Filmarchiv

Internationales Programm 2015
Back Home Inna Denisova

Heimkehr nach Simferopol. Begegnungen mit fanatischen Putin-Anhängern und Kritikern, die die Krim verlassen müssen. Authentischer Blick auf eine zutiefst gespaltene Gesellschaft.

Back Home

Dokumentarfilm
Russland
2015
74 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Inna Denisova
Regie
Inna Denisova
Musik
DJ Enjoykin
Kamera
Egor Maximov, Oleg Morgun
Schnitt
Natasha Josef
Animation
Anna Shifrina
Buch
Inna Denisova
Ton
Roman Bakharev
Wir werden es vermutlich nie erfahren, wie sich die Annexion der Krim genau ereignet hat. Doch weder die versteckten Operationen der Streitkräfte noch die offenen Polit-Rhetoriken sind für Inna Denisova, die diesen No-Budget-Film mit viel Energie realisiert hat, von Belang. Sie interessiert sich für die schleichenden atmosphärischen Verschiebungen, die mit den geopolitischen einhergehen. Wie lebt es sich im Meer des russischen Weiß-Blau-Rot und von Graffiti-Plakaten, die für die einen Glücksverheißung, für die anderen Chauvi-Sprüche sind? Putins große Heimholung der Halbinsel konterkariert Denisova mit ihrer kleinen, sehr persönlichen Rückkehr nach Simferopol, in ihre Geburtsstadt. Zweimal „Back Home“ – und die Frage, was das war, ist und sein wird: Heimat, Zugehörigkeit, Kindheit.

Ohne jede Polemik spricht sie mit alten Schulfreundinnen, Künstlern und Galeristen. Manche bleiben, viele gehen. Ob im Interview mit einem Freund von Regisseur Oleg Sencov (wegen „Terrorismus“, aber ohne Beweise zu 20 Jahren Straflager verurteilt) oder in der ausgesprochen martialischen Reenactment-Event-Kultur (Panzer-Licht-Show für Jung und Alt), ob im Gespräch mit einem Zeichner, dem die Touristen wegbleiben, weshalb er nun Zhirinovsky und die „freundlichen Menschlein“ des Anschlusses porträtiert … Was sich zeigt: eine zutiefst gespaltene Gesellschaft und die noch tiefere Verunsicherung des Einzelnen.

Barbara Wurm
Internationales Programm 2014
Brutus Svetlana Filippova

Brutus schaut Menschen immer nur ganz kurz in die Augen und wendet sich sofort ab. Niemand weiß besser als Hunde, wie kurzlebig die Zuneigung der Menschen sein kann.

Brutus

Animationsfilm
Russland
2014
11 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Lyubov Gaidukova
Regie
Svetlana Filippova
Kamera
Svetlana Filippova
Schnitt
Svetlana Filippova
Animation
Ekaterina Boykova, Svetlana Zimina, Sara Magambetova, Svetlana Filippova
Buch
Svetlana Filippova
Ton
Artem Fadeev
Brutus schaut Menschen immer nur ganz kurz in die Augen und wendet sich sofort ab. Niemand weiß besser als Hunde, wie kurzlebig die Zuneigung der Menschen sein kann.
Internationales Programm 2018
Dramatic and Mild Nastia Korkia

Das Arrangement: Muskelmann, Kandinsky, Neugierige. All das trifft hier auf engstem Raum zusammen, vermischt sich zu einer einerseits abstrakten, dann aber doch sehr leibhaftigen Situation.

Dramatic and Mild

Dokumentarfilm
Russland
2018
6 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Anastasiya Olesik, Sergey Kondryakov
Regie
Nastia Korkia
Kamera
Sergey Amirdzhanov
Schnitt
Tatyana Vikhreva
Buch
Nastia Korkia
Ton
Yelena Petrosyan
Wie eine Actionfigur in einem Puppenhaus: Die imposante Sicherheitskraft lässt die Brustmuskeln wechselseitig zucken, das Walkie-Talkie hüpft und springt dazu. Er hält Wache in einer gemütlich eingerichteten Kiste, die in einer Industriehalle auf Stelzen montiert ist. Und in ihr: ein Bild von Wassily Kandinsky! Die Besucherschlange wartet zur Kiste hoch, alle wollen das Kunstwerk sehen, ganz intim sein mit der Kostbarkeit. Wenige Quadratmeter vollster Konzentration.

Carolin Weidner
Internationales Programm 2017
Harmony Lidia Sheinin

Großmutter wird zum Pflegefall und so übernehmen fünf Jungfamilienmitglieder das Kommando. Ein Film über das Alt-, Kind-, Mutter-Sein und den schweren Abschied – von Dingen, vom Leben.

Harmony

Dokumentarfilm
Russland
2017
62 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Lidia Sheinin
Regie
Lidia Sheinin
Kamera
Lidia Sheinin
Schnitt
Lidia Sheinin
Ton
Lidia Sheinin, Makar Akhpashev, Andrey Fonin, Pavel Doreuli
Man weiß nicht recht, ob man es der schmalen Omi übel nehmen soll, dass sie so grantig ist. Ihre Enkelin zieht zu ihr, um für sie zu kochen und sie zu unterstützen. Im Schlepptau jedoch sind auch deren vier Kinderchen, die nun ungehemmt die enge Sowjet-Durchschnittswohnung in Beschlag nehmen, ihrer Uroma vor die Füße krabbeln und krümeln und dabei deutlich die Schule moderner Erziehungsmethoden demonstrieren. Babuschka wird zum Fremdkörper in ihren eigenen vier Wänden. Sie räumt und wischt (nach) – dass sie zwischen aufgespannten Wollfäden und Windelpopos nicht stolpert, grenzt an ein Wunder –, sie jammert und schimpft. Erst als ihr geliebtes Klavier, wie sie sagt, „liquidiert“ werden soll, fließen erstmals Tränen …

Lidia Sheinin fängt das emotionale Oszillieren in diesem familiären Lebens- und Alltagswahnsinn mit viel Gespür für Nähe und Distanz ein. Auf engstem Raum durchmisst sie Generationen und Haltungen, studiert Charaktere und Beziehungen – und schafft mitten im wilden Treiben fast unendliche Zonen für die Reflexion darüber, was uns bindet.

Barbara Wurm


Nominiert für MDR-Filmpreis
Internationales Programm 2016
In Another World Anna Bedyńska

Ein Baby wird erwartet. Vorfreude. Wo liegt der Kopf, wo sind die Beine? Hier aber ist es anders. Kasia, die schon zwei Kinder und eine Karriere hat, muss sich entscheiden: Ihr Baby hat das Down-Syndrom.

In Another World

Dokumentarfilm
Polen,
Russland
2016
26 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Marina Razbezhkina
Regie
Anna Bedyńska
Kamera
Anna Bedyńska
Schnitt
Anna Bedyńska
Buch
Anna Bedyńska
Ton
Anna Bedyńska
Ein Baby wird erwartet. Vorfreude. Wo liegt der Kopf, wo sind die Beine? Hier aber ist es anders. Kasia, die schon zwei Kinder und eine Karriere hat, muss sich entscheiden: Ihr Baby hat das Down-Syndrom. In Deutschland lassen neun von zehn Frauen dann abtreiben. Für die Katholikin Kasia schwer zu akzeptieren – ebenso wie die Option, es auszutragen. Über sechs Monate folgt die Razbezhkina-Schülerin Anna Bedyńska der Familie und rührt mit diesem Film an das letzte Tabu unserer perfekten Gesellschaft.

Grit Lemke
Internationales Programm 2017
Of Huge and Small Artem Funk

Die Frage ist nicht, ob wir Angst haben. Die Frage ist, was wir tun, wenn wir Angst haben, sagt die Aktivistin Zhanna, die im Murmansk lebt und seit mehreren Jahren als „feindliche Agentin“ im Visier der Sicherheitskräfte steht.

Of Huge and Small

Dokumentarfilm
Deutschland,
Russland
2017
25 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Artem Funk
Regie
Artem Funk
Kamera
Artem Funk
Schnitt
Artem Funk
Buch
Artem Funk
Ton
Artem Funk
Die Frage ist nicht, ob wir Angst haben. Die Frage ist, was wir tun, wenn wir Angst haben, sagt die Aktivistin Zhanna, die im Murmansk lebt und seit mehreren Jahren als „feindliche Agentin“ im Visier der Sicherheitskräfte steht. Zhanna lebt mit der Angst und findet dennoch klare Worte für die gegenwärtige politische Lage – in Russland und anderswo. Nur so kann sie sich der Tatsache vergewissern, dass wir selbst es sind, die unsere Geschichte schreiben.

Luc-Carolin Ziemann
Internationales Programm 2018
The Book of the Sea Aleksei Vakhrushev

Zwei traditionelle Jäger der Tschuktschen inmitten der weißen Weiten des Eises im äußersten Nordostens Russlands: Robben, Wale und Mensch, Gegenwart und uralte Mythen.

The Book of the Sea

Dokumentarfilm
Russland
2018
85 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Aleksei Vakhrushev
Regie
Aleksei Vakhrushev
Musik
Alexander Tavrizyan
Kamera
Vyacheslav Makaryev, Ruslan Fedotov
Schnitt
Julia Trofimenko
Animation
Eduard Belyayev
Buch
Aleksei Vakhrushev
Ton
Maria Ushenina, Sergei Ovcharenko
Zwei Jäger im tiefsten Nordosten Russlands in der Beringstraße. Sie jagen, um ihre Familien und die Bewohner ihres Dorfes zu versorgen. Inmitten der weißen Weiten des Eises pirschen sie sich an Robben heran und umkreisen mit Booten die Wale im Meer, bis der richtige Moment für die Harpune kommt. Die Jagd ist für die Bewohner dieser eisigen Gegend Teil einer besonderen Koexistenz mit der Natur. Nicht als Floskel, die ein friedliches Trotzeinander beschreibt, sondern als – wenigstens aus Menschensicht – unauflösbarer Zusammenhang.

Gegenwart und Vergangenheit dieser Lebensweise verschränken sich in den uralten Geschichten, die sie dabei begleiten. Der Filmemacher Aleksei Vakhrushev, Sohn und kinematografischer Künder der Kultur der Tschukotka, stellt in „The Book of the Sea“ ethnografische und Landschaftsaufnahmen der Eislandschaften neben animierte Sequenzen, gehalten in warmen Erdtönen, die die Mythen der indigenen Völker des russischen Fernen Ostens als archaisches, aber stets präsentes Echo mithallen lassen. Diese Elemente verbinden sich zu einem eindrücklichen Zeugnis des Lebens in der Arktis.

Fabian Tietke

The Last Limousine

Dokumentarfilm
Deutschland,
Russland
2013
79 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Marina Razbezhkina, Heino Deckert
Regie
Daria Khlestkina
Musik
Anton Silaev
Kamera
Anna Dashina, Evgeniy Kurbatov
Schnitt
Daria Khlestkina, Mieneke Kramer
Buch
Daria Khlestkina
Ton
Sergey Ovcharenko, Maria Ushenina
Sie waren nicht nur der Stolz der Nation, sondern auch Sinnbild für offen zur Schau gestellte Macht, die zunehmend zur leeren Pose geriet. Die ebenso feudalen wie formvollendeten Limousinen, die die Paraden des sowjetischen Militärs auf dem Roten Platz anführten, forderten im Osten wie im Westen Ehrfurcht und Respekt ein. Bis zum Kollaps 1990 wurden sie im Moskauer Autowerk ZIL handgefertigt. Dann kam die Produktionsstrecke zum Erliegen. An einem Mangel an Diktatoren und Repräsentationsgelüsten kann es nicht gelegen haben. Vielleicht sind die offenen Limousinen zu riskant geworden? Kurzum: Plötzlich bricht ein Auftrag über die schon fast abgewickelte Fabrik herein. Drei Wagen werden von Staats wegen bestellt. Der Geist des alten Kollektivs erwacht, die Maschinen werden hochgefahren und der Betriebsdirektor schreitet ernst die gigantischen Hallen ab, wo es sich die Katzen längst gemütlich gemacht haben. Die Regisseurin Daria Khlestkina protokolliert präzise dieses letzte Aufbäumen eines Giganten und gewährt – nicht ohne Wehmut – Einblick in die Restposten einer einstmals sozialistischen Betriebsstruktur, wo Langmut und Improvisationskunst doch das eigentliche Kapital stellten.
Cornelia Klauß
Internationales Programm 2014
The Term Pavel Kostomarov, Aleksandr Rastorguev, Aleksej Pivovarov

Insiderblick auf die Köpfe der Anti-Putin-Opposition. Von ganz links bis weit rechts, Intellektuelle, Promis und Politiker. Zeugnis eines brodelnden Chaos – hautnah und atemlos.

The Term

Dokumentarfilm
Estland,
Russland
2014
87 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Pavel Kostomarov, Aleksandr Rastorguev, Aleksej Pivovarov
Regie
Pavel Kostomarov, Aleksandr Rastorguev, Aleksej Pivovarov
Dies ist DER Film über die Opposition gegen Putins Russland. Einer der Regisseure, Pavel Kostomarov, wurde während seiner Entstehung durchsucht, etliche der Protagonisten saßen in Untersuchungshaft, einige sind verurteilt. Die dutzenden Kameras, die zu dem Mitte Mai 2012 gestarteten Online-Clip-Projekt beitrugen, auf dem der Film basiert, sind vor Ort, wenn fast sämtliche Anführer der Proteste gegen die Regierung festgenommen werden. Nur Herr Belov‚ der Weiße, bleibt ungeschoren, wenn er den Nazi-Mob zu „Lang lebe Anders Breivik“-Schlachtgesängen treibt. Da ist einmal Ksenija Sobčak, Politiker-Tochter, Ex-Putin-Patenkind, Talkshow-Masterin und vieles mehr, die trotz Glamour zur Repräsentantin der gemäßigten liberalen Intelligenzija taugt. Da ist Aleksej Naval’nyj, der trotz massiver Neigung nach weit rechts unzählige Anhänger um sich schart. Da ist Sergej Udal’cov, linksextremer Frontmann. Oder Petr Verzilov, Gatte von Pussy-Riot-Nadja und nunmehr „best friend“ von Madonna und Yoko Ono.
Sie alle nehmen mit ihrem Auftreten eine „Frist“ in Kauf. Eine „Frist“ ist es aber auch, die mit dem wiederholten Amtsantritt Putins als Präsident eingesetzt hat – die entscheidende sogar, wie sich zeigt, was den Aufstieg und Niedergang des bürgerlichen Widerstands gegen die Autokratie betrifft. Während der Zar, von „maîtres“ wie Depardieu beklatscht, seinen „thrill on Blueberry Hill“ besingt …
Barbara Wurm

Ties

Animationsfilm
Deutschland,
Russland
2019
8 Minuten
Untertitel: 
_ohne Dialog / Untertitel

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Florian Grolig
Regie
Dina Velikovskaya
Musik
Artem Fadeev
Kamera
Björn Ullrich
Schnitt
Vera Myakisheva
Animation
Nadya Fedotova
Buch
Dina Velikovskaya
Ton
Artem Fadeev

Nur noch der Abschied von Mama und Papa. Die Taxe ins Erwachsensein hupt bereits. Der letzte gemeinsame Tee ist ausgetrunken und die Schwelle schon überschritten. Wenn ein Kind sich ins Leben verabschiedet, löst sich für Eltern bisweilen die bisherige Welt bis zum letzten Faden auf. Mit allen Nebenwirkungen, auch für die Tochter. Launiger Strich, herzlich gezeichnete Charaktere, visueller Witz – Dina Velikovskaya weiß die Mittel der Animation mit Humor, Persönlichkeit und Pfiff einzusetzen. Nadja Rademacher





Ausgezeichnet mit dem Mephisto 97.6-Publikumspreis.


Umba-Umba

Animationsfilm
Russland
2012
7 Minuten
Untertitel: 
_ohne Dialog / Untertitel

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Lyubov Gaidukova, School-Studio "SHAR"
Regie
Konstantin Brilliantov
Musik
is used the part of the composition “Strike of miners in the Kuzbass” by Oleg Munager Sudakov and the music group “Grazhdanskaya oborona”
Schnitt
Konstantin Brilliantov
Animation
Konstantin Brilliantov
Buch
Konstantin Brilliantov
Ton
Anastassia Chekanikhina
Das Leben von Bergmännern ist wie die Lampe an ihrem Helm: Es kann hell leuchten und plötzlich ausgehen. Eine Animation unter der Erde.
Internationales Programm 2014
Varya Aliona Polunina

Mit Gesundheitssandalen und Alditüten erkundet eine Moskauerin den Ukraine-Krieg: auf dem Maidan, in Odessa und beim rechten Sektor. Die naive Heldin kommt der Wahrheit nahe.

Varya

Dokumentarfilm
Russland
2014
46 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Nastya Velskaya
Regie
Aliona Polunina
Kamera
Dmitry Rakov
Schnitt
Aliona Polunina
Buch
Aliona Polunina
Zwischenzeiten, Unklarheiten. Die Suchmaschinenmächte verdeutlichen das: Für Yandex ist die Krim russisches Territorium, für Google ukrainisch. Nur einen Knopfdruck entfernt liegt das Reich von Facebook, als Plattform ideologischer Positionierung auch nicht zu unterschätzen.
Aliona Polunina stößt bei ihrem Versuch, einen Film über den russisch-ukrainischen Krieg zu drehen, auf Varya, eine einfache Moskauer Mathematiklehrerin, grauhaarig-zerzaust, mit naivem Blick, Gesundheitssandalen, Einkaufstüten und Notebook. Varya ist seltsam, aber eine Heldin: Denn sie klappert ihre Facebook-Kontakte ab, und zwar in jenem Land, das über Nacht zum erklärten Feind ihrer Regierung geworden ist. Varya goes Ukraine – und erkundet dort ein ganzes Spektrum an politisch-nationaler Euphorie, das sie (ob militant oder pazifistisch, idiosynkratisch oder kollektiv) mit Empathie zu verstehen und später ihren russischen Mitstreitern gegen massenmediale Verblendung zu vermitteln versucht.
Es ist dieser simple Schritt, Adressen des virtuellen sozialen Netzwerks zu realen Kontakten zu machen, der Polunina und uns die Gelegenheit gibt, über die dokumentarische Kamera wieder Zugang zu bekommen zu einer Öffentlichkeit, die im militärischen und medialen Krieg unterzugehen droht – sei es durch reglementierte Ausblendung, sei es durch den Overkill unreglementierter Selbsteinblendung. Gegen beide Kriege tritt Varya an. Was mutig ist.
Barbara Wurm
Int. Wettbewerb Kurze Dokfilme 2014
Victory Day Alina Rudnitskaya

Schwule und Lesben erzählen vom Leben unter Putins Anti-Homosexuellen-Gesetz, während draußen die Parade aufmarschiert … Beklemmendes Gleichnis von Siegern und Besiegten.

Victory Day

Dokumentarfilm
Russland
2013
29 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Sergey Vinokurov, Alina Rudnitskaya
Regie
Alina Rudnitskaya
Kamera
Fedor Bakulin
Schnitt
Alina Rudnitskaya
Buch
Sergey Vinokurov
Ton
Alexsey Antonov
„Nur in Russland ist es denkbar, dass der Präsident jenes Jahr, in dem er seine Scheidung einreicht, zum ‚Jahr der Familie‘ erklärt.“ Während unten auf den Straßen Sankt Petersburgs das Fahnenmeer der Siegesparade verdeutlicht, wie sehr mittlerweile Russisch-Nationales, Kommunistisches und Orthodoxes verschmolzen sind im Land der ideologischen Extreme, sitzen lesbische und schwule Paare zu Hause auf ihren Sofas. Hinter geschlossenen Fenstern und jenseits der neuen Öffentlichkeit, die nunmehr rein zu halten ist von „Perversen“. Sie erzählen, wie sie sich kennengelernt haben und wie Eltern und Umgebung mit ihrem Bekenntnis zur Homosexualität umgehen. Im TV läuft eine Talkshow, ein Biedermann hält das im Juni 2013 verabschiedete Anti-Homosexuellen-Gesetz für zu harmlos: „Solchen muss man das Spenden von Blut und Sperma verbieten, und im Fall eines Autounfalls sollte man ihre Herzen in der Erde vergraben oder verbrennen, als ungeeignet für die Fortsetzung jedweden Lebens.“ Er erntet minutenlangen Applaus.
Das Schöne an diesem Film ist die Normalität dieser Lieben und Liebenden, die Selbstverständlichkeit ihrer Ansichten und Haltungen. Und doch hat sich – spätestens gegen Ende, in der fulminanten Schlussmontage – eine Schicht der Verzweiflung über ihre klugen Gesichter gelegt. Nach Juden und Queers, sagt einer, fehle jetzt eigentlich nur noch ein Gesetz über Hexen. Willkommen im Mittelalter, willkommen im Russland von heute.
Barbara Wurm

Watching the Ball

Animationsfilm
Bosnien-Herzegowina,
Estland,
Deutschland,
Russland,
Serbien
2014
12 Minuten
Untertitel: 
_ohne Dialog / Untertitel

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Michael Schwertel, Martin Kleinmichel
Regie
Martin Kleinmichel
Musik
Henning Schärfke, Martin Kleinmichel
Schnitt
Martin Kleinmichel
Animation
Anastasia Tasić, Ivan Ramadan, Katre Haav, Krunoslav Jović, Nenad Krstić, Tatiana Moshkova, Till Laßmann
Buch
Anastasia Tasić, Ivan Ramadan, Katre Haav, Nenad Krstić, Tatiana Moshkova, Till Laßmann, Martin Kleinmichel
Ton
Rainer Gerlach
Verschiedene Menschen an unterschiedlichen Orten auf der Erde und im Weltraum schauen Fußball. Während das Spiel virtuell alle miteinander verbindet, hat doch jeder seine ganz eigenen Probleme zu bewältigen. Ein europäisches Gemeinschaftsprojekt zum Lieblingssport Fußball.
Internationales Programm 2012
Winter, Go Away! Elena Khoreva, Denis Klebleev, Dmitry Kubasov, Askold Kurov, Nadezhda Leonteva, Anna Moiseenko, Madina Mustafina, Sofia Rodkevich, Anton Seregin, Alexey Zhiryakov

Momentaufnahmen der Anti-Putin-Protestbewegung: von den Pussy Riots über die Straße bis ins Wahllokal. Mutig, erfindungsreich, stellenweise komisch und radikal.

Winter, Go Away!

Dokumentarfilm
Russland
2012
79 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Marina Razbezhkina, Risk Film Studio
Regie
Elena Khoreva, Denis Klebleev, Dmitry Kubasov, Askold Kurov, Nadezhda Leonteva, Anna Moiseenko, Madina Mustafina, Sofia Rodkevich, Anton Seregin, Alexey Zhiryakov
Vom Tauwetter über den Frost bis hin zur Vertreibung des Winters: Schon immer scheinen die politisch markanten Abschnitte der sowjetischen (jetzt russischen) Geschichte extremen klimatischen Bedingungen zu entsprechen. Es ist Vladimir Putin, der heute für den Winter steht, dafür, dass es kalt geworden ist und dunkel in seinem großen Herrschaftsraum. Genau im (vergangenen) Winter aber kam es erstmals zu heftigen Protesten gegen den Souverän. Wie umgehen mit dem Ärger und der Empörung über ein korruptes, sich immer diktatorischer präsentierendes System? Wie seine Wut, ja Hass auf einen loswerden, der zwischen Chodorkowskij und Pussy Riot nun endgültig jene (offensichtlich willkürlichen) Grenzen verankert hat, die über Freiheit oder Knast entscheiden. Mutig und erfrischend sind die Menschen, die dieser Film ins Visier nimmt, ebenso die Jungregisseure selbst, ein zehnköpfiges Kollektiv unter der Leitung von Marina Razbežkina, das im Auftrag der „Novaja Gazeta“ die diversen Oppositionsbewegungen dabei verfolgt, wie sie die Politisierung der Gesellschaft und die Entstehung einer bürgerlichen Öffentlichkeit in Angriff nehmen. Das ist ein schwieriges, oft brutales, teilweise sogar komisches Unterfangen. Ob als Beobachter im Wahlbüro (das der Vorsitzende durch die Hintertür verlässt, um dem Betrugsvorwurf zu entkommen) oder als Demonstrant im Knüppelheer der Miliz: von „Einiges Russland“ kann längst keine Rede mehr sein. Ein lehrreicher Film, Radikaldiagnose seiner (unserer) Zeit.
– Barbara Wurm