Die Einstürzenden Neubauten tönen „Mela-Mela-Melancholia“ und hinterfragen die Befindlichkeit des Landes. Zwischen den Szenen, die traumwandlerisch den Grenzbereich von Dokumentarismus und Fiktion betreten, werden tief liegende Intimitäten behandelt, die uns alle betreffen. Das Projekt – diesjähriger Gewinner des Goldenen Bären – ist experimentell: Viele der Protagonistinnen und Protagonisten sind „real“, spielen sich selbst, andere wie Laura Benson und ihr Schauspielerkollege Tómas Lemarquis greifen Drehbuchskizzen auf, lassen die Rollen aber so nah auf sich zukommen, dass sie in eigenes Leben dringen. Sie sprechen von Sex und performen ihn, von Hemmungen und Visionen, von Ängsten und Überwindungsformen. Ihr Ziel – Ziel dieses ungewöhnlichen Films: (Selbst-)Befreiung. Gelegentlich tritt die Regisseurin ins Bild, setzt sich auf die Couch, zu Christian Bayerlein, dem „kissability“-Blogger, oder zur transsexuellen Hanna Hofmann. So weiß man, dass sie dabei ist und hinsehend dem Voyeurismus trotzt, wenn die Kamera über eine Gruppen-BDSM-Session schwebt oder fast hautnah den Touch-Therapie-Workshop mit teilweise körperlich schwerbehinderten Menschen verfolgt. Sie selbst spricht auch, über ihre eigenen Schamgrenzen, weit weg vom Like-Wahn narzisstischer Social-Network-Egos. Eine transgressive Normkritik, ästhetisch und politisch korrekt (und das ist gut). Und absolut gewagt obendrein. Barbara Wurm