an seinen Händen. Den Soldaten, die in den Kiosk kommen, in dem er arbeitet, blickt er mit undurchdringlicher Miene nach.

Carolin Weidner


Nominiert für den MDR-Filmpreis